Lüneburg: Kampf gegen die Bequemlichkeit
Eine neue Initiative wirbt in der Region für den Wechsel zu Ökostrom-Anbietern. Neben Haushalten auch Handel und Gewerbe im Blick
Ökostrom? Ist doch viel zu teuer! Wechseln ist doch viel zu kompliziert, und wenn es mal dunkel und windstill ist, bleibt abends womöglich die Küche kalt – und überhaupt: Was bringt das schon?
All diesen Vorurteilen begegnet Mischa Karafiat immer wieder, wenn er das Thema Stromanbieterwechsel anspricht. Und mit allen will er jetzt in und um Lüneburg aufräumen: Zusammen mit fünf Frauen und Männern hat er die Initiative „Lüneburg steigt aus – Stromwechsel leicht gemacht“ ins Leben gerufen und sich zum Ziel gesetzt, Strom aus regenerativen Energien in möglichst viele Lüneburger Geschäfte und Privathaushalte zu bringen.
Die allesamt ehrenamtlichen „Ökostromwerber“ engagieren sich schon lange in verschiedenen Verbänden und persönlich für Klimaschutz und Atomausstieg. Jetzt hatten sie die Idee, innerhalb des Lüneburger Aktionsbündnisses gegen Atom (LAgA) eine Arbeitsgruppe zu gründen und ihre Aktivitäten für die Region zu bündeln.
„Es ist wirklich einfach, den Stromanbieter zu wechseln“, sagt Mischa Karafiat. „Im Gegensatz zum Wechsel des Telefonanbieters.“ Benötigt werden nur die Zählernummer, der aktuelle Stand und der Name des bisherigen Stromversorgers. „Oder einfach die letzte Jahresrechnung zum neuen Anbieter faxen, und der kümmert sich dann um den Rest.“ Der 28-Jährige versteht nicht, warum viele immer noch zögern. Oft ist es kaum teurer, Stromengpässe gibt es nicht. „Viele sind einfach zu bequem, um den Anbieter zu wechseln.“ Dabei dauere es nur in paar Minuten.
Der selbstständige Eventmanager aus Lüneburg wirkt überzeugt – und überzeugend. Für den Stromwechsel zu werben, das ist sein Hobby. Nicht umsonst engagiert er sich bei „Contratom“, arbeitete bereits für Greenpeace. „Wir wollen die Ohnmacht bekämpfen“, sagt er und meint die Art von Ohnmacht, die sich einstellt, wenn der Einfluss des eigenen Handelns mit Blick auf das Weltgeschehen auf einmal recht unbedeutend erscheint. Wenn ihn jemand fragt „Was kann ich als Einzelner schon tun?“, antwortet er: „Wechseln! Dann kann ich nämlich sagen, ich habe meinen Beitrag getan, meinetwegen muss kein Atomkraftwerk mehr laufen.“
Damit das Geld der eigenen Stromrechnung wirklich nicht in den Betrieb der Atomkraftwerke fließt, sondern in den Ausbau der sauberen Energien investiert wird, sei es aber notwendig, einen der reinen Ökostromanbieter zu wählen. Die Arbeitsgruppe hält sich darum an die Empfehlungen großer Organisationen wie Ausgestrahlt oder Campact, die nur vier Anbieter vorbehaltlos empfehlen: Lichtblick, Naturstrom, die Stadtwerke Schönau und Greenpeace Energy. „Alle anderen haben irgendwo Hintertürchen und beziehen auch Atomstrom“, so Karafiat.
Starten will die „Lüneburg steigt aus“-Gruppe am Wochenende mit einem Infostand in der Fußgängerzone. „Wir verteilen Flyer und Hefte über Stromwechsel und Stromsparen, damit sich die Leute ohne Druck damit auseinandersetzen können und immer wieder einen Denkanstoß bekommen.“ Wer konkrete Informationen über Preise und Anbieter bekommen möchte, kann mit seiner Jahresrechnung an den Stand kommen und ausrechnen lassen, was der Wechsel im Einzelfall kostet.
Die Mitglieder der Arbeitsgruppe wollen verstärkt den Kontakt zu Lüneburger Unternehmen und Geschäftsleuten suchen. So ist Karafiat etwa schon mit dem Betreiber der Diskothek „Garage“ im Gespräch. „Das ist eine riesige ehemalige Industrieanlage mit einem gigantischen Stromverbrauch. Das Bretterdach ist eine Farce – da wird die Energie einfach rausgeballert.“
Die Heizanlage in der Garage laufe teils mit Strom, teils mit Gas. Die überschaubaren Mehrkosten von Ökostrom wären Karafiats Ansicht nach gut zu kommunizieren: „Man könnte den Besuchern erklären, dass der Eintritt nur einmal im Jahr einen Euro mehr kostet, um die Mehrkosten aufzufangen.“ Auch die evangelische Kirche in Lüneburg habe Interesse am Wechsel bekundet. „Das wäre ein Riesenprojekt mit Symbolwirkung“, sagt der 28-Jährige. Er hofft, dass die Menschen nach der Katastrophe in Japan noch lange für das Thema offen bleiben.
Die Mitglieder von „Lüneburg steigt aus – Stromwechsel leicht gemacht“ stehen am 9. und 16. April (jeweils Sonnabend) von 10 bis 14 Uhr für alle Fragen zum Thema in der Großen Bäckerstraße, nähe Markt, bereit. Am Donnerstag, den 14. April, unterstützen sie die Adendorfer Landfrauen bei einem Infoabend über Stromwechsel, ab 19.30 Uhr in der Bibliothek in Adendorf.
Eine Form, die die Initiative öfter nutzen möchte: „Wir rufen Schützenvereine, Feuerwehren und andere Gruppen auf, sich bei uns zu melden“, sagt Karafiat. Kontakt und Informationen per E-Mail und im Internet.
- info@lagatom.de
- www.atomausstieg-selber-machen.de
Quelle: abendblatt.de, 07.04.2011