Diskussion um Ausstiegs-Kosten: „Alles wieder wie vor Fukushima“

Der Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), Björn Klusmann, hat die derzeit kursierenden Kostenschätzungen zur Energiewende scharf kritisiert. Das Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ hatte zuvor das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) wieder ins Spiel gebracht, und ein RWE-Vertreter samt CDU-Politiker stimmten ein: Der Strompreis werde „wegen des kopflosen Ausbaus der erneuerbaren Energien“ stark steigen. Die Debatte zeigt: Deutschlands Energie-Diskurs pendelt sind wieder ein auf den Stand vor der Nuklear-Katastrophe von Fukushima.

Die Energiewende verschlingt nach Recherchen des Handelsblattes bis zur Abschaltung des letzten Atomkraftwerks im Jahr 2022 einen hohen dreistelligen Milliardenbetrag. Das Geld wird in Windturbinen, Solaranlagen und neue fossile Kraftwerke investiert, um die wegfallende Strommenge der Werke investiert, um die wegfallende Strommenge der zu ersetzen. Außerdem werden massive Investitionen in die Netze erforderlich. Nach einer Studie des Marktforschungsunternehmen Trendresearch muss die Branche allein 195 Milliarden Euro in erneuerbare Energien sowie Gas- und Kohleanlagen investieren, um den künftigen Strombedarf zu decken. Die Volkswirte der staatlichen KfW-Bankengruppe sehen sogar einen Investitionsbedarf von 250 Milliarden Euro.

Bis zu 175 Euro im Jahr: So viel könnte die Energiewende nach SPIEGEL-Informationen deutsche Haushalte kosten. Das Wirtschaftsministerium und das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) rechnen mit einem kräftigen Preisanstieg um bis zu fünf Cent. Ursache sei der planlose Ausbau der erneuerbaren Energien, vor allem der zu teuren und ineffizienten Photovoltaik.

Alles wieder wie vor Fukushima

Die alten Bekannten sind wieder da: Das RWI, die CDU-Hinterbank und die Atomlobby auf der einen Seite mit oberflächlich plausiblen Thesen. Auf der anderen Seite die Vertreter der erneuerbaren Energien mit dem alten Problem, dass sie sich auf ein abgekartetes Spiel einlassen.

„Das Sommerloch scheint die Kritiker einer Energiewende anzuspornen, immer neue Horrorzahlen über die vermeintlichen Kosten einer nachhaltigen Energieversorgung in den Ring zu werfen – frei nach dem Motto: ‚Wer bietet mehr?’. Mit einer seriösen Betrachtung und Bewertung von Kosten und Nutzen der Energiewende hat das allerdings nichts zu tun“, kritisiert BEE-Geschäftsführer Björn Klusmann.

Das Spiel heißt wie immer „Der Preis ist heiß“. Nach dem Motto, „Schätzen Sie, wie stark der Strompreis steigen wird?“, dürfen die Kandidaten eine Prognose abgeben. Anders als beim Vorzeige-Ratespiel des deutschen Fernsehens der 90er Jahre gewinnt jedoch nicht derjenige, der am nächsten an das tatsächliche Ergebnis schätzt, sondern derjenige, der sich einen möglichst großen Preis vorstellen kann.

In dem Fall kann sich das RWI vorstellen, dass der Strompreis je Kilowattstunde um 5 Cent steigen werde – wegen der Energiewende. Das kann sich auch ein gewisser Peter Weiß vorstellen. Der CDU-Mann übernimmt in der Bundestags-Fraktion sonst Aufgaben in der Arbeitsmarktpolitik. RWE, wie durch Zauberhand immer eingeladen zur Energiedebatte, hat auch schon einen Schuldigen gefunden: Die Photovoltaik, Deutschlands liebstes Stiefkind der Energiewende.

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) weist die aktuell genannten Kosten für den Umstieg auf eine nachhaltige und umweltverträgliche Energieversorgung als unseriös zurück. Laut BEE-Chef Björn Klusmann sind das „Horrorzahlen“, die von den Gegnern des Umbaus der Energiewirtschaft errechnet würden. Isolierte Hochrechnungen voraussichtlicher Einspeisevergütungen würden für eine umfassende Bewertung nicht ausreichen. Gleichzeitig müssten immer der hohe ökonomische Nutzen der Erneuerbaren Energien sowie die wahren Kosten der fossilen Energieträger im Vergleich betrachtet werden.

  • Allein im Jahr 2010 haben die Erneuerbaren Energien nach Berechnungen renommierter Forschungsinstitute im Auftrag des Bundesumweltministeriums insgesamt Umweltschäden in einer Höhe von 8,4 Milliarden Euro vermieden. Dazu kommt eine hohe Wertschöpfung für eine Vielzahl inländischer Unternehmen, die im Sektor der Erneuerbaren Energien inzwischen rund 370.000 Arbeitsplätze stellen. Zudem wurden im vergangenen Jahr Energieimporte im Wert von insgesamt 7,4 Mrd. Euro durch heimische Erneuerbare ersetzt.
  • Langfristig werden die Strompreis sinken, weil die Erzeugungs-Methoden der erneuerbaren Energien keine teuren Brennstoffe verbrauchen und keine Umweltschäden verursachen. Die Branche der Erneuerbaren ist ein kleines Wirtschaftswunder.

Wie teuer die Energiewende tatsächlich wird – darüber streiten Experten und Lobbyisten seit Jahren. Die einen rechnen vor, dass die Förderung der erneuerbaren Energien Unsummen verschlinge, der Netzausbau teuer werde und keinesfalls ohne staatliche Zuschüsse auskomme. Unerwähnt bleibt in dem Zusammenhang jedoch meist, dass die Vertreter jener Thesen auch Einfluss auf den Ausgang des Spiels haben. Beispiel: Wenn ein Energiekonzern der Meinung ist, der Strompreis muss steigen, dann wird er steigen – auch wenn die Argumente dazu gar nicht stimmen.

„Es ist mehr als fragwürdig, wenn angesichts notwendiger Investitionen in eine dauerhaft verfügbare und bezahlbare Energieversorgung Untergangsgesänge für die deutsche Industrie angestimmt werden. Gerade stromintensive Unternehmen profitieren schon heute von niedrigeren Börsenstrompreisen durch die Erneuerbaren. Im letzten Jahr betrug dieser Effekt immerhin rund drei Milliarden Euro“, hält Klusmann fest. Hinzu komme, dass mit dem neuen EEG ab kommendem Jahr sogar noch weitere Unternehmen teilweise von der EEG-Umlage befreit würden.

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    Deutschland steigt aus. Bis 2022 sollen in einem Stufenplan alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden, das erste bereits 2015. Schwarz/gelb feiert das eigene Einknicken im Fortbestand der Atomenergie als Erfolg, rot/grün stimmt mit dem Argument “alternativlos” zu. Doch Atomkraftwerke bleiben weiter extrem unterversichert und bei einem schweren Unfall zahlen die Steuerzahler die Zeche.

Quelle: bee-ev.de, independence.wirsol.de, spiegel.de; 27.07.2011