Gorleben: Ein kleiner Etappensieg – wir wollen mehr!
Es ist ein kleiner Erfolg, aber auch nicht mehr. Norbert Röttgen hat angeblich schon vor 2 Wochen weitere Bautätigkeiten im geplanten Endlager Gorleben untersagt. Fakt ist, dass die weiteren Arbeiten an den „Gorleben-Durchsetzungspapieren“ aber weitergeht. Atomkraftgegner fordern nach dem Baustopp die Aufgabe des Standortes, denn das Erarbeiten der Gutachten über eine Eignungsaussage hat die Atomlobby übernommen.
Erstmal verloren haben die schwarz/gelben Befürworter, die eine weitere Erkundung im Salzstock seit Oktober 2010 durchgesetzt hatten. Denn gebaut wird unter Tage wohl vorerst nicht mehr. Das ist ein Ergebnis zäher Verhandlungen um die künftige Endlagerfrage in Deutschland. Gestern trafen sich zum zweiten Mal Bundesumweltminister Röttgen und Gesandte aller Länder, um in der Sache weiterzukommen.
Bund und Länder haben sich nun auf einen weiteren Fahrplan für die Endlagersuche verständigt: Bis zur Sommerpause 2012 will Röttgen ein Gesetz vorlegen über alle unabhängig vom Standort zu klärende Fragen, etwa die einer Rückholbarkeit des Atommülls. Bis Mitte 2014 sollen die Regionen festgelegt werden, die aus der Suche ausscheiden. «Danach werden mehrere Erkundungsregionen festgelegt, auch durch Bundesgesetz», kündigte Röttgen an. Ab Ende 2014 würden mehrere Standorte obertägig erkundet. Ab Ende 2019 soll die Erkundung unter Tage folgen. Danach soll das dann gefundene Endlager genehmigt und gebaut werden.
- Gorleben bleibt weiter im Rennen. Röttgen begründete den Ausbaustopp so: „Wir sind entschieden und entschlossen, dass jeder Anschein vermieden werden muss, dass es eine Vorfestlegung auf Gorleben gibt.“ – Damit ist eine Forderung von Gorleben-Gegnern erfüllt.
Von einer Aufgabe des Standortes sind wir aber noch weit entfernt, denn vor allem die „vorläufige Sicherheitsanalyse Gorleben“ (vSG) wird weiter vorangetrieben. Das Gutachten soll alle Erkenntnisse über die Eignung des Salzstocks zusammentragen und wird von der Atomlobby angefertigt. Die Kritierien wurden speziell auf Gorleben zugeschnitten, möglichst noch vor der nächsten Bundestagswahl soll Gorleben so der Stempel ‚geeignet‘ aufgedrückt werden. Mit dieser Studie würden ausgerechnet solche Wissenschaftler, Firmen und Behörden beauftragt, die das havarierte Atommüllendlager Asse einmal für sicher gehalten hätten und die Bundesregierung seit Jahrzehnten mit Gorleben-freundlichen Gutachten versorgten.
Projektträgerin der “vorläufigen Sicherheitsanalyse” (vSG) ist die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS). Die Expertise bei der Erstellung liegt bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), einer nachgeordneten Behörde des Bundesfinanzministeriums. Die vSG soll knapp neun Millionen Euro kosten.
Die mit der vSG beauftragten Institutionen haben zielführend auf Gorleben vorgearbeitet: Die vSG greift zurück auf das Projekt ISIBEL – Überprüfung und Bewertung des Instrumentariums für eine sicherheitliche Bewertung von Endlagern für hochradioaktiven Müll.
Das war bereits ein Gemeinschaftsprojekt von BGR, DBE Technology und der GRS mit dem Ziel, ein Nachweiskonzept für die Sicherheitsbewertung von Endlagern für hochradioaktive, wärmeerzeugende Abfälle (HAW) in der Wirtsgesteinsformation Salzgestein zu entwickeln. Der Projektbeginn war der 1.10.2005, die Ergebnisse wurden am 31.3.2010 vorgelegt. Auftraggeberin war das Bundeswirtschaftsministerium.
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) glänzt bis heute mit Aussagen zur Eignung von Gorleben – trotz aller Zweifel. Ihre Studien zu Gorleben halten einer wissenschaftlichen Analyse nicht stand. Kürzlich attestierte Dr. Kleemann in seiner Studie zur Geologie, dass diese Papiere nicht mal der Qualität einer Diplomarbeit entsprechen würden. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse fließen nicht ein und kritische Ansätze werden ignoriert.
Die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) mbH beschreibt sich als „unabhängige, gemeinnützige Forschungs- und Sachverständigenorganisation“. In der Vergangenheit glänzte das GRS in verschiedenen Bereichen mit einer Verharmlosung der Gefahren durch Atomkraft. Die GRS organisiert die Überprüfung der deutsche Atomkraftwerke auf „Sicherheit“ und bescheinigt gern Unbedenklichkeit. Auch gab es Stellungnahmen zur Sicherheit von Castortransporten, im Zusammenhang der Reaktorkatastrophe von Fukushima wurden verharmlosende Darstellungen des japanischen Betreibers, der nachweislich die Öffentlichkeit täuschte und das Ausmass des GAUs vertuschen wollte, kommentar- und kritiklos übernommen. Der namentlich aufgeführte Dr. Bruno Baltes war seit 1977 Mitarbeiter der GRS. Seine Schwerpunkte waren insbesondere die „Langzeitsicherheit“ der Endlager Konrad, Morsleben und Asse.
Auch das beteiligte Institut für Sicherheitstechnologie (ISTec) GmbH ist ein Tochterunternehmen der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) mbH.
Ein Teil des Gutachtens soll von der DBE TECHNOLOGY GmbH vorbereitet werden, einer Tochter der Firma DBE, die in Gorleben baut. Die DBE gehört zu drei Vierteln der Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS), die ihrerseits in Händen der vier deutschen Kernkraftbetreiber liegt.
Projektpartner ist u.a. auch die „nuclear safety engineering international (nse) GmbH“, eine eigens für die Analyse geschaffene Firma von Bruno Thomauske, der zwischen 2003 und 2007 als Chef der Atomkraftsparte bei Vattenfall tätig war. Nach „Kommunikationspannen“ in 2007 im Zusammenhang mit schweren Störfällen musste er gehen. Vorher war er langjähriger Fachmann des Bundesamtes für Strahlenschutz und seinerzeit bekannt als glühender Befürworter Gorlebens. Nun arbeitet er für die Universität Aachen. Mehrere Institute der Universität wirken so auch an der Gorleben-Analyse mit. Nach Informationen des Stern wird Thomauskes Lehrstuhl für den „nuklearen Brennstoffkreislauf“ von RWE gesponsert.
Die Qualitätskontrolle für das Gutachten übernimmt das Institut für Endlagerforschung der Technische Universität Clausthal (TUC), das von den vier großen Energiekonzernen finanziert wird.
Im Ministerium wird das Ganze koordiniert und ausgewertet von Gerald Hennenhöfer, früher Manager beim Eon-Vorgängerkonzern und heute Chef der Abteilung für Reaktorsicherheit.
Das Interesse eines von der Atomlobby angefertigten Gutachtens ist einfach erklärt: es braucht eine möglichst billige Entsorgungsmöglichkeit für hochradioaktiven Atommüll, um das Problem zu lösen und den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke zu rechtfertigen. Insgesamt sind 1,6 Milliarden Euro im Salzstock Gorleben versenkt. Geld, was zu über 90 Prozent von den Atomkonzernen kommt. Für 2012 sind weitere 73 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt vorgesehen.
- Wir fordern nach einem Baustopp auch das Ende der „Gorleben-Durchsetzungsanalyse“ und damit die endgültige Aufgabe des Standortes zur Endlagerung von Atommüll!
Die Kritikpunkte an der Fertigung der „vorläufigen Sicherheitsanalyse“ reihen sich nahtlos an die Gründe gegen eine Eignung des Bergwerks, die geologischer und politischer Natur sind. Es gibt Gaseinschlüsse, Störungen und mangelhaftes Deckgebirge. Die Auswahl des Standortes erfolgte aufgrund politisch-strategischer Überlegungen – und nicht wegen einer größtmöglichen Sicherheit! Zudem ist derzeit die Frage nach der Endlagertechnik völlig ungeklärt: nicht mehr die Tiefenlagerung ohne Rückholung wird diskutiert, sondern eine Rückholoption – die in Salz technisch nicht zu machen ist. Das Gestein umschließt die Atommüllbehälter und eine Bergung ist dann ausgeschlossen.
- “Gorleben ist angezählt” – BI Lüchow-Dannenberg leitet Gorleben-Epilog ein
15. Dezember 2011 – “Gorleben ist angezählt, aber keinesfalls aus dem Rennen”, wenn es um den Bundesumweltminister Norbert Röttgen geht – die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) bleibt skeptisch. “Röttgens Vorschlag, Gorleben als “Referenzstandort” im Spiel zu belassen, zeigt, dass die Bundesregierung eben nicht, wie behauptet, wissenschaftsorientiert handelt”, sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke.
- Baustopp 2013: Gorleben-Kompromiss abgelehnt!
15. Dezember 2011 – Niedersachsens Ministerpräsident macht einen Kompromissvorschlag zu Gorleben: Die “vorläufige Sicherheitsanalyse” solle abgeschlossen und dann ein Erkundungsstopp verhängt werden. Atomkraftgegner lehnen diesen Kompromiss ab, denn täglich werden in Gorleben Fakten geschaffen und die Vorfestlegung auf den Standort zementiert. Die Untauglichkeit ist erwiesen und jede weitere Investition Geldverschwendung.
- Endlagersuche: Die Landkarte ist nur ohne Gorleben “weiss”!
11. November 2011 – Bundesumweltminster Norbert Röttgen und seine Landesminister wollen mit einer “weissen Landkarte” einen Neuanfang für das weitere Vorgehen bei der Suche nach einem Atommüllendlager. Atomkraftgegner fordern einen sofortigen Baustopp in Gorleben und die Absage des Castortransports. Kurzzeitig wurde heute mittag das Bergwerk blockiert.
- “Beim Atommüll alles auf Null” – Statt “Standortsuche” Neustart beim Umgang mit Atommüll verlangt
10. November 2011 – In einer gemeinsamen Erklärung fordern jetzt Vertreterinnen der Standorte ASSE II, Morsleben, Gorleben und Schacht KONRAD Bundesumweltminister Röttgen und die Vertreter der Länder, die sich am morgigen Freitag zu einem Atommüll-Gipfel treffen, auf, sich einem grundsätzlichen Neuanfang beim Umgang mit dem Atommüll zu stellen.
- Sieben-Stufen-Plan zum Umgang mit der gescheiterten Atommüll-Entsorgung
10. November 2011 – Anlässlich des “Atom-Gipfels” des Bundesumweltministeriums am morgigen Freitag veröffentlicht ausgestrahlt einen Sieben-Stufen-Plan zum weiteren Vorgehen bei der Suche eine Lösung für das Atommüllproblem. Ein Konsens ist nur ohne AKW-Weiterbetrieb und ohne Gorleben zu machen.
Quellen (Auszug): sueddeutsche.de, bi-luechow-dannenberg.de, grs.de, www.entsorgungskommission.de, taz.de, contratom.de, de.eikipedia.org; 16.12.2011