Fukushima-Reaktoren in unserer Nachbarschaft: Baugleiche AKWs laufen weiter
Fünf Monate nach dem schweren Erdbeben und Tsunami entweichen immer noch radioaktive Stoffe aus den vier Reaktor-Ruinen im japanischen Fukushima. Doch Japan scheint nicht abschreckend genug zu sein: Immer noch laufen die baugleichen Reaktoren weltweit, davon auch mehrere in Europa, wie die aktualisierte Fassung der GLOBAL 2000 Störfall-Karte zeigt.
„Die stärkste Freisetzung erfolgte in den ersten sechs Wochen durch die Explosionen und das unkontrollierte Auslaufen des Kühlwassers ins Meer und in den Untergrund. Aber immer noch verdampft radioaktives Kühlwasser und die Dekontaminierungsanlage funktioniert nur teilweise. In dieser Anlage sollen aus den über 100 Millionen Litern hochradioaktivem Wasser die Radionuklide herausgefiltert werden, die dann als Rückstand für mindestens 300 Jahre abgeschirmt gelagert werden müssen“, fasst Reinhard Uhrig, Atomexperte von GLOBAL 2000, die Lage in Japan zusammen.
Baugleiche Reaktoren in Europa laufen weiter
Doch Japan scheint nicht abschreckend genug zu sein: Immer noch laufen die baugleichen Reaktoren weltweit, davon auch mehrere in Europa, wie die aktualisierte Fassung der GLOBAL 2000 Störfall-Karte zeigt: „Auch in der Nähe von Österreich laufen immer noch Hochrisiko-Reaktoren vom Fukushima-Bautyp Siedewasserreaktor der Firma General Electric“, erläutert Uhrig. Eine Studie der amerikanischen Regulierungsbehörde Nuclear Regulatory Commission kam schon 1985 zum Schluss, dass diese Containment-Type bereits wenige Stunden nach einer Kernschmelze versagen würde und die hochradioaktiven Stoffe in die Umgebung des AKW austreten würden – genau das hat sich wenige Stunden nach dem Erdbeben in Japan ereignet.
„Das Kraftwerk in Mühleberg in der Schweiz beispielsweise liegt in einem Flusstal nahe Bern: Aufgrund eines Designfehlers können bei Überflutung alle Pumpen dieses Kraftwerks ausfallen. Eine Kernschmelze in Fukushima wäre dann kaum noch vermeidbar.“ Auch zu alte Reaktoren stehen in Europa – die Laufzeit des Reaktors in Santa MarÃa de Garona in Spanien wurde vorletzes Jahr wieder verlängert.
AKWs störanfällig: Mehrere meldepflichtige Zwischenfälle jeden Tag in Europa
Wie die Reaktorkatastrophen in Japan gezeigt haben, sind Atomkraftwerke für ihren Regelbetrieb und für die Abschaltphase auf ein Funktionieren der Kühlsysteme angewiesen. Immer wieder kommt es jedoch zum teilweisen oder vollständigen Ausfall der Kühlanlagen, wie die GLOBAL 2000 Störfall-Karte dokumentiert: „Wir aktualisieren die Karte laufend, immer wieder kommt es zu Zwischenfällen durch verstopfte Ansaugstutzen durch Laub oder wie zuletzt Quallen, oder durch den Ausfall der regulären Kühlpumpen durch einen schlichten Kurzschluss wie 2006 in Forsmark in Schweden, wo es den Arbeitern sieben Minuten vor Beginn der Kernschmelze gelang, die Notstromgeneratoren zu starten und damit einen GAU abzuwenden“, so Uhrig. „Tagtäglich spielen wir russisches Roulette mit der wahnsinnigen Stromerzeugungsart Atomkraft – wie die Störfall-Karte dokumentiert kommt es im Schnitt zu zwei Zwischenfällen PRO TAG allein in französischen Atomkraftwerken.“
AKWs in EUROPA auf einer größeren Karte anzeigen
In der EU betreiben 14 der 27 Staaten Atomkraftwerke. Mit 143 Reaktoren stehen hier ungefähr ein Drittel der weltweiten Reaktoren.
1989 gab es allerdings noch 177 AKW in Europa. 125 Reaktoren stehen in den EU-15 Staaten, nur 21 in den neuen Mitgliedstaaten. AKW sind auf eine bestimmte Lebensdauer, üblicherweise 30 Jahre, ausgelegt.
Die Atomlobby behauptet aber immer häufiger, dass ihre Reaktoren problemlos bis zu 60 Jahre laufen können. Meist sind die Investitionen nach ca. 20 Jahren AKW-Betrieb abgeschrieben und die laufenden Betriebskosten sind relativ günstig.
Sicherheitsfragen werden gerne vernachlässigt, obwohl sich die Kraftwerke immer weiter vom Stand der Technik entfernen und das Risiko von Verschleißerscheinungen am Material größer wird. Die Liste der meldepflichtigen Ereignisse und die Angaben zu den Störfällen utnerscheidet sich von Land zu Land je nach Qualität der jeweiligen Strahlenschutzbehörden.
Abschalten! Jetzt!
Die einzig verantwortliche Konsequenz ist die sofortige Abschaltung aller Hochrisiko-Reaktoren, die in der „Abschalten! Jetzt!“-Petition definiert und in der Störfall-Karte aufgezeigt werden, sowie ein europaweiter Atomausstieg bis 2020. „700 000 UnterstützerInnen der Petition ‚Abschalten! Jetzt!‘ fordern mit uns, jetzt die Notbremse zu ziehen, wie dies die deutsche Regierung immerhin gemacht hat: Die Höchstrisikoreaktoren sind dort sofort nach den Reaktorunglücken in Fukushima stillgelegt worden“, berichtet Uhrig. „Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass dies auch in den anderen europäischen Ländern geschieht – am 6. September übergeben wir die Petitionen an die Vorsitzende des Petitionsausschusses des Europaparlaments – jede zusätzliche Unterstützerin und jeder Unterstützer mehr zählt.“
Quelle (Auszug): global2000.de, 14.08.2011