8.000 Risse in belgischem Reaktor!
Laut Willy de Roovere, Chef der belgischen Atomaufsichtsbehörde AFCN, sind 8.000 Risse am unteren Teil des dritten Reaktorblocks des belgischen AKW Doel entdeckt worden. Heute wurde ein zweiter betroffener Reaktor abgeschaltet. Die Atomaufsicht zweifelt, dass Doel-3 jemals wieder ans Netz gehen wird. Atomkraftgegner sind entsetzt, denn die Risse wurden erst mit einem „neuen Messverfahren“ gefunden.
Am Donnerstag hat in Brüssel ein internationales Treffen von Atomexperten stattgefunden, nachdem die belgier Alarm geschlagen hatten. Vertreter Deutschlands, der Niederlande, Schwedens, Spaniens, der Schweiz, der USA und Argentiniens nahmen teil. An all diese Länder hatte der niederländische Konzern Rotterdam Drydocks Reaktorbehälter der gleichen Konstruktion geliefert, wie diese in den 70er-Jahren in den AKW Doel und Tihange montiert wurden. Gestern ordnete die AFCN an, den zweiten Block des belgischen AKW Tihange aus Sicherheitsgründen abzuschalten. Die entsprechende Ultraschallprüfung wird in Tihange am 10. September durchgeführt. Ende Oktober, sobald die Ergebnisse der derzeit laufenden Inspektion vorliegen, soll die Entscheidung über die Wiederinbetriebnahme des Meilers getroffen werden.
Von deutscher Seite saßen gestern Vertreter der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) mit am Tisch. In Deutschland betrifft dies das bereits abgeschaltete AKW Philippsburg-1. Betreiber EnBW vermeldet, es gäbe dort keine Risse. Ob allerdings diese „neuen Verfahren“ der Ultraschallprüfungen auch hier durchgeführt wurden, wurde nicht beantwortet.
Die von Rotterdam Drydocks gelieferten Reaktorbehälter sind in folgenden AKW verbaut:
- 2 Reaktoren in Belgien (Doel und Tihange-3-2),
- 2 Reaktoren in Deutschland (Brunsbüttel, Philippsburg-1, die beide in ständigem Shutdown),
- 2 Reaktoren in den Niederlanden (Borssele, Dodewaard, letztere in ständigen Shutdown),
- 2 Reaktoren in Spanien (Santa María de Garoña, Cofrentes),
- 1 Reaktoren in Schweden (Ringhals-2),
- 2 Reaktoren in der Schweiz (Leibstadt, Mühleberg).
- 10 Reaktoren in den Vereinigten Staaten (Catawba-1, McGuire-2, Nord-Anna-1, Nord-Anna-2, Quad Cities-1, Sequoyah-1, Sequoyah-2, Surry-1, Surry-2, Watts Bar-1 ),
- 1 Reaktor in Argentinien (Atucha-1).
Hinweise auf diese Risse hätten sich laut beglischer Atomaufsicht bei Kontrollen am südfranzösischen Atommeiler Tricastin schon im Jahr 2004 ergeben. Die Risse dort seien „im rechten Winkel zur Oberfläche“ des Reaktorbehälters verlaufen und „mit anderen Worten gefährlich“ gewesen, so der AFCN-Chef.
- Eine Reparatur von betroffenen Reaktoren ist nach Einschätzung der AFCN „praktisch unmöglich“. Auch ein Austausch sei „extrem schwierig“ und wegen der erhöhten Strahlung weltweit noch nie gewagt worden.
Der Betreiber muss nun beweisen, „dass es nicht das geringste Risiko gibt, dass mögliche Risse weiter wachsen können“, so de Roovere. „Wenn wir das Ergebnis nicht akzeptieren, bedeutet das das Aus für die Anlage.“
Atomkraftgegner fordern das endgültige Betriebsende bereits jetzt:
„Die 8.000 Risse im belgischen Reaktor Doel-3, die offenbar nur dank ’neuer Technik‘ gefunden wurden, sind so alarmierend, dass sich das sofortige Betriebsende aller möglicherweise betroffenen Anlagen aufdrängt“, so Jan Becker von contrAtom. „Aus den Reaktor-Havarien von Fukushima sollten die Verantwortlichen lernen, dass es bei einem Spiel mit dem Risiko nur Verlierer gibt. Dass die Reaktorhülle bei einem Anstieg des inneren Drucks durch einen Störfall hält, ist massgeblich gegen eine Verseuchung der Umwelt. Von einem Flugzeugabsturz oder Terroranschlag auf die brüchige Hülle ganz zu schweigen. Sich in diesem Punkt auf Betreiberangaben verlassen zu wollen, ist fahrlässig!“
- Schwachstellen in Reaktorbehälter: Risse in belgischem AKW entdeckt
10. August 2012 – Ein Reaktorblock des belgischen AKW Doel ist von der Atomaufsicht bis auf weiteres stillgelegt worden. Es bestehe der Verdacht auf Risse im Reaktorbehälter vom Block 3. Baugleiche Anlagen stehen auf der ganzen Welt. In Belgien könnten zwei betroffene Meiler für immer stillgelegt werden.
- Gericht entscheidet: begründete Sicherheitsmängel an Schweizer AKW Mühleberg
13. August 2012 – Ein weiterer Etappensieg für schweizer AtomkraftgegnerInnen: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt an, dass die Mühleberg-KritikerInnen Sicherheitsbedenken in Bezug auf die Risse im Kernmantel glaubhaft dargelegten, so dass das Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) nun gesetzlich verpflichtet ist, die Sachlage zu überprüfen.
Quellen (Auszug): de.rian.ru, handelsblatt.com, AFP, oecd-nea.org; 18.08.2012