Castor nach Gorleben: Beladung trotz fehlender Transportgenehmigung

Im November ist der 13. Castor-Transport ins Wendland geplant, die Vorbereitungen dafür sind angelaufen. Die ersten Behälter werden in der französischen Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague bereits verladen und damit transportfertig gehalten, obwohl noch keine Transportgenehmigung durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) erteilt wurde. Auf diese Ungereimtheit verweist die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) hin.

Mit diesem Vorab-Freifahrtschein der Genehmigungsbehörde werde provozierend die jahrzehntelange Kontinuität an Skandalen und Ungereimtheiten bei der Sicherheit beim Umgang mit hochgefährlichem Atommüll fortgesetzt. “Es darf nicht sein, dass Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden hier einfach wegschauen”, moniert die BI.

Zugleich verheimlicht das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) nunmehr auf Druck des Bundesumweltministers Norbert Röttgen die Neugenehmigungen für Castor-Transporte. Das Bfs gab am 19.04.11 auf seiner Website zu der im Internet veröffentlichten Liste der „aktuell genehmigten Transporte für Kernbrennstoffe und Großquellen“ bekannt: „Auf Bitten des Bundesumweltministeriums enthält diese Liste aus Gründen der Sicherung keine Genehmigungen mehr, mit denen nicht ein Transport bereits durchgeführt worden ist.“

BI-Sprecher Wolfgang Ehmke: “Röttgen wird nicht müde, von Transparenz zu reden, tatsächlich wird hier nur noch Geheimniskrämerei begangen. Eine erneute Sicherheitsbewertung für die Zwischenlager mit dem hochradioaktiven Müll steht nach der Katastrophe in Fukushima ohnehin aus. Die Atommülldebatte kommt endlich auch in Fahrt, in Gorleben dürfen nicht weiter Fakten geschaffen werden.”

  • Wir fordern, den Transport abzusagen!

Hintergrund:

Der neue Behältertyp Castor HAW28M wurde entwickelt, weil sich die Betreiber der Atommeiler durch erhöhten Kernbrennstoff-Abbrand ab Anfang 2000 unter Zugzwang gesetzt hatten. Für den nun noch stärker strahlenden und heißeren Atommüll, die Wärmeleistung erhöht sich von bislang 45 kW um über 20% auf 56 kW, waren die bisherigen Castor-Behälter unbrauchbar. Obwohl erst Jahre später ein Behälter für die neuen extremeren Bedingungen in Planung ging, wurden die Genehmigungen für die Abbranderhöhung erteilt.

Erst 2008 meldete die Atomindustrie den neuen Castor HAW28M zu behördlichen Prüfverfahren an und fiel prompt mit Pauken und Trompeten durch. Die Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) versagte den Herstellern (GNS) die Genehmigung und bemängelte scharf, dass für die Sicherheitsnachweise nur frei gewählte Parameter in Rechenmodelle eingefügt worden seien. Die Atomkraftwerksbetreiber wichen daraufhin auf einen Transport in elf französischen Behältern (TN85) aus, die auch nie unter realen Bedingungen getestet wurden.

So fand ein Falltest lediglich mit einem kleinen 1:3 Modell statt, das durch das geringe Gewicht von nur 15t statt gut 100t nicht aussagekräftig war. Auch mit dem zuvor abgewiesenen Castor HAW28 fanden dann nur Modellversuche statt (1:2). “Schließlich werden bei der Einführung neuer PKW auch keine kleinen Modellautos getestet, die bei Crashtests durch ihre Kompaktheit erheblich bessere, aber nicht übertragbare Ergebnisse liefern würden”, kritisieren die Gorleben-Gegner. Die in Gorleben eingelagerten französischen Behälter mussten später auf Grund zu großer Hitzeentwicklung weiter voneinander entfernt aufgestellt werden. Trotzdem verweigerten im Vorfeld weder Genehmigungs- noch Aufsichtsbehörden die Aufstellgenehmigung im Zwischenlager. Wegen all dieser Trickserei und Schönrechnungen, hätte längst die Gorlebener Betriebsgenehmigung entzogen werden müssen.

Trotz dieser grundlegend besseren Testumstände beim Castor HAW28 als mit Original-Behältern wurde behördlich zusätzlich abgesegnet, dass der Behälter gar nicht völlig unbeschädigt bleiben müsse, sondern die abschirmende Wirkung des Behälters sich durch die Belastung maximal um den Faktor 100 (10mSv/h in 1m Entfernung) verschlechtern darf. Das radioaktive Inventar eines Castor HAW28, das bei einem Unfall entweichen würde, entspricht etwa 20% der beim Tschernobyl-Fallout freigesetzten Strahlung. Ein sarkastisches Spiel mit dem nuklearen Feuer.

Die Verantwortung wird dabei hin und her geschoben. So erklärten im Februar 2005 Experten des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) vor dem Rat der Stadt Dannenberg, dass echte Tests gemäß ihrer Interpretation der Vorschriften der Internationalen Atomenergiekommission nicht erforderlich seien. Für die Zulassung reichten auch Berechnungen aus, die sich auf Tests mit ähnlichen Behältern oder Modellen beziehen, die in den 70er und 80er Jahren vorgenommen wurden. Das Amt habe diese Berechnungen auch nicht selbst durchgeführt oder überprüft. Das sei Aufgabe der von den Strahlenschützern beauftragten BAM. Welche Berechnungen diese im Einzelnen vornahm, und wie weit diese sich auf Daten der Behälter-Hersteller berufen, könnten sie nicht beurteilen.

Reale Tests wie beispielsweise Fall- und Brandversuche, lehnt das BfS aus Kostengründen ab. Sarkastisch, wird doch der Steuerzahler regelmäßig für Polizeieinsätze zur Durchsetzung der Atommülltransporte in Höhe von jeweils mindestens 30 Mio. Euro zur Kasse gebeten. Die Sicherheit der Bevölkerung muss im Vordergrund stehen, nicht die Finanzinteressen der Atomindustrie. Wie am traurigen Beispiel Fukushima zu sehen, rächt es sich auch finanziell ins Unermessliche, Sicherheitsaspekte nicht zu beachten.

Betroffen wäre bei einem Unfall nicht nur die Umgebung von Gorleben. Wenn, vermutlich im November, wieder ein Transport mit hochradioaktivem Atommüll rollt, durchfährt der Transportzug von Frankreich kommend etliche Städte und Gemeinden. Der vorgeschriebene Falltest der Castoren aus 9 m Höhe entspricht einer Aufprallgeschwindigkeit auf dem Boden von etwa 48 km/h. Die von vier Diesellokomotiven vorne und hinten gezogene und geschobene Atommüllfuhre wird aber wohl wieder unter behördlichem Wegschauen mit bis zu doppelter Geschwindigkeit durch bewohnte Gebiete rasen.

Die BI hält sich gegen die Beladung trotz fehlender Transportgenehmigung rechtliche Schritte vor.

Quelle: PE BI Lüchow-Dannenberg, 27.04.2011