AKW-„Stresstests“ verkommen zu Gipfel der Unglaubwürdigkeit
Naturkatastrophen, Flugzeugabstürze und menschliches Versagen. Terrorismusgefahr bleibt zunächst außen vor. Diese Punkte sollen die sogenannten „Stresstests“ behandeln, die in allen europäischen Atomkraftwerken durchgeführt werden. Weit ab der Realität und damit unnütz, meinen Atomkraftgegner. Wieder einmal soll der Bevölkerung Sicherheit vorgegaukelt werden – ein „Gipfel an Unglaubwürdigkeit“ wird produziert.
Man habe sich in Brüssel „verständigt“, berichtet das Büro von EU-Energiekommissar Günther Oettinger. Aus Diplomatenkreisen heißt es, die Atommeiler sollen nicht nur auf ihre Tauglichkeit bei Naturkatastrophen wie Hochwasser oder Erdbeben geprüft werden, sondern auch für den Fall von Flugzeugabstürzen oder menschlichen Versagens. Sicherheit bei Terrorangriffen sei aber nicht inbegriffen. Dass dies mitgeprüft werden sollte, darauf hatte vor allem Deutschland wochenlang bestanden – und offenbar gegen mächtige Verhandlungsparnter wie Frankreich und England verloren.
- Menschliches Versagen kann in seiner Dimension nicht errechnet oder bewertet werden, da die Fehlerquelle Mensch unkalkulierbar ist. Einzig sinnvoll wäre das Entfernen des Menschen aus dem hochkomplexen System AKW, was kaum ein Ingenieur mehr durchblicken kann. Oder die sofortige Abschaltung aller Anlagen.
- Kein Atomkraftwerk kann effektiv gegen Terrorismus geschützt werden – deswegen bleiben die Szenarien auch unberücksichtigt.
- Nachweislich sind die alten Meiler in Deutschland gegen den Absturz eines Flugzeuges nicht geschützt.
Das Risiko zu kennen und nicht zu handeln ist fahrlässig gegenüber der eigenen Bevölkerung! Es existiert eine tatsächliche Bedrohung für Leib und Leben – und die Bundesregierung bleibt tatenlos.
Der Gipfel an Unglaubwürdigkeit dieser „Stresstests“ ist, dass die Prüfungen von den Betreibern der Atomkraftwerke selbst vorgenommen werden sollen. Das diese ein einziges Interesse, nälich den reibungslosen Weiterbetrieb ihrer „Gelddruckmaschinen“ verfolgen, liegt auf der Hand. Der Energiekonzern E.ON hat unterdessen die Ergebnisse bereits mitgeteilt: wären die Anlagen in Japan gemäß des deutschen Regelwerkes ausgelegt gewesen, wäre Fukushima ausreichend gegen den Tsunami geschützt gewesen. Oder andersherum: alle deutschen Atomkraftwerke würden einer Welle von 14 Metern Höhe standhalten.
„Das ist alles absolut unglaubwürdig und steht im absoluten Widerspruch zu einem Ausbau von Vertrauen in der Bevölkerung“, betont Jan Becker von contrAtom. „In Fukushima kommt die schreckliche Wahrheit und das Ausmass der Katastrophe erst scheibchenweise ans Licht. In Deutschland und ganz Europa versuchen die Betreiber und ihre Lobby mit allen Kräften die Meiler zu retten. Das wird auch an den nun völlig aufgeweichten und unnützen Stresstests deutlich. Es gibt nur einen einzigen sinnvollen Schutz gegen Atomgefahren: die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen!“
„Wenn die AKW nicht sofort stillgelegt werden und dann irgendwann doch ein vollbetanktes Großflugzeug auf Brokdorf oder Neckarwestheim 2 stürzt, dann wird es wahrscheinlich auch heißen: ‚Das war doch vorher bekannt, das hätte von den Behörden berücksichtigt werden müssen.‘ So gesehen haben wir in der Bundesrepublik exakt die gleiche Situation wie in Japan: Den Behörden sind Sicherheitsmängel bekannt und trotzdem werden die Atomkraftwerke nicht stillgelegt, sondern das Risiko wird, zumindest bei den neueren Reaktoren, in Kauf genommen“, resümiert Jochen Stay von ausgestrahlt.
„Das war die letzte Chance der konservativen Parteien, ihre Glaubwürdigkeit in Sachen Abwicklung der Atomkraft unter Beweis zu stellen. Atomtechnologie ist nicht beherrschbar. Wer einmal den Bundestag besucht hat und in eine Zusatzkontrolle wegen erhöhter Terrorgefahr geraten ist, weiß, dass die Abgeordneten wesentlich besser geschützt sind als jedes AKW oder Zwischenlager, in denen unermessliche Gefahrenpotentiale lagern. Das Ergebnis des Stresstests ist ein Skandal und zeigt, dass Politik nicht einmal bereit ist, aus Katastrophen zu lernen. Wir werden weiterhin die Plattform schaffen für den legitimen Protest und Widerstand gegen diese menschenverachtenden und profitorientierten Pro- Atomkraft Entscheidungen“, so Kerstin Rudek, Vorsitzende der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg.
Am kommenden Samstag werden in ganz Deutschland erneut zehntausende Menschen gegen den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke protestieren. Von Kiel bis Freiburg finden große Protestaktionen statt, gemeinsam fordern wir: „ABSCHALTEN – JETZT!“ – www.anti-atom-demo.de
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Quelle (Auszug): spiegel.de, ausgestrahlt.de; 25.05.2011