Historische Kehrtwende: Die Atompolitik von CDU/CSU ab März 2011

Nach einem verheerenden Erdbeben mit anschließendem Tsunami am 11. März 2011 havarierten im japanischen Fukushima vier Atomreaktoren. Der Verlauf des Unglücks mit Freisetzung von Radioaktivität hat einen massgeblichen Einfluss auf die Atompolitik der CDU/CSU in Deutschland. Ein Überblick.

Rückblick

Am 14. Juni 2000 schloss die damalige rot-grüne Bundesregierung die „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen“, im Volksmund „Atomkonsens“ bezeichnet. Mithilfe von Reststrommengen,die jedem einzelnen Reaktor individuell anhand seines Alters und der Leistung zugeteilt wurden, sollten die deutschen Atomkraftwerke bis etwa zum Jahre 2020 abgeschaltet werden. Auch möglich war die Übertragung von Reststrommengen von abgeschalteten Reaktoren auf neuere.1

Union-Fraktionschef Kauder forderte im Juli 2010 eine “deutliche Verlängerung” der AKW-Laufzeiten, man “sei sich in der Koalition einig, dass es längere Laufzeiten gebe” und lehnte eine Anteilnahme des Bundesrates am Laufzeitengesetz vehement ab. Anfang 2010 wollte er den “Atomausstieg umgehend stoppen”, damit “weder Biblis A noch Neckarwestheim vom Netz genommen werden müssen”.

Ein Konzept für eine „umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung” legte die schwarz/gelb Regierung mit ihrem Energiekonzept am 28. September 2010 vor. Darin enthalten war auch ein deutliches Bekenntnis für den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke über den „Atomkonsens“ hinaus:

  • Kernenergie als Brückentechnologie: Die Laufzeit der 17 Kernkraftwerke in Deutschland wird um durchschnittlich 12 Jahre verlängert. Bei Kernkraftwerken mit Beginn des Leistungsbetriebs bis einschließlich 1980 wird die Laufzeit um 8 Jahre verlängert, bei den jüngeren um 14 Jahre.

„Das ist nicht mehr und nicht weniger als eine Revolution im Bereich der Energieversorgung”, so Merkel am 28.09.2010.2 Damit sollten auch ältere Atomkraftwerke wie beispielsweise Neckarwestheim-1, dessen Reststrommenge Anfang 2011 verbraucht gewesen wäre, am Netz bleiben.3

Chronologische Betrachtung 12. März – 03. Mai 2011

12. März 2011

  • Norbert Röttgen, Bundesminister für Umweltschutz und Reaktorsicherheit, CDU, gegenüber dem ZDF: Man muss über Atomkraft neu nachdenken.4
  • Kanzlerin Angela Merkel will Kernkraftwerke in Deutschland prüfen. “Wenn schon in einem Land wie Japan mit so hohen Sicherheitsstandards, nukleare Folgen eines Erdbebens nicht verhindert werden können, dann kann auch ein Land wie Deutschland nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.”5

13. März 2011

  • Sigmar Gabriel greift die CDU scharf an, da diese die Prüfmaßstäbe der deutschen Kernkraftwerke mit der Laufzeitverlängerung in Deutschland stark herabgesetzt haben.6 Die CDU (Kauder) wehrt sich dagegen und widerspricht heftig.7
  • Süddeutsche: Bayerns Umweltminister Söder (CSU) plädiert für einen schnelleren Umstieg auf Öko-Energie. “In Deutschland ist die Frage der Sicherheit nicht vom Alter des Reaktors abhängig.” – “Die Kernkraftwerke in Bayern sind sicher.” – “So haben wir zum Beispiel bei den Notstromanlagen ein stärkeres und besseres System als Japan. Ich glaube aber, dass wir – wenn es um mögliche Flugzeugabstürze geht – weltweit einen neuen Standard setzen könnten.” 8
  • Nachdem Norbert Röttgen, (Bundesminister für Umweltschutz und Reaktorsicherheit, CDU) vor 24 Stunden die Kernkraft nicht in Frage stellen wollte, fordert er nun eine neue Grundsatzdebatte zur Atompolitik und denkt an einen schnellen Umstieg auf andere Energieträger. 9 Es gehe es nicht nur um die Frage von Laufzeiten, sondern um die Beherrschbarkeit des Restrisikos, sagte der CDU-Politiker der ARD. Womöglich müsse der Übergang zu einer anderen Energieversorgung beschleunigt werden. “Dass wir weg wollen, ist klar”, sagte der Minister.10
  • CDU-Staatssekretärin im Umweltministerium Katharina Reiche im ARD Morgenmagazin: “Der Kernpunkt des Gesetzes [zur Laufzeitverlängerung] ist, dass wir ja schon jetzt einen Ausstieg beschlossen haben […]. Wir haben einen gesellschaftspolitisch gewollten und politisch bestätigten Ausstieg aus der Kernenergie.”11

14. März 2011

  • Baden-Württembergs Regierungschef Stefan Mappus: Deutschlands zweitältester noch laufender Atommeiler Neckarwestheim 1 wird so schnell wie möglich abgeschaltet. Einen Zeitrahmen nannte der CDU-Politiker nicht.12
  • Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer bestätigte gegenüber der ARD: Isar 1 wird abgeschaltet. Einen Zeitpunkt nennt er allerdings nicht. 13
  • Umweltminister Markus Söder (CSU) will das umstrittene Kernkraftwerk Isar I abschalten. Dies sagte Söder laut Angaben informierter Kreise am Montag bei einer Telefonschalte des CSU-Präsidiums. Dafür habe er Beifall erhalten. Ein Unternehmenssprecher des Betreibers E.ON sagte der Nachrichtenagentur dapd am Montag: “Isar I erfüllt alle Sicherheitsvorschriften. Es gibt keinen Grund den Reaktor vom Netz zu nehmen.”14
    „Ich glaube, dass Japan generell alles ändert, auch bei mir”, sagte der CSU-Politiker im Bayerischen Rundfunk. Sicherheitsaspekte müssten umfassend neu diskutiert werden. Dazu gehörten alle möglichen Risiken – auch Flugzeugabstürze. Söder forderte auch eine neue Diskussion über die von Union und FDP Ende vergangenen Jahres gegen heftigen Widerstand durchgesetzte Verlängerung der Laufzeit der deutschen Kernkraftwerke.15
  • Das seit rund 35 Jahren laufende Atomkraftwerk Neckarwestheim I in Baden-Württemberg muss nach Bekanntgabe des Atom-Moratoriums der Regierung vom Netz genommen werden. Dies machte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) am Montag in Berlin deutlich.16
    Der umstrittene südhessische Atommeiler Biblis A soll laut Angaben der hessischen Landesregierung erst Ende Mai für zunächst acht Monate vom Netz. Geplant seien Revisionsarbeiten, sagte Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) am Montag in Wiesbaden. Biblis B stehe derzeit ohnehin planmäßig still, sagte Puttrich. Ob die beiden Meiler wieder in Betrieb gehen könnten, hänge von der weiteren Sicherheitsüberprüfung ab.17
  • Die ältesten deutschen Atomkraftwerke müssen angesichts des von der Regierung verkündeten Moratoriums für die Laufzeitverlängerung möglicherweise sofort abgeschaltet werden. “Das wäre die Konsequenz”, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag in Berlin. Sie antwortete damit auf die Frage, was bei einem Moratorium mit denjenigen AKW passieren würde, die ihre ursprünglich vorgesehenen Reststrommengen bereits aufgebraucht haben. Zunächst solle es aber Gespräche mit den Ministerpräsidenten und den Kraftwerksbetreibern geben, fügte Merkel hinzu.18
    Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) sagte dazu, die Laufzeitverlängerungen sähen “keine Garantie für den Weiterbetrieb jedes einzelnen Kernkraftwerks” vor. Bereits aufgebraucht waren die im Atomkonsens des Jahres 2000 vereinbarten Reststrommengen beispielsweise in dem baden-württembergischen Atomkraftwerk Neckarwestheim I.19
  • Kanzlerin Merkel gibt am Nachmittag bekannt, dass die Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke ausgesetzt wird. Angela Merkel (CDU) hat diese Entscheidung Sonntagabend im kleinen Kreis vorbereitet und am Montag mit dem CDU-Präsidium abgestimmt. In dieser Zeit soll die Sicherheitslage in den deutschen Atommeilern mit Blick auf die Erkenntnisse aus Japan überprüft werden.20
  • EU-Energiekommissar Günther Oettinger hat als Konsequenz aus der Atomkatastrophe in Japan die vorzeitige Schließung älterer deutscher Kernkraftwerke ins Spiel gebracht. Die alten Kraftwerke seien zwar ständig und umfassend nachgerüstet worden, dennoch müsse ohne jede Vorbedingung deren Sicherheit geprüft werden, sagte Oettinger am Montag im Deutschlandfunk. “Ich schließe gar nichts aus”, sagte er auf die Frage nach einem Abschalten von Anlagen. „Der Vorfall hat die Welt verändert, und vieles, was wir als Industriegesellschaften für sicher und beherrschbar gehalten haben, ist nun in Frage gestellt”, so Oettinger. 21
  • Der Spitzenkandidat der CDU in Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, hat nach der Atomkatastrophe in Japan eine Überprüfung der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke gefordert. Die Entscheidung zur Verlängerung der Laufzeiten gehöre auf den Prüfstand.22
  • Baden-Württemberg überprüft seine Kernkraftwerke. Ab dem heutigen Montag seien Inspekteure im Einsatz, die sich vor allem um die Frage der Notstromversorgung kümmern sollen, sagte Landesumweltministerin Tanja Gönner im Deutschlandfunk. Begleitet werde diese Überprüfung von einer unabhängigen Expertenkommission. Sollten die Experten feststellen, dass die Sicherheit in den Kernkraftwerken nicht gewährleistet sei, “wird auch abgeschaltet”, so die CDU-Politikerin. 23

15. März 2011

  • EU-Energiekommissar Günther Oettinger hat Stresstests für alle Kernkraftwerke in Europa angekündigt. Es habe auf der von ihm einberufenen Krisensitzung mit Vertretern der Industrie und der Mitgliedsstaaten eine “einvernehmliche Zustimmung” zu den Stresstests gegeben. Die Tests würden auf freiwilliger Basis aber nach allgemein anerkannten Regeln durchgeführt, sagte Oettinger. Einen Zeitpunkt dafür nannte er zunächst nicht.24
  • Trotz der angekündigten Sicherheitschecks in allen 17 deutschen Atomkraftwerken bleibt Kanzlerin Merkel bei ihrer früheren Aussage, dass die heimischen Meiler die sichersten der Welt seien. Der “Südwest Presse” gegenüber wies sie Vorwürfe zurück, dass es sich bei dem Moratorium für die Laufzeitverlängerung um Wahlkampfhilfe vor allem für Baden-Württembergs Ministerpräsident Mappus handelt. “So gern ich mit der CDU Landtagswahlen gewinne, so wenig ist das in diesem Fall der Grund für mein Handeln”, sagte Merkel. Vielmehr sei sie dem Wohl der Menschen in Deutschland verpflichtet.25
  • Das AKW Neckarwestheim I wird für immer abgeschaltet. Ministerpräsident Mappus sagte im Landtag: „Neckarwestheim I wird abgeschaltet, dauerhaft, und stillgelegt”.26 Zuvor hatte der Betreiber EnBW mitgeteilt, dass ein wirtschaftlicher Weiterbetrieb des Reaktors voraussichtlich nicht darstellbar sei.27
  • Röttgen: Es werden in Deutschland nur die 7 genannten Kernkraftwerke abgeschaltet, weil diese nicht vor Flugzeugabstürzen gesichert seien.28
  • Die sieben ältesten AKWs werden während des Moratoriums von drei Monaten abgeschaltet: Neckarwestheim-1, Biblis A und B, Unterweser, Isar-1, Philippsburg-1, Brunsbüttel.29
  • In der Unions-Fraktion regt sich Unmut über das atompolitische Moratorium der Bundesregierung. “Ich bin nicht bereit, ohne Grund unser Energiekonzept aufzugeben”, sagte Fraktionsvize Christian Ruck der “Rheinischen Post”. “Das Energiekonzept beruht darauf, dass wir die Atomenergie als Brückentechnologie noch eine längere Zeit brauchen, um die erneuerbaren Energien hochzufahren”, betonte der für Umweltpolitik und Reaktorsicherheit zuständige CSU-Politiker.30

16. März 2011

  • Bundesumweltminister Norbert Röttgen hält ein neues Gesetz zur Atomkraft nach Ende des dreimonatigen Atom-Moratoriums für wahrscheinlich. Er persönlich rechne auch mit gesetzgeberischen Maßnahmen, sagte Röttgen.31 Sieben ältere Meiler werden zumindest vorübergehend abgeschaltet. Zudem bleibt das neuere AKW Krümmel vom Netz.32 Das Moratorium sei ein politischer, kein rechtlicher Schritt, sagte Röttgen am Rande einer Sondersitzung des Umweltausschusses des Bundestags.33 Die Opposition fürchtet Schadenersatzforderungen von AKW-Betreibern.34
  • Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer schließt weitere Abschaltungen von Kernkraftwerken in Deutschland nicht aus. Seehofer sagte der “Bild”-Zeitung: “Es geht um die Sicherheit, da gibt es keine Tabus.” Es sei zudem “völlig offen”, ob zur Überprüfung abgeschaltete Reaktoren später wieder in Betrieb genommen werden.35
  • Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) hält eine endgültige Stilllegung des Kernkraftwerks Philippsburg I für möglich.36 Der Unions-Obmann im Umweltausschuss, Josef Göppel (CSU), geht indes davon aus, dass die sieben ältesten Atomkraftwerke für immer stillgelegt werden.37
  • Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bezweifelt, dass die Regierungen von Bund und Ländern eine Abschaltung von Atomkraftwerken ohne Zustimmung des Bundestages beschließen dürfen. „Ich lasse prüfen, ob es dazu weiterer korrigierender gesetzlicher Regelungen bedarf“, sagte Lammert der “Berliner Zeitung” (Mittwoch).38 Die Regierung beruft sich bei ihrem dreimonatigen Moratorium mit der Abschaltung von acht – teilweise bereit stillstehenden – Reaktoren auf Paragraf 19 des Atomgesetzes.39 Dort ist geregelt, dass in Notsituationen bestimmte AKW vorübergehend oder ganz still gelegt werden können.40

17.03.2011

  • Niedersachsen hat den Energiekonzern E.on zur Abschaltung des AKW Unterweser angewiesen. Die entsprechende Weisung habe man am Donnerstag der E.on Kernkraft übermittelt, sagte Ministerpräsident David McAllister im Landtag in Hannover.41 Die Abschaltung solle umgehend erfolgen. Einer Bitte der Landesregierung auf vorübergehendes Abschalten des Reaktors war E.on zuvor nicht nachgekommen. Das Unternehmen wollte eine entsprechende Weisung.42
  • Bundeskanzlerin Merkel ändert den Atom-Kurs der Union radikal in einer Regierungserklärung43: Sie sagt, die herrschenden Gesetze reichen aus, um die Stilllegung von Kernkraftwerken anzuordnen. Die Regierung möchte einen Terminplan vorlegen, um den Wechsel auf erneuerbare Energien zu beschleunigen. Die Grundlage bietet eine Debatte über Sicherheit, die in der Form im Bundestagswahlkampf 2010 keinen Eingang gefunden hatte.

18.03.2011

  • Die Ergebnisse der geplanten Stresstests für die rund 140 europäischen Atomkraftwerke sollen nach den Worten von EU-Energiekommissar Günther Oettinger „für alle Mitgliedsstaaten eine verbindliche Richtschnur” bilden.44 Die Kriterien für die Untersuchung der 143 Anlagen würden von den Staaten mit erarbeitet und die betroffenen 14 Länder und Energieversorgungskonzerne hätten allesamt “Zustimmung signalisiert”, sagte Oettinger dem “Mannheimer Morgen”45. Die Stresstests seien daher keine Augenwischerei. Oettinger sprach sich zudem dafür aus, die Überprüfungen “so gründlich wie nötig, aber auch so schnell wie möglich” abzuhandeln. Bei einem Sondertreffen der EU-Umweltminister am Montag sollen demnach die generellen Linien für die Prüfung festgelegt werden.46

Zwischenresümee

Nur zehn Tage nach dem schweren Unfall in Japan stellen Unionspolitiker Forderungen, wie sie allein die Anti-Atom-Partei Bündnis 90/Die Grünen vor einigen Jahren stellten. Es ist die Rede von „beschleunigtem Wechsel aus Erneuerbare Energien“, dass einzelne Reaktoren endgültig abgeschaltet wurden bis hin zu der Feststellung, dass die sieben abgeschalteten Reaktoren für immer stillgelegt worden seien.

22.03.2011

  • Der niedersächsische Ministerpräsident McAllister (CDU) kündigte an, dass es in seinem Bundesland zusätzliche Sicherheitsüberprüfungen für das marode Atommülllager Asse, das Endlager Schacht Konrad und das Zwischenlager in Gorleben geben werde.47
  • Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die dem Umweltministerium zugeordnete Reaktor-Sicherheitskommission mit der Klärung der technischen Fragen beauftragt. Zudem setzte Merkel einen „Rat der Weisen“ ein, wo herausragende Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft die ethischen Fragen der weiteren Nutzung von Kernkraft erörtern sollen. Diese „Ethik-Kommission“ wird geleitet vom früheren Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) und dem Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Matthias Kleiner.48

23.03.2011

  • In der Union mehren sich die Stimmen, die auf ein rasches Aus der ältesten Atom-Reaktoren in Deutschland drängen. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU)49 und der bayerische Umweltminister Markus Söder (CSU)50 sprachen sich am Mittwoch dafür aus, die derzeit stillgelegten sieben Alt-Meiler dauerhaft vom Netz zu nehmen. Zugleich plädierte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für einen möglichst schnellen Ausstieg aus der Atomkraft.51 Wann dies der Fall sein soll, bleibt allerdings weiter offen.
  • Der Atomstreit setzt Kanzlerin Merkel und die Union kräftig unter Druck. In der Wählergunst geht es bergab. Jetzt werden Forderungen lauter, die sieben abgeschalteten älteren AKW endgültig vom Netz zu nehmen. CDU/CSU verlieren im Wahltrend von „Stern“ und RTL im Vergleich zur Vorwoche bundesweit drei Punkte auf 33 Prozent. Die Grünen legen zu. Fast drei Viertel der Befragten halten das von Merkel nach der Japan-Katastrophe angeordnete dreimonatige Abschalten der sieben ältesten deutschen Atommeiler für reine Wahltaktik.52
  • Atomkraft wird nach Überzeugung von EU-Energiekommissar Günther Oettinger in Europa noch “langfristig” zur Energieerzeugung eingesetzt werden. Er gehe davon aus, “dass die Atomenergie auch langfristig eine Rolle spielen wird in Europa”, sagte Oettinger am Mittwoch vor EU-Parlamentariern in Brüssel. Er verwies darauf, dass derzeit vier Akw in der EU im Bau seien, weitere 24 seien in Planung oder zumindest gewollt.53

25.03.2011

    Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) gibt dem Atomreaktor Philippsburg 1 Chancen, nach dem dreimonatigen Moratorium wieder ans Netz zu gehen. „Ich schätze Philippsburg 1 rentabler ein als Neckarwestheim 1“.54

26.03.2011

  • Der CDU-Politiker Heiner Geißler hat eine Volksabstimmung über den Atomausstieg gefordert. “Um das möglich zu machen, brauchen wir eine Gesetzes- und Verfassungsänderung auf Bundesebene”, sagte der frühere CDU-Generalsekretär dem Nachrichtenmagazin “Focus” laut Vorabbericht vom Samstag.55
  • Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer glaubt nicht, dass die sieben abgeschalteten deutschen Atomkraftwerke wieder ans Netz gehen. “Ich kann mir schwer vorstellen, dass es wirtschaftlich ist, sie noch einmal nachzurüsten”, sagte der CSU-Vorsitzende dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ laut Vorabbericht.56

27.03.2011

  • In der Koalition wächst der Unmut über den Kurswechsel der Regierung in der Atompolitik. Insbesondere Vertreter des Wirtschaftsflügels sprachen am Wochenende von Hysterie und einer übereilten Entscheidung.57 Auch Unions-regierte Bundesländer setzten unterschiedliche Akzente. Während sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) für eine Abkehr von der Atomkraft stark machte58, warnte sein Kollege aus Baden-Württemberg, Stefan Mappus (CDU), vor übereilten Schritten.59
  • Wahlniederlage in Baden-Württemberg: Die CDU verliert die Macht im Land gegen eine rot-grüne Mehrheit. Einen historischen Sieg fahren Bündnis 90/Die Grünen mit einem Zugewinn von 12,5 Prozent Stimmenanteil ein. Stefan Mappus macht Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) für die Niederlage verantwortlich; dieser hatte am 23.03.2011 in einer Sitzung des Bundesverband Deutscher Industrie erklärt: die Überprüfung und vorläufige Abschaltung älterer Atomkraftwerke gegenüber begründet sich mit dem anstehenden Wahlkampf in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.60 Den Eindruck, das Moratorium hänge mit den Wahlen zusammen, hatte die Regierungskoalition aus Union und FDP eigentlich vermeiden wollen. Zwar wurde Brüderles Darstellung postwendend dementiert, die Bevölkerung fühlte sich aber in der Vermutung nun endgültig bestätigt. „Es ist schon schlimm genug, dass die Bundesregierung es mit dem Atomausstieg nicht ernst meint“, so Thomas Oppermann, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. „Noch schlimmer ist die Unverfrorenheit, mit der Brüderle gegenüber der deutschen Wirtschaft das Moratorium als Wahlkampfmanöver bezeichnet. Das ist vorsätzliche Wählertäuschung.“61

28.03.2011

  • Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat am Montagabend in Essen bekräftigt, die Laufzeiten von Atomkraftwerken „so weit es geht“ zu verkürzen. Wie schnell der Ausstieg aus der Atomenergie möglich ist, sei davon abhängig, dass ein Energiewechsel machbar, sinnvoll und wirtschaftlich vernünftig sei, erklärte Röttgen beim Politischen Forum Ruhr in der Philharmonie Essen.62
  • Laut Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) wird es einen Beschluss darüber, die Laufzeiten-Verlängerung für Atomkraftwerke möglicherweise ganz zu kippen, erst nach dem dreimonatigen Atom-Moratorium geben.63
  • Angesichts der Atomkatastrophe in Japan und des Machtverlusts in Baden-Württemberg will die schwarz-gelbe Koalition in Berlin ein „verändertes“ Energiekonzept erarbeiten. „Wir können ein gutes Konzept hinbekommen, es wird aber ein verändertes Konzept sein“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach den Gremiensitzungen ihrer Partei in Berlin.64 Am Atomkurs wolle man aber festhalten.65
  • CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hat das Festhalten seiner Partei an der Kurskorrektur in der Atompolitik bekräftigt. Aus der Wahlniederlage in Baden-Württemberg müssten Konsequenzen gezogen werden, sagte Gröhe am Montag vor einer CDU-Präsidiumssitzung dem Sender n-tv. So gehe es darum, etwa in der Energiepolitik durch Überprüfen der Atomanlagen und durch die Bereitschaft zur Kurskorrektur Vertrauen zurückzugewinnen. Auf die Frage, ob er erwarte, dass die sieben im Zuge des Moratoriums abgeschalteten Akw wieder in Betrieb genommen würden, sagte Gröhe: “Da bin ich sehr skeptisch. Ich halte es für die Mehrheit der Reaktoren für ganz unwahrscheinlich, dass sie wieder ans Netz gehen.”66

29.03.2011

  • EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) macht die schnelle Kehrtwende seiner Partei in der Energiepolitik verantwortlich für die Wahlschlappe in Baden-Württemberg. „Die Richtungsänderung in der Atompolitik war so stark, dass die Glaubwürdigkeit auf der Strecke geblieben ist“, sagte Oettinger der „Schwäbischen Zeitung“ (Dienstag). Bei den nächsten Wahlen im Herbst werde die Union mit ihrer Energiepolitik wieder bestehen können.67
  • Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), erwartet, dass die sieben ältesten Atommeiler nicht wieder in Betrieb gehen werden. „Meiner Überzeugung nach ist das Moratorium ein Moratorium auf Dauer. Wenn jetzt die sieben Meiler oder ein Teil der Meiler wieder ans Netz gehen würde, wäre das für viele Menschen ein Vertrauensbruch“, sagte Bosbach am Montag in der Phoenix-Sendung “Unter den Linden”.68

30.03.2011

  • Die unionsinterne Kritik an den Ausstiegsplänen der Bundesregierung reißt nicht ab. Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, forderte angesichts der veränderten Lage ein geschlossenes Gesamtkonzept in Deutschland.69

01.04.2011

  • Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) geht davon aus, dass es am Ende des von der Regierung beschlossenen dreimonatigen Atom-Moratoriums eine erneute Änderung des Atomgesetzes geben wird.70

02.04.2011

  • Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Ursula von der Leyen hat Versäumnisse ihrer Partei in der Atom-Politik eingeräumt. Die CDU habe die “volle Dringlichkeit der notwendigen Energiewende” verschlafen, sagte die Bundesarbeitsministerin der “Süddeutschen Zeitung” vom Samstag.71
  • Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, schließt nicht aus, dass keines der sieben ältesten Atomkraftwerke in Deutschland die geplante Sicherheitsüberprüfung übersteht.72
  • Umweltminister Markus Söder (CSU) kündigt ein Wettrennen der Bundesländer um den Ausstieg aus der Atomkraft an. “In Bayern betrachten wir das jetzt als Wettbewerb mit dem grün-roten Baden-Württemberg”, sagte Söder der “Frankfurter Rundschau” (Samstagausgabe) laut Vorabbericht.73
  • Die CDU setzt beim Ausstieg aus der Atomenergie auf einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens. Das machten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Umweltminister Norbert Röttgen am Samstag deutlich.74 Die SPD warf Schwarz-Gelb vor, Union und FDP wollten nur über ihre “breite Uneinigkeit” hinwegtäuschen.75 Sigmar Gabriel (SPD)76 und Die Grünen erklärten einen Ausstieg aus der Atomenergie etwa 2017 für möglich.77

03.04.2011

  • Die Grünen sind bereit, mit Bundeskanzlerin Merkel über einen Atomkonsens zu verhandeln – aber nur unter bestimmten Bedingungen: Die Laufzeitverlängerung müsse zurückgenommen werden.78 Auch auf Unionsseite gibt es Bewegung: Die CSU will sich als Ausstiegspartei profilieren, sie hat den Wettlauf um die schnellste Energiewende ausgerufen.79
  • CSU-Chef Horst Seehofer hat seine Partei davor gewarnt, von der Wende in der Atompolitik wieder abzurücken.“Es gibt auch in meiner Partei einige Leute, die jetzt nach der Wahl gerne wieder alles rückgängig machen würden”, sagte Seehofer der “Welt am Sonntag”.80

04.04.2011

  • Deutschland kann nach Ansicht des ehemaligen Bundesumweltministers Klaus Töpfer (CDU) rasch aus der Atomenergie aussteigen, ohne negative Folgen für die Wirtschaft zu verursachen.81
  • Vor dem ersten Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit der von ihr eingerichteten Ethikkommission zur Energiewende hat sich deren Ko-Vorsitzender Matthias Kleiner skeptisch über die Zukunft der Kernenergie geäußert, warnte aber vor einem „übereilten Atomausstieg“.82
  • Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) strebt einen nationalen Energiekonsens auch an, um der Industrie Sicherheit für ihre Investitionen zu geben. Nötig sei in den nächsten zehn Jahren sicherlich ein dreistelliger Milliardenbetrag, sagte Röttgen am Sonntagabend in der ARD-Sendung “Bericht aus Berlin”.83
  • CSU-Vorstandsmitglied Bernd Posselt fordert von der Union eine konsequente Abkehr von der Atomenergie. Der Atomausstieg müsse unideologisch vorangetrieben werden, sagte Posselt am Montag in München.84

05.04.2011

  • Anlässlich der ersten Sitzung der Ethikkommission zur Energiepolitik hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für eine breite öffentliche Debatte über das Thema ausgesprochen. Ihr sei wichtig, dass sich in der Kommission ein „breites gesellschaftliches Spektrum” vereint habe, um die Weichen für die neue Energiepolitik zu stellen, sagte Merkel zum Auftakt der Sitzung des Gremiums im Kanzleramt.85

06.04.2011

  • Die schwarz-gelbe Koalition will Stromimporte aus dem Ausland als Folge der neuen Energiepolitik auf alle Fälle vermeiden. „Das Ziel ist es, dass wir jedenfalls nicht den alten Atomstrom durch Atomstrom aus dem Ausland ersetzen wollen”, sagte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier am Dienstag in Berlin.86
  • Die CSU-Landesgruppe im Bundestag will nach der Atomkatastrophe von Fukushima eigene Vorschläge für einen Umbau der Energieversorgung in Deutschland vorlegen.87
  • Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Unions-Fraktion auf ihren Kurs in der Energiepolitik nach der Atomkatastrophe von Fukushima eingeschworen. Das Atom-Moratorium mit der vorübergehenden Stilllegung von sieben älteren Atomkraftwerken sei eine Chance für die Union, sagte Merkel am Dienstag nach Angaben von Teilnehmern in der Unionsfraktionssitzung in Berlin. Die Union solle nicht defensiv an das Thema herangehen.88
  • Die Union wirbt bei SPD und Grünen um einen Konsens in der Energiepolitik und bietet dazu Verhandlungen an. In beiden Parteien habe es in den vergangenen Tagen „nachdenkliche und zum Teil konstruktive Äußerungen gegeben“, so dass ein Konsens nicht auszuschließen sei, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag, Peter Altmaier (CDU), am Dienstag in Berlin. Es könne aber keine Einigung um jeden Preis geben.89
  • EU-Energiekommissar Günther Oettinger hat Stresstests für alle Atomkraftwerke auf der Welt gefordert, nicht nur für die europäischen. Die Erkenntnis, dass Sicherheit nicht teilbar sei, gelte nach der Atomkatastrophe in Japan nicht nur innerhalb der EU, sondern für die gesamte Welt, sagte der CDU-Politiker der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung”.90

07.04.2011

  • Die CSU verlangt von der schwarz-gelben Koalition in Berlin, beim Umbau der Energieversorgung in Deutschland so schnell wie möglich konkrete Zeichen zu setzen. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt fordert die Regierung deshalb auf, sich bis zum Ende des Moratoriums für die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken Mitte Juni auch auf ein Milliardenprogramm an Investitionen festzulegen.91
  • Das von der Bundesregierung berufene Expertengremium für Umwelt und Entwicklung hält einen Atomausstieg international auch ohne Abstriche beim Klimaschutz für machbar.92

08.04.2011

  • Union und FDP sind uneins über das Schicksal der wegen des Moratoriums des Bundesregierung abgeschalteten Atomkraftwerke. FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte am Freitag, in der Koalition gebe es eine breite Zustimmung für eine dauerhafte Abschaltung.93

09.04.2011

  • Unions-Bundestagsfraktionschef Volker Kauder hat davor gewarnt, Kernkraftwerke dauerhaft aus politischen Gründen abzuschalten. Der „Leipziger Volkszeitung“ sagte der CDU-Politiker, eine Stilllegung müsse nach den rechtlichen Grundlagen passieren.94

10.04.2011

  • Windkraft und mehr Gas: In einem Sechs-Punkte-Plan skizzieren Wirtschaftsminister Brüderle und Umweltminister Röttgen den Energiemix der Zukunft. Dabei bleiben sie allerdings ziemlich vage – und sorgen prompt für neuen Ärger in der Koalition.95
  • Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat sich beim Thema Atomausstieg auf die Bremse gestellt: Führende Politiker von CDU und FDP warnten vor einem Abschalten der Atomkraftwerke binnen weniger Jahre. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe nannte das von den Grünen geforderte neue Ausstiegsjahr 2017 „voreilig“.96
  • Die schwarz-gelbe Koalition sollte aus Sicht von Umweltminister Norbert Röttgen die vor wenigen Monaten beschlossene Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke zügig wieder zurücknehmen. Union und FDP müssten “klar sagen: Wir korrigieren unsere Beschlüsse vom vergangenen Herbst”, sagt der CDU-Politiker in einem am Sonntag veröffentlichten “Super-Illu”-Interview.97

11.04.2011

  • Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) hat die Idee eines Atomausstiegs bis 2017 als „absurd“ zurückgewiesen. In diesem Fall könne es passieren, dass Strom aus dem tschechischen Temelin importiert werden müsse. „Deswegen sollte man versuchen, die gesamte Energiestrategie auf das Jahr 2020 auszurichten und das heißt dann natürlich auch, die Laufzeitgesetzgebung entsprechend anzupassen“, sagte Söder am Montag dem Bayerischen Rundfunk.98
  • Ein schneller Atomausstieg könnte teuer werden, warnt Thomas Bareiß, energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion: „Wenn wir zurückgehen auf den rot-grünen Ausstiegsbeschluss, fehlen uns 15 Milliarden Euro.“99
  • Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) müssen noch zahlreiche Kritiker ihrer Pläne zum schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien überzeugen. Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Michael Fuchs (CDU) monierte am Montag, er sehe nicht, wie die Pläne finanziert werden könnten.100

12.04.2011

  • Ministerpräsident David McAllister (CDU) distanzierte sich am Montagabend deutlich von der Kernkraft.101

13.04.2011

  • In der CDU gibt es Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Atomschwenks der Partei. Die CDU müsse deutlicher als bisher einräumen, in der Atompolitik einen Fehler gemacht zu haben, forderte der baden-württembergische CDU-Generalsekretär Thomas Strobl nach Informationen der „Berliner Zeitung“ auf einer Parteiveranstaltung.102
    Der Atomschwenk der Bundesregierung macht führende Unionspolitiker nervös: Als erster CDU-Ministerpräsident warnt Volker Bouffier vor einem zu hastigen Abschied von der Kernkraft. In der Partei wachsen Zweifel an der eigenen Glaubwürdigkeit.103

14.04.2011

  • Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, hat die Atompolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit scharfen Worten kritisiert: „Wir dürfen keine Energiepolitik machen, die die Besserverdienenden sich leisten können und die Armen ärmer macht. Auf diesem Kurs sind wir“, kritisierte er in einem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“ (Donnerstagsausgabe). „Am Ende zahlt in jedem Fall der Verbraucher“.104

15.04.2011

  • Vor dem Hintergrund der Atomkatastrophe in Japan berät Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) heute mit den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer über die künftige Energiepolitik in Deutschland. Neben der Zukunft der Atomenergie ging es dabei besonders um Rahmenbedingungen für den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien, etwa den Bau neuer Stromtrassen und zusätzliche Speicherkapazitäten. Vereinbart wurde einen Zeitplan für die geplante Energiewende. Mitte Juni sollen Bundestag und Bundesrat die nötigen Gesetzesänderungen beschließen und die Abkehr von der Kernkraft so auf rechtlich sichere Basis stellen, wie Merkel in Berlin sagte.105
  • Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) hat seine Partei dazu aufgerufen, den Ausstieg aus der Kernenergie entschlossen zu vollziehen. „Wir müssen ihn jetzt durchsetzen, wenn wir nicht unsere Glaubwürdigkeit verspielen wollen“, sagte McAllister der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitagausgabe). Auf die Frage, ob er für oder gegen die Atomkraft sei, antwortet McAllister, es sei „Kernkraftskeptiker. Und das war auch vor Fukushima schon so. Aber seit Fukushima hat die Kernenergie in Deutschland endgültig keine Zukunft mehr, die Katastrophe hat alles verändert. Es wird dafür keine Mehrheiten mehr geben.106

16.04.2011

  • Nach der Bund-Länder-Einigung auf ein Atomausstiegsgesetz bis Mitte Juni haben sich CDU und FDP107 gegen Steuererhöhungen zur Finanzierung eines Energie-Umbaus ausgesprochen.108
  • In Bayern soll der Atomausstieg nach dem Willen der CSU spätestens in zehn Jahren abgeschlossen sein. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte der „Augsburger Allgemeinen“ (Samstagausgabe), eine Voraussetzung sei, dass die Widerstände von Kritikern beim Umstieg auf erneuerbare Energien überwunden werden.109

20.04.2011

    Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) verlangt den Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie. „Ich habe auch immer gedacht, das Restrisiko sei theoretisch“, sagte Lieberknecht der Düsseldorfer “Rheinischen Post” (Mittwochausgabe) laut Vorabbericht.110

22.04.2011

  • Die Union will nach den Worten des CSU-Umweltpolitikers Josef Göppel mit einem deutlichen Ausbau der Windkraft den Atomausstieg beschleunigen.111
    Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer drängt auf einen raschen Atomausstieg bis zum Jahre 2020. „Ich glaube, dass es möglich ist, bis Ende dieses Jahrzehnts den wesentlichen Teil des Umstiegs geschafft zu haben“, sagte Seehofer dem Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL. „Bis dahin können wir im Wesentlichen raus aus der Kernenergie.“112

23.04.2011

  • Die Bundesregierung will das Baugesetzbuch noch in diesem Jahr novellieren, um mehr leistungsfähige Windräder installieren zu können. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sagte dem „Hamburger Abendblatt“: „Wir wollen leistungsfähigere Anlagen an gut geeigneten und landschaftsverträglichen Standorten, anstatt auf jeder verfügbaren Parzelle ein einzelnes altes Windrad.“113
  • Bayerns Umweltminister Markus Söder verlangt vom Bund finanzielle Unterstützung bei der Umsetzung des Atomausstiegs. Mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) ziehe er “in der Sache sicher an einem Strang”, sagte der CSU-Politiker. “Doch was bislang auf dem Tisch liegt, ist noch zu wenig.”114

24.04.2011

  • Der baden-württembergische CDU-Generalsekretär Thomas Strobl hat seine Partei aufgefordert, die Verlängerung der Laufzeiten für deutsche Atomkraftwerke „aus heutiger Sicht“ als Fehler einzugestehen. „Dieses Eingeständnis gehört zu einem glaubwürdigen Neuanfang in der Energiepolitik“, schreibt Strobl, der sich um das Amt des CDU-Vorsitzenden in Baden-Württemberg bewirbt, in einem Gastbeitrag für die „Bild am Sonntag“.115

26.04.2011 – 25. Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl

    Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, hat sich für einen schnellen Ausstieg aus der Atomenergie ausgesprochen. „Mir ist deutlich geworden, dass die Mehrheit unserer eigenen Unions-Anhänger, auch die Mehrheit unserer Abgeordneten und Ministerpräsidenten klar für einen frühen Ausstieg aus der Kernenergie ist“, sagte Altmaier am Dienstag im ARD-“Morgenmagazin“.116

28.04.2011

  • Der CDU-Politiker Heiner Geißler hält eine transparente Debatte über die Zukunft der Kernenergie für überfällig. Schon nach dem Reaktor-Unglück von Tschernobyl vor 25 Jahren hätte eine solche Diskussion über die Risiken der Kernkraft stattfinden müssen, sagte der „Stuttgart 21“-Schlichter im Interview mit der Nachrichtenagentur dapd.117

 

30.04.2011

  • Über Jahrzehnte galt die Union als Befürworter und Wegbereiter der Kernenergie in Deutschland. Jetzt vollziehen CDU und CSU die 180-Grad-Wende und stellen einen schnellen Ausstieg aus der Atomenergie in Aussicht. Die CSU will dabei ein eigenes Energiekonzept beschließen und setzt auf Gas als neue Brückentechnologie.118

01.05.2011

  • In der CSU stoßen die Pläne von Parteichef Horst Seehofer für einen schnellen Ausstieg aus der Kernenergie auf breiten Widerstand. „Die Wähler wollen keine grün lackierte CSU“, sagt der ehemalige Parteichef Erwin Huber dem Nachrichten-Magazin „Der Spiegel“.119

02.05.2011

  • Bundeskanzlerin Angela Merkel will den Ausstieg aus der Atomkraft offenbar mit einer festen Jahreszahl verbinden und vom System der Restlaufzeiten abrücken. Darauf habe sich Merkel mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (alle CDU) bei einem Treffen Ende vergangener Woche geeinigt, berichtet das „Handelsblatt“ (Montagausgabe) aus Regierungskreisen.120

03.05.2011

  • Bundesumweltminister Norbert Röttgen zufolge kann die CDU als Volkspartei nur überleben, wenn sie konsequent den Weg aus der Atomkraft wählt. Es habe schon vor der Atomkatastrophe von Fukushima eine „stabile Ablehnungsmehrheit“ dieser Energieform in Deutschland gegeben, sagte Röttgen am Montagabend auf einem energiepolitischen Fachgespräch der CDU in Berlin.121

Es ist eine ebenso historische wie auch groteske Kehrtwende: das tief in der CDU verankerte Thema Atomenergie wird von der Führungsspitze der Partei nach einem externen Ereignis völlig neu bewertet. Die gleichen Politiker, die im September 2010 massgeblich an der Verlängerung der Laufzeiten deutscher Reaktoren beteiligt waren, kommen zu dem Schluss, dass die eigene Partei nur überleben könne, wenn diese Handlung als Fehler eingestanden wird.

Vergessen werden darf nicht, dass gerade die Union seit Anbeginn der Kernenergienutzung in Deutschland eine Führungsrolle für dessen Ausbau einnahm. Zwar wurde auch im Wahlkampf 2010 immer von Atomenergie als „Brückentechnologie“ gesprochen, was einen Ausstieg suggerieren sollte, mit der Verlängerung der Laufzeit gegenüber des Atomausstiegs von rot/grün handelte es sich faktisch aber um das Bekenntnis zum Weiterbetrieb der alten Reaktoren.

Quellen

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2http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/energiekonzept_bundesregierung.pdf

3https://www.contratom.de/2011/01/15/reststrom-von-neckarwestheim-1-verbraucht-reaktor-stilllegen/

44http://www.toptarif.de/news/energie/18032011-oettinger-plant-strengere-sicherheitsauflagen-fuer-europaeische-atomkraftwerke

45http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,751401,00.html

47http://www.charivari.de/nachrichten/mcallister-fordert-sicherheitsueberpruefung-fuer-atommuelllager,4da3f6d94426b.php

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49http://www.sr-online.de/nachrichten/740/1203061.html

50http://www.finanzen.net/nachricht/aktien/Soeder-Aelteste-Meiler-endgueltig-abschalten-1074951

51http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/atomausstieg-merkel-cdu-fuer-schnellen-atomausstieg-deutschlands_aid_611615.html

52http://www.stern.de/politik/deutschland/stern-rtl-wahltrend-gruen-gewinnt-1666585.html

53http://www.stern.de/news2/aktuell/atomkraft-wird-noch-langfristig-in-europa-eingesetzt-1666941.html

54http://www.finanzen.net/nachricht/aktien/Mappus-Weiter-Chancen-fuer-AKW-Philippsburg-I-1077579

55http://www.focus.de/politik/deutschland/atomausstieg/atomausstieg-geissler-fordert-volksabstimmung_aid_612338.html

56http://www.epochtimes.de/articles/2011/03/26/693825.html

57http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/wirtschaftsforscher-stuetzen-merkel-kritiker/3994140.html

58http://www.epochtimes.de/articles/2011/03/26/693825.html

59http://www.themenportal.de/nachrichten/merkels-atomwende-in-koalition-umstritten-51804

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