Stresstest in der Schweiz: Erhebliche Mängel in Atomkraftwerken

In den fünf schweizer Atomkraftwerken sind erhebliche Mängel festgestellt worden. Besonders schlecht schneidet das alte AKW Mühleberg ab. Abgeschaltet werden die Meiler trotzdem nicht. Das ist die Bilanz nach dem ersten „Stresstest“ nach Fukushima.

Die erste Überprüfung der als Konsequenz der Atomkatastrophe in Japan geforderten Berichte der AKW-Betreiber zeige Schwachstellen bei der Lagerung der Brennelemente auf. Alle fünf Schweizer AKW dürfen trotz einer langen Schwachstellenliste vorerst am Netz bleiben – weil so starke Erdbeben wie in Japan nicht zu erwarten seien. Allerdings müssen die Betreiber beim Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) nachweisen, dass sie gegen starke Erdbeben und Hochwasser gerüstet sind.

Die Mängelliste:

  • AKW Beznau: Die Kühlung der Brennelementbecken ist nicht genügend gegen Erdbeben und Überflutung geschützt. Die Notfallmassnahmen zur Wiederherstellung der Kühlung sind unvollständig.
  • AKW Mühleberg: Die Kühlwasserversorgung im Notfall kann geschieht nur über die Aare. Bei Erdbeben und Überflutung sind die Brennelementbecken nicht genügend geschützt und die Notfallmassnahmen zur Wiederherstellung der Kühlung sind unvollständig. Der umstrittene Kernmantel des AKW gehört nicht zur nun begonnenen Prüfung.
  • AKW Gösgen: Füllstand und Temperatur der Brennelementbecken werden im Notfallleitstand nicht angezeigt.
  • AKW Leibstadt: Füllstand und Temperatur der Brennelementbecken werden im Kommandoraum nicht störfallsicher angezeigt, im Notleitstand gar nicht.

Den AKW-Betreibern seien zum Nachweis der Sicherheit „sehr enge Fristen“ gesetzt worden, sagte Hans Wanner, Direktor des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi). Bei Hochwasser- und Erdbebensicherheit wurden Fristen gekürzt.

Die Aussage, dass die Schweizer AKW sicher seien, gelte bis zum heutigen Tag, sagte Wanner weiter. Vieles sei gut und bestätige den hohen Stand der Sicherheit in der Schweiz. Es sei deshalb keine vorsorgliche Abschaltung eines Atomkraftwerks in der Schweiz nötig.

Die Schwachstellen stellen laut Ensi „keine unmittelbare Gefahr“ für die Bevölkerung dar und erforderten deshalb keine vorläufige Außerbetriebnahme – wie etwa in Deutschland. Um beanstandete Mängel zu beheben, müssen die AKW-Betreiber nun bis Ende Juni bzw bis Ende August Verbesserungsvorschläge machen.

Bis dahin darf also nichts Ernstes, was bislang „Restrisiko“ war, passieren. Von den fünf Schweizer Atomkraftwerken an vier Standorten liegen drei im Grenzbereich zu Süddeutschland.

Stresstest light

Die Risikoanalysen über die gegenwärtig 144 Atomkraftwerke in der Europäischen Union werden aller Voraussicht nach lediglich aus einem Bericht bestehen, den die Betreiberunternehmen selbst verfassen sollen. Das zeichnet sich nach dem informellen Treffen der Energieminister im ungarischen Gödöllö ab. Dort wurde über einen Vorschlag der Vereinigung der westeuropäischen Atomregulierer (Wenra) beraten. Wenra schlägt vor, die Auslegung der Atomkraftwerke gegen Erdbeben, Überschwemmungen und andere extreme Wetterereignisse zu überprüfen. Zudem solle beschrieben werden, wie Anlagenbetreiber auf einen totalen Stromausfall oder den Verlust von Sicherheitssystemen vorbereitet sind.

Was in der Analyse jedoch keine Rolle spielen soll, sind Flugzeugabstürze oder Terrorangriffe.

Aus diplomatischen Kreisen heißt es, vor allem Frankreich und Großbritannien wehrten sich gegen eine solche Überprüfung. Die Briten wollen offenbar nicht einmal die Ergebnisse des sogenannten Stresstests veröffentlichen.

  • Der „Stresstest“ wird also nicht mal das Papier auf dem er geschrieben steht, wert sein.

Quellen: vol.at, nzz.ch, tagesspiegel.de; 05.05.2011