Trotz Strahlenalarm: Anwohner dürfen nicht gegen Gorleben-Castor klagen
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat zwei Klagen von Anwohnern der Castor-Strecke Lüneburg – Dannenberg abgewiesen. Grundsätzlich seien Anwohner nicht befugt, gegen Atommülltransporte vor Gericht zu ziehen, um diese zu verhindern. Parallel wurde im Zwischenlager Gorleben eine mögliche Überschreitung der Strahlengrenzwerte erechnet. Atomkraftgegner fordern, weitere Einlagerungen sofort zu stoppen.
Die Klagen der Anlieger gegen Atommülltransporte seien unzulässig, weil die Genehmigungsvorschriften neben dem Schutz der Allgemeinheit nicht „drittschützend“ seien: Die Genehmigungen für die Castor-Transporte dienten allein dem Schutz der Allgemeinheit und nicht speziell dem Schutz von Anwohnern der Strecke und könnten von diesen daher nicht beklagt werden, entschied der 7. Senat des Gerichts am Dienstagabend (Az: 7 LB 58/09 7 LB 59/09).
- Die Richter vertraten die Ansicht, dass durch die Transportgenehmigung für die Castor-Behälter zwar Start und Ziel, aber keine genaue Strecke vorgegeben sei. Daher gebe es auch keinen abgegrenzten Personenkreis, der mehr als die Allgemeinheit vor Gefahren zu schützen sei. Nur dann sei aber eine Klage möglich. Die Vorschriften berücksichtigten nur die Sicherheit des Transportgutes als solches. Wegen der Bedeutung des Falles wird Revision aber ausdrücklich zugelassen.
Zwei unmittelbar an der Strecke wohnende Kläger klagten gegen die Genehmigung eines schon 2003 durchgeführten Castortransports in das Zwischenlager Gorleben und haben mit Blick auf weitere Atommülllieferungen auf einem Urteil beharrt. Ein Kläger wohnt rund einen halben Kilometer vom Verladebahnhof in Dannenberg entfernt, das Haus einer klagenden Anwohnerin steht wenige Meter neben der Transportstrecke in das Zwischenlager Gorleben. Nachdem das Oberverwaltungsgericht 2006 eine Berufung gegen die Abweisung der Klage in erster Instanz nicht zugelassen hatte, legte die Kläger zunächst gegen diese Entscheidung Verfassungsbeschwerde ein und bekamen in Karlsruhe in diesem Punkt recht. Das Oberverwaltungsgericht ließ daraufhin die Berufung zu und beraumte die nun durchgeführte Verhandlung an. In der Entscheidung über die Beschwerde der Kläger bemängelte Karlsruhe, dass sich das Gericht in Lüneburg nicht genügend mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob aus den Gesundheits- und Eigentumsbeeinträchtigungen, die bei einem Transportunfall drohen könnten, nicht eine Klagebefugnis der Anwohner gegen die Transportgenehmigung entstehe.
- Die Genehmigungsbehörde, das Bundesamt für Strahlenschutz, argumentiert zudem, dass inzwischen „sicherere Castorentypen“ verwendet würden und daher das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage nachträglich entfallen sei.
Hohe Strahlenwerte in Gorleben
Nach dem Anstieg der Strahlenwerte am Zwischenlager ist der nächste Castor-Transport im November ungewiss: Das Umweltministerium in Hannover erklärte am Dienstag nach einem Expertentreffen, es werde dem Transport erst zustimmen, wenn es Maßnahmen des Betreibers zur Verringerung der Strahlenbelastung geprüft habe. Der Betreiber hat vorgeschlagen, die Castor-Behälter in der Lagerhalle umzulagern, um die Messwerte am Zaun des Geländes weiter zu senken. Bereits im Juli seien Umlagerungen vom Betreiber des Lagers erfolgt. Den Anstieg von Strahlenwerten hatte das Ministerium in der vergangenen Woche nicht von sich aus mitgeteilt, sondern erst nach einem entsprechenden Medienbericht bestätigt.
- Bei derzeitiger Behälterlagerung und zusätzlichen elf Castoren im November wird mit einer Grenzwertüberschreitung für dieses Jahr gerechnet. Fünf der elf Behälter seien in Frankreich bereits beladen. Mit der Ankunft in Dannenberg wird Ende November/Anfang Dezember gerechnet. 102 Behälter stehen in der Halle, Platz ist für 420 Castoren.
„Nichts rein – nichts raus“ fordert die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Es sei abenteuerlich, wenn nun der betroffene Messpunkt verlegt würde, um im Soll zu bleiben. Auch das Umgruppieren der Behälter in der Lagerhalle, eine zweite angedachte Maßnahme, würde das Problem nicht beheben, weil es sich nach GNS-Angaben nicht um eine Direkt-, sondern um Streustrahlung handele.
„Will Umweltminister Sander seiner Verantwortung als oberster niedersächsischer Atomaufseher gerecht werden, muss er das Zwischenlager in Gorleben für weitere hochradioaktive Castoren schließen. Der für Herbst geplante Transport aus Frankreich darf nicht stattfinden. Alle bisher vorgeschlagenen Maßnahmen sind amtlicher Selbstbetrug zu Lasten der Sicherheit. Sie haben einzig den Zweck, die zu hohen Strahlenwerte zu verschleiern.“, so Greenpeace-Atomexperte Mathias Edler. „Der Castorbehälter allein schafft eben keine wirksame Abschirmung vor der ausströmenden Radioaktivität, die Lagerhalle kann nicht nur als Wetterschutz dienen, wie es die GNS immer behauptet hatte.“
Schon nach 16 Jahren nach der ersten Castor-Einlagerung ist das Konzept von der strahlenden Realität überrollt worden. Auf 40 Jahre beläuft sich die Genehmigung für die Halle – dank des Beispiels Zwischenlagers Nord bei Greifswald, wo die Lagerzeit pauschal erhöht werden sollen, kann auch mit noch größeren Zeiträumen gerechnet werden. Denn bis zu einer Endlagerlösung werden die Castoren in Gorleben stehen bleiben müssen. Und wie soll der Betreiber bei einer zum Viertel gefüllten Halle sein Problem lösen können – ohne die Grenzwerte nach oben zu korrigieren?
„Mit Blick auf die Anwohner-Klage gegen die Transporte stellen wir fest, dass hier definitv gegen die Sicherheit der Bevölkerung entschieden wird“, so Jan Becker von contrAtom. „Schwarz/gelb hat nichts gelernt und die Abschaltung der Atomkraftwerke ist einzig auf Druck der Bevölkerung zustande gekommen. Im Herbst wird gegen die Castortransporte entschieden.“
Unterdessen probt die Polizei in Celle mit neuen „Super-Wasserwerfern“ den Einsatz gegen „Castor-Chaoten“.
Castor-Transporte nach Gorleben müssen sofort gestoppt werden!
httpvh://www.youtube.com/watch?v=IPa8ELv2KK0
- Gorleben-Castor wegen zu hoher Strahlung im Zwischenlager absagen!
25. August 2011 – 102 Castor-Behälter verlieren sich noch im Brennelement-Zwischenlager Gorleben, 420 Stellplätze gibt es insgesamt, 11 Behälter sollen im Herbst aus La Hague dazu kommen – doch schon jetzt gibt es Strahlenalarm: Bei Messungen am Zaun des Atommülllagers sind im Vergleich zum Vorjahr gestiegene Strahlenwerte festgestellt worden. Würden in diesem Jahr noch elf Castor-Behälter eingelagert werden, steigt die Strahlung weiter. Atomkraftgegner schlagen Alarm und fordern, den Transport abzusagen! 500 Menschen protestierten am Sonntag gegen Castor und Atomkraft. Diesen Beitrag weiterlesen »
- Zwischen-/Endlager Lubmin – Bund will längere Atommülllagerung
30. Juli 2011 – In Gorleben würde ein derartiges Vorgehen politisch nicht durchsetzbar sein: Die bundeseigenen Energiewerke Nord klagen mit ausdrücklicher Unterstützung des Bundes für weitere und längere Atommülllagerung im Zwischenlager Nord bei Lubmin. Sie gehen damit gegen Mecklenburg-Vorpommerns Landesregierung vor, die eine Verlängerung der sogenannten Pufferlagerung in Lubmin abgelehnt hat. Atomkraftgegner protestieren ebenfalls immer wieder gegen erneute Castortransporte, die im Gegensatz zu den Versprechen stehen, mit denen das Lager gebaut wurde.
Quellen (Auszug): dpa, n-tv.de, ndr.de, BI Lüchow-Dannenberg, Greenpeace; 31.08.2011