Standortbenennung Gorlebens vor 34 Jahren: 34 Jahre Lug und Trug – 34 Jahre Protest und Widerstand
Am 22. Februar 1977 wurde der Standort Gorleben – als Nukleares Entsorgungszentrum – per Fingerzeig vom damaligen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) benannt. Ausschlaggebend war nicht die zweifelhafte Geologie, sondern die Tatsache, dass ein Areal von 12 Quadratkilometern für den Bau eines Nuklearen Entsorgungszentrums gegeben schien. Die Absicht, in Gorleben – dann in einem zweiten Anlauf in Dragahn – eine Wiederaufarbeitungsanlage zu errichten, scheiterte am breiten außerparlamentarischen Massenprotest, die Projekte wurden politisch fallen gelassen.
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. (BI) wurde Anfang März 1977 gegründet und organisierte am 12. März eine erste Großkundgebung mit rund 16.000 Teilnehmern. Fast 50.000 Menschen demonstrierten im November 2010 im Wendland für den Atomausstieg, gegen Castor-Transporte und gegen die Aufhebung des Moratoriums in Gorleben, wo ein Atommüllendlager unter der Etikette “Erkundungsbergwerk” unter Umgehung demokratischer Spielregeln vorbei am Atomrecht errichtet wird.
Bereits 1977 rollten die Trecker – heute engagieren sich die Bäuerliche Notgemeinschaft und die BI im Schulterschluss und sehen den Bürgerprotest an der Schwelle zu einem späten großen Erfolg. “Schon 1992 sollte die sogenannte Erkundung abgeschlossen werden, der lange Atem der Menschen, die sich im Wendland und bundesweit gegen Gorleben und für den Erneuerbaren Energien engagieren, hat es möglich gemacht, dass alle Schwachstellen des Salzstocks und der ganze Lug und Trug um die Standortbenennung offen sichtlich wird, weil die Akten nicht mehr unter Verschluss gehalten werden können”, sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke.
Die Gorleben-Gegner geben sich siegesbewusst:”Wir stehen an der Schwelle zu einem großen Erfolg: Gorleben ist politisch und geologisch verbrannt, da wird auch die Charme-Offensive des Bundesumweltministers Norbert Röttgen (CDU) nichts dran ändern können.” Die Gorleben-Gegner werden nicht nachlassen, ihren Sachverstand in die Debatte um die nukleare Entsorgung einzubringen, allerdings nicht im Rahmen des “Gorleben-Dialogs”, der übertünchen soll, dass es in 34 Jahren keine formalen Beteiligungs- und Klagerechte für die Öffentlichkeit gegeben hat.” Gorleben gehöre auf den Misthaufen der Nukleargeschichte, der Dialog sei überflüssig wie ein Kropf.
Die BI-Vorsitzende Kerstin Rudek kündigte an: “Wir engagieren uns weiterhin auch bundesweit für den sofortigen Atomausstieg, bei der Menschenkette im März in Baden-Württemberg und am 25.Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe. Im Herbst 2011 setzen wir das nächste Ausrufezeichen beim 13. Castor-Transport, solange bis das Ende von Gorleben eingetütet ist”.
Hintergrund:
Seit 1977 engagieren wir uns in der Bürgerinitiative Umweltschutz, ehrenamtlich und parteienunabhängig. 1004 Mitglieder unterstützen unsere Arbeit durch Beitragszahlungen, Spenden und vor allem durch praktisches Handeln.
Auf Veranstaltungen, über die Gorleben Rundschau, mit Hilfe von Broschüren und Flugblättern informieren wir die Öffentlichkeit über unsere Arbeitsthemen Atommüll-Lagerung in Gorleben und Ausstieg aus der Atomkraft. Hintergrundinformationen und tagesaktuelle Pressemitteilung finden Sie auf unserer Homepage. Einen kurzen prägnanten Überblick erhalten Sie hier, wenn Sie auf der Startseite www.bi-luechow-dannenberg.de den Banner “Presse” anklicken.
Die große Demonstration, Protest und Widerstand im November 2010 fokussierten die Debatte um die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke auf die Frage der ungelösten Atommüllentsorgung. Gorleben steht – neben der Asse II und Morsleben, den beiden havarierten Endlagern – paradigmatisch für eine Politik, die einseitig die Konzerninteressen bedient: Schon bei der Standortbenennung 1977 ging es vorrangig um einen “Entsorgungsnachweis”, um den Betrieb der Atomreaktoren gerichtsfest zu machen.
Gorleben wurde nicht wegen seiner geologischen “Qualitäten” benannt. Ausschlaggebend waren die geringe Bevölkerungsdichte und der vermeintliche Konservatismus der Landbevölkerung. Erwartet wurde ein schwacher Widerstand gegen das “Nukleare Entsorgungszentrum” (NEZ). Am zuvor favorisierten Standort Wahn/Emsland wurde der Protest ausgerechnet vom Landvolk und der CDU angeführt, u.a. opponierten die späteren Landesminister Werner und Walter Remmers. Den Ausschlag gab schließlich die “einfache Eigentumsstruktur” – große Gebiete über dem Salzstock Gorleben-Rambow gehörten und gehören bis heute der Familie v. Bernstorff -, gesucht wurde ein Areal von 12 Quadratkilometern für das NEZ. Der Stellenwert der geologischen Kriterien rangierte bei 12 Prozent der Gesamtbewertung, Aktenfunde belegen diese These.
Zwei Jahre nach der Standortbenennung demonstrierten 100.000 Menschen in Hannover gegen die Atomkraft und Gorleben als Nukleares Entsorgungszentrum, vorausgegangen war der legendäre Traktoren-Treck nach Hannover. Daraufhin erklärte der niedersächsische Ministerpräsident Ernst-Albrecht (CDU), Gorleben sei technisch machbar, aber politisch nicht durchsetzbar. Der Bau einer Wiederaufarbeitungsanlage als Kernstück des NEZ wurde 1979 aufgegeben, aber das Brennelementzwischenlager wurde nach 1981 errichtet und das Tiefbohrprogramm zur Erkundung des Salzstocks wurde durchgezogen. Allerdings waren die Ergebnisse der Tiefbohrungen ernüchternd – Wasserkontakt und Gaseinschlüsse wurden ausgemacht. Die Schönung des Zwischenberichts der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt ist heute Gegenstand des Parlamentarischen Untersuchungsberichts Gorleben. Die Aktenfunde gehen auf unsere Akteneinsicht beim Bundesamt für Strahlenschutz zurück.
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Atomrecht oder Bergrecht? Was wird in Gorleben eigentlich gebaut? Um die Mitspracherechte und eine formale Beteiligung der Bevölkerung zu unterlaufen, wurde mit dem ersten Fest des Kübels am 17.03.1986 das Abteufen, das Auffahren von Schächten und Strecken auf der Basis des Bergrechts vorgenommen. Bis heute hielten alle Bundesregierungen daran fest, Schwarz-Gelb hat jetzt sogar beantragt, den “verbrauchten” Rahmenbetriebsplan aus dem Jahr 1982 zu verlängern, um weiter Fakten unter Tage schaffen zu können. Diese Trickserei setzt auch der jetzige Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) fort, deshalb wird sein Dialog-Angebot scheitern, denn es soll die gravierenden Verfahrensmängel und Rechtsverstöße kaschieren.
Der erste Castor-Transport 1995 war ein regionales Großereignis. 16.000 Polizisten und BGS-Beamte setzten den Transport mit überzogener Härte durch, zuvor wurde bekannt, dass es massive Probleme bei der Beladung des Behälters gegeben hat (Trocknung, Metallspäne). In den Mittelpunkt des Interesses traten nun auch die Behälterintegrität, fehlende Sicherheitstests, die Strahlenbelastung und die Unfallgefahr bei Transporten. Diese Fragen beschäftigen Fachleute und die interessierte Öffentlichkeit bis heute, befriedigende Antworten gibt es nicht. In diesem Jahr wird ein Transport – vermutlich um den 14. November herum – erwartet. Schon der 12. Konvoi hatte es in sich – gemessen am hohen radioaktiven Inventar.
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Rollt die Atommüllfuhre von A nach B, von La Hague nach Gorleben, so werden regelmäßig Grundrechte außer Kraft gesetzt. Demonstrationsverbote, Hausdurchsuchungen und die Stigmatisierung der Protestszene als “gewalttätig” sind prägend für die sogenannte “fünfte Jahreszeit” im Wendland. “Kommt der Castor- geht die Demokratie” sagen wir. Was nützt es, wenn wir Prozesse im Nachhinein gewinnen, wenn die Polizei sich selbst rechtswidrig verhält? Wir haben einmal in einer Gegenverfügung aufgelistet, wie sich aus unserer Sicht das Verhältnis von Exekutive und Protestszene darstellt. Nichtsdestotrotz plädieren wir für Gewaltfreiheit.
www.castor.de/aktionen/2006/allgvfg.html
Quelle: bi-luechow-dannenberg.de