Transmutation
Atommüll-Transmutation – teuer, ungewiss und gefährlich. “Transmutation” – die Lösung für das Atommüllproblems? Mithilfe chemischer und physikalischer Verfahren sollen langlebige Isotope, die Jahrtausende gefährlich strahlen, unschädlicher gemacht werden. Ihre Halbwertzeit soll drastisch reduziert werden und damit auch der Aufwand für eine Endlagerung. Eines der gewichtigsten Argumente gegen den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke wäre relativiert: die Frage nach der Langzeitsicherheit von Atommülllagern. Doch erstmal kostet die Entwicklung erheblich Geld, ist gefährlich und grundsätzlich ist ungewiss, ob sie im großen Stil funktioniert.
Das weltweit erste Atomkraftwerk, das elektrischen Strom in ein öffentliches Stromnetz lieferte, war das AKW Obninsk in der damaligen Sowjetunion am 26. Juni 1954. Das AKW Calder Hall in Großbritannien ging am 27. August 1956 mit einer Leistung von 50 Megawatt als erstes kommerzielles Atomkraftwerk der Welt ans Netz. Seit dem wird radioaktiver Müll produziert. Über 50 Jahre später existiert weltweit keine Lösung, die hunderttausend Tonnen hochradioaktiver Abfälle langfristig und sicher zu entsorgen.
Das Hauptproblem für eine Endlagerung ist die Langlebigkeit der Isotope wie Plutonium 239 (24.110 Jahre) und Uran 233 (159.200 Jahren). Die Transmutation verspricht, Spaltprodukte mit langer Halbwertszeit unschädlich machen. Abklingzeiten von Hunderttausenden Jahren könnten auf einige hundert Jahre verkürzt werden, sagen die Physiker. Zudem würde die Menge strahlenden Mülls deutlich verringern werden. Am Ende könnten auf diese Weise 82 Prozent des Plutoniums und 45 Prozent der verwandten Metalle wie Neptunium und Curium aus den deutschen AKW vernichtet werden, schreiben die Experten.
Seit den 1970er Jahren forschen Physiker an der Möglichkeit, Atomkerne radioaktiver Stoffe zu zertrümmern, damit weniger schädliche Elemente entstehen. Im Frühjahr 2010 endete ein europaweites Projekt, in dem alle Teilaspekte des Verfahrens verfolgt wurden. „Wir haben gezeigt, dass es geht und wie es geht“, sagt der Projektleiter Joachim Knebel vom Karlsruher Institut für Technologie. Der nächste Schritt ist nun die technische Umsetzung, für die es verschiedene Ansätze gibt. Einige der weltweit neu entwickelten Reaktoren, die von 2030 an ans Netz gehen könnten, sollen in der Lage sein, den eigenen oder auch fremden Abfall im laufenden Betrieb zu verbrennen. Andere Anlagen sollen eigens dazu gebaut werden, um bereits angefallenen Abfall nachträglich zu entschärfen.
Das Verfahren ist eine Weiterentwicklung der konventionellen Wiederaufbereitung, die seit Mitte 2005 für deutschen Müll verboten ist: Brennstäbe müssen mit giftigen Chemikalien in ihre Bestandteile aufgelöst werden. Die Transmutation hingegen gestaltet sich aber noch weit aufwendiger, außerdem schwierig und gefährlich wegen der aggressiven Chemikalien und der starken Strahlung der zu verarbeitenden Substanzen. Das größte Problem ist derzeit nicht mehr die Transmutationsanlage selbst, sondern das sortenreine Herausfiltern der Minoren Aktinide, wie Neptunium, Americium und Curium, mit der die Anlage gezielt beschickt werden müsste. Mehrere Wiederholungen des Prozesses mit Zwischenlagerphasen von einigen Jahren, in denen die Aktivität der bestrahlten Brennstäbe abklingen muss, seien nötig um nukleare Müllverbrennung effektiv zu machen.
Bis heute wurde weltweit noch keine große Transmutationsanlage zur Beseitigung nuklearer Abfälle verwirklicht. Lediglich im Rahmen von Forschungsprojekten wurden bisher kleine Anlagen realisiert.
Im belgischen Mol soll zu ersten Forschungszwecken eine Testanlage gebaut werden, die 2023 starten soll. Eine Milliarde Euro sind dafür veranschlagt. Im Oktober 2010 gaben die Forschungsminister der EU-Mitgliedstaaten die Planung und den Bau der Anlage bekannt. In fünf Jahren soll der Bau beginnen, in acht Jahren der reguläre Testbetrieb.
Grundsätzlich muss sich aber erst zeigen, ob die Transmuter wirklich kontrolliert betrieben werden können: In den Reaktoren „laufen hundert Prozesse gleichzeitig ab, da ist nicht sicher, ob nicht doch unangenehme Stoffe übrig bleiben“, so Wolfgang Liebert, Sprecher der Arbeitsgruppe IANUS der TU Darmstadt. Die Sicherheit der Reaktoren müsse erst bewiesen werden, ebenso die Umweltverträglichkeit der chemischen Abtrennprozesse.
Was man aber schon heute weiss: die Quote bei den so genannten Transuranen wird vergleichsweise schlecht sein, denn ein Großteil ist bereits in Glaskokillen eingeschmolzen und kann nicht mehr aufgetrennt werden. Die hochradioaktiven Glaskokillen bleiben also trotz „Transmutation“ ein Endlagerproblem.
Ein Hauptaugenmerk wird bei dem Transmutations-Prozess auf das Entschärfen von Plutonium gelegt. Viele weitere radioaktive Stoffe bleiben aber erhalten. Ein auf viele Jahre sicheres Endlager ist also ohnehin nötig, wobei sich die Dramatik nicht mit der Frage, ob „hundert oder zehn“ Elemente gelagert werden müssen, relativiert.
Derzeit unterstützt das Bundesforschungsministerium nur einige Projekte in der Grundlagenforschung. „Die Transmutation birgt auf den ersten Blick Riesenchancen“, sagt ein Mitarbeiter des Ministeriums. Doch „stecken dahinter eine Fülle von Problemen und Fragestellungen. Man muss grundsätzliche Entscheidungen über sehr lange Zeiträume treffen.“ In diesem Frühjahr sei daher ein Fachgespräch mit den Ministerien für Wirtschaft und Umwelt geplant, um einer Entscheidung näherzukommen.
„In 15 Jahren wissen wir, wie es großtechnisch geht – und dann kann die industrielle Umsetzung kommen.“ schätzt Projektleiter Joachim Knebel. Bis dahin bleibt der Müll erstmal liegen. Die Atomlobby schürt sich allerdings nicht, durch einen möglichen Erfolg der Transmutation die Atommüllproblematik schonmal als „gelöst“ zu erklären.
Die herkömmliche Wiederaufbereitung verseucht bereits in Frankreich und England die Umwelt: nicht nur schwere Störfälle, sondern schon der tägliche Betrieb setzt Strahlung in die Atmosphäre und das Meer frei. In Russland wurden durch die Wiederaufbereitungsanlage Majak großflächig Gebiete verstrahlt und Menschen unzulässig hohen Dosen ausgesetzt.
Auch Transmutationsanlagen, in denen mit den giftigsten Stoffen der Welt hantiert wird, sind nicht sicher gegen schwere Unfälle. Die erforderlichen Großanlagen, die lange Dauer der Verarbeitung und die Gefahr, dass radioaktive Stoffe dabei erst recht und womöglich konzentriert in die falschen Hände geraten, machen diese Technologie gefährlich.
- Hier wird am nächsten großtechnischen Wahnsinn geforscht, der vor allem mit dem durch die Laufzeitverlängerung produzierten Müllberg fertig werden soll. Das kostet einen Haufen Geld, ein Erfolg ist ungewiss – aber die Verantwortung um weitere Jahre verschoben.
- Diskutiert wird nicht über die tatsächliche Lösung des Atommüllproblems. Der erste Schritt dabei muss nämlich heissen: Sofortige Stilllegung aller Atomanlagen!
Quellen: de.wikipedia.org, www.sueddeutsche.de (11.02.2011)