Weniger Mädchen: Auffällige Geburtenrate bei Gorleben
Rund um das Zwischenlager im niedersächsischen Gorleben hat sich das Geschlechterverhältnis bei Geburten verschoben. Im Umfeld des Atomzwischenlagers in Gorleben im Landkreis Lüchow-Dannenberg werden deutlich weniger Mädchen geboren als früher: Seit Inbetriebnahme des Lagers 1996 kamen nach einer der Nachrichtenagentur dpa vorliegenden Untersuchung von Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums München „signifikant“ weniger weibliche Kinder zur Welt.
In der Zeit seit Beginn der Einlagerung hätten in den an das Zwischenlager grenzenden Gemeinden Gorleben, Höhbeck und Trebel 120 Jungen und 111 Mädchen das Licht der Welt erblickt – ein Verhältnis von eins zu 1,081, sagte Ralf Kusmierz, einer der Autoren der Studie. Dieses liegt zwar noch relativ nahe am Bundesdurchschnitt von 1,055 – allerdings wurden in den drei Gemeinden zwischen 1971 und 1995 sogar mehr Mädchen als Jungen geboren, so dass sich das Verhältnis umgekehrt hat. Zudem verschiebe sich die Verteilung umso mehr, je näher sich die Wohnung der Mutter am Lagerbehälterhaus befinde.
„Im Ergebnis kann man als gesichert betrachten, dass seit Inbetriebnahme des Transportbehälterlagers in Gorleben in der Region signifikant weniger Mädchen geboren werden als zuvor,und zwar umso mehr, je näher sich die Wohnung der Mütter am Lagerbehälterhaus befindet“, so Wissenschaftler Kusmierz. „Ich halte dies nicht für einen Zufall“, sagte Kusmierz. Er gehe davon aus, „dass sich fruchtschädigende Einflüsse in der frühen Schwangerschaft geschlechtsspezifisch auswirken und insbesondere weibliche Embryos absterben lassen, wodurch bei den Lebendgeborenen der Jungenanteil steigt“.
Kusmierz hatte im vergangenen Jahr bereits festgestellt, dass in der Gemeinde Remlingen rund um das marode Atommülllager Asse der Jungenanteil unter den Geborenen ebenfalls extrem überhöht sei. Da in der Asse radioaktive Emmissionen wie Gase bekannt seien, sei hier die Ursache erkennbar, sagte Kusmierz. „In Gorleben sind mir die Ursachen jedoch nicht klar.“
„Die Zahlen sind äußerst besorgniserregend“, sagte der umweltpolitische Sprecher der Linksfraktion, Kurt Herzog. Die schwarz-gelbe Landesregierung müsse daher schnell handeln: „Ich erwarte, dass jetzt sofort das kleinräumige Monitoring in Angriff genommen wird, das Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) aus Anlass der Krebsfälle in der Asse angekündigt hatte“.
Eine Anfrage bei der Samtgemeinde Gartow, bei der die Geburten registriert werden, ergab für Gorleben folgende Daten:
- 2010 – 2 Geburten, 2 männlich
- 2009 – 1 Geburt, 1 männlich
- 2008 – 3 Geburten, 1 männlich, 2 weiblich
- 2007 – 6 Geburten, 5 männlich, 1 weiblich
- 2006 – 3 Geburten, 2 männlich, 1 weiblich
- 2005 – 2 Geburten, 2 männlich
- 2004 – 6 Geburten, 6 weiblich
- 2003 – 2 Geburten, 2 weiblich
- 2002 – 6 Geburten, 4 männlich, 2 weiblich
- 2001 – 4 Geburten, 4 männlich, 1 weiblich
- 2000 – 5 Geburten, 3 männlich, 2 weiblich
- Atomanlagen machen krank – je näher, je eher
7. März 2011 – Seit Veröffentlichung der Kinderkrebsstudie (KiKK) vor 3 Jahren, die einen Zusammenhang von Erkrnakung und Wohnortnähe zu einer Atomanlage belegt, wurden zwei weitere epidemiologische Studien veröffentlicht. Eine zu Fehlbildungen bei Neugeborenen um Atomkraftwerke und eine zum Geschlechterverhältnis bei der Geburt um bayerische Atomkraftwerke. Beide Studien bestätigen die bei der KiKK-Studie gefundene Abstandsabhängigkeit.
- Erhöhte Krebserkrankung um die Endlager Asse und Morsleben
28. November 2010 – Um die zwei Endlagerbergwerke in Deutschland, in denen Atommüll eingelagert wurde, ist die Erkrankung an Blutkrebs signifikant erhöht. Laut Krebsregister sind doppelt soviele Menschen an Leukämie erkrankt, als im Bundesdurchschnitt. Nun müssen Untersuchungen folgen, um die Ursachen zu klären. Das es einen Zusammenhang mit dem Atommüll gibt, kann nicht ausgeschlossen werden. Erste “Experten” erklären einen Zusammenhang mit dem Atommüll schonmal als unwahrscheinlich.
Quelle (Auszug): ndr.de, 23.02.2011