Radioaktive Altlasten: Intakte Atommüllfässer im Ärmelkanal entdeckt
Ein Film-Team der ARD hat auf dem Grund des Ärmelkanals Fässer mit radioaktivem Abfall entdeckt. Sie galt in den 50er und 60er Jahren als eine der einfachsten Möglichkeit, sich dem Atommüll zu entledigen: die Versenkung. 28.500 Fässer mit strahlenden Abfällen wurden allein vor der britisch-französischen Küste abgeladen. Auch Deutschland beteiligte sich an der Entsorgung auf dem Meeresgrund.
Die Masse der 17.244 Tonnen schwachradioaktiver Abfälle in etwa 28.500 Fässern wurde von Belgien und Großbritannien zwischen 1950 und 1963 im Unterwassergraben Hurd Deep nordöstlich der britischen Kanalinsel Alderney versenkt. Laut Internationaler Atomenergie Organisation beträgt die Radioaktivität der britischen Fässer 58 Billionen Becquerel, die der belgischen 2,4 Billionen Becquerel. Laut des Berichts „1999 Global Inventory of Radioactive Wastes in the Marine Environment“ betrug die Gesamtaktivität 57,942 GigaBecquerel. Experten gingen bislang davon aus, dass die Atomfässer längst verrostet sind, sich die Radioaktivität im Meer verteilt hat, und der Atommüll durch die Verdünnung „unschädlich“ geworden ist. Aufnahmen eines Filmteams des Südwestrundfunks zeigen nun das Gegenteil: Ein unbemanntes, ferngesteuertes U-Boot lieferte Bilder aus den 124 Metern Tiefe, auf denen nur wenige Kilometer vor der französischen Küste zwei Atommüllfässer zu sehen sind. Laut des Journalist Thomas Reutter nicht die einzigen. Bereits Mitte 2000 hatte Greenpeace mithilfe von Unterwasser-Photographien das Ausmaß und den Zustand der Atommülllagerungen dokumentiert und hatte rostende und zerborstene Leichtmetallfässer mit radioaktivem Müll gefunden. Der britische Wissenschaftler Professor Chris Busby misst erhöhte Strahlung auf den in Sichtweite zur Fundstelle gelegenen Kanalinsel.
Nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg wurden im Hurd Deep sowohl chemische als auch konventionelle Munition, Waffen und andere militärische Ausrüstung und auch ganze Schiffe versenkt. Von 1946 bis 1974 wurde nicht nur weiterhin routinemäßig britische Munition, sondern bis 1973 auch erhebliche Mengen von radioaktivem Abfall mit geringer und mittlerer Radioaktivität entsorgt. Hurd’s Deep war eine zugelassene Deponie für niedrig-strahlende Abfälle und wurde von der staatlichen United Kingdom Atomic Energy Authority genutzt.
Doch nicht nur im Ärmelkanal wurde Atommüll versenkt, auch im Atlantik luden Schiffe die Abfälle einfach ab. Etliche Staaten praktizierten bis 1982 diese Methode der „sicheren Entsorgung“, bis sie nach heftigem Protest weltweit verboten wurde.
Man könne die Fässer mit diesem Gefährdungspotential nicht einfach auf dem Meeresgrund liegenlassen, fordern die Grünen und wollen die Bergung des Mülls. Laut Bundesregierung, die zuletzt im Auguts 2009 eine Radioaktivitätsüberwachung im Ärmelkanal durchführte, gibt es „keinerlei Hinweise auf Emissionen aus den Versenkungsgebieten“.
- Themenabend „Endlager Meeresgrund“, ARTE, Dienstag, 23. April, 20.15 Uhr.
httpv://www.youtube.com/watch?v=cjKJre9SuXs
- 1967: Deutschland versenkt Atommüll im Atlantik
An der probeweisen Versenkung von radioaktiven Abfällen unter der Aufsicht der europäischen Kernenergieagentur (ENEA) von 1967, 1969 und darauffolgend jährlich bis Anfang der 80er Jahre im Atlantik und im Iberischen Becken, waren maßgeblich Frankreich, Großbritannien, Belgien und 1967 auch die Bundesrepublik Deutschland beteiligt.
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10. Februar 2013 – Endlager Meeresboden — Bis 1982 versenkten neun Staaten schwach- und mittelradioaktive Abfälle im Nordostatlantik, darunter auch Deutschland. Insgesamt wurden offiziellen Statistiken zufolge an 15 Stellen 114.726 Tonnen Atommüll in 222.732 Fässern verklappt und zwar Alpha-, Beta- und Gammastrahler. Viele Jahrzehnte haben es sich die Staaten, die Atomtechnik nutzen, leicht gemacht und große Teile der atomaren Abfälle einfach im Meer entsorgt. Was genau auf diese Weise für immer in den Tiefen verschwand, weiß heute niemand mehr.
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2. November 2011 – Im Nordostatlantik, 400km vor Portugal entweicht einem Medienbericht zufolge Radioaktivität aus versenkten Atommüllfässern. In Wasserproben wurde eine erhöhte Konzentration von Plutonium 238 festgestellt. Auch Deutschland hat sich an der Versenkung beteiligt.
Quellen (Auszug): spiegel.de, greenpeace.de, de.wikipedia.org; 11./22.04.2013