Rekordproteste gegen den Castor – und was bleibt?

Alle Prognosen, die unseren Widerstand und Protest in diesem Jahr schon im Vorfeld klein geredet haben, trafen nicht zu. Es kamen 25.000 Menschen ins Wendland und haben erneut ein deutliches Zeichen hinterlassen: gegen den Castor, gegen Gorleben und für einen „echten“ Atomausstieg. Denn die im Juli von schwarz/gelb beschlossene Abschaltung von acht Atomkraftwerke reicht uns nicht. Gorleben ist nicht vom Tisch, in Gronau findet der Ausbau der Urananreicherungsanlage statt und die AKWs dürfen teilweise noch mehr als 10 Jahre lang den tödlichen Müll produzieren, hinter dem sich am 28.11. erneut die Tore des Zwischenlagers Gorleben schlossen.

Dieses Mal brauchten die Verantwortlichen so lange wie noch nie, um die letzten elf Castoren vom Absender – der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague in Frankreich – bis zu seinem Vorerst-Ziel, dem Zwischenlager in Gorleben zu bringen. Der elfte Castortransport war insgesamt fast 130 Stunden unterwegs. Die Abfahrt war generell einen Tag früher als in den Jahren zuvor erfolgt, und dann spontan noch einen weiteren Tag vorgezogen worden – wohl aus Angst vor hunderten Demonstranten, die sich direkt bei der Abfahrt in Valogne dem Transport in den Weg stellten. Auch die Proteste im Wendland gerieten durch die neue Zeitplanung ein wenig ins Schleudern; ihrer Effizienz, Kreativität und Entschlossenheit war aber deutlicher denn je. Was im letzten Jahr bei Harlingen, als 7.000 Menschen auf der Schiene saßen, beinahe in Vermittlungsgesprächen mit der völlig überforderten und vom Nachschub abgeschnittenen Polizei endete, wurde in diesem Jahr zur Kapitulation. Nachdem tausende Menschen, stunden- bis tagelang mit ihrem Hintern auf den Gleisen, der Straßentransportstrecke oder auf irgendwelchen wichtigen Nachschubwegen, mit ihren Armen in Röhren oder Betonklötzen der Polizei die Kräfte raubte, machten vier AktivistInnen der Bäuerlichen Notgemeinschaft dem Konzept des „Durchsetzens“ ein Ende. Die Betonpyramide war so genial konstruiert, dass Spezialisten von Bundes- und Landespolizei scheiterten. Nach 19 Stunden beendeten die vier ihre Aktion selbst – zugunsten ihrer eigenen Gesundheit.

Damit sind zwei Punkte erreicht: die gesellschaftliche Akzeptanz für Castortransporte ist dank des großen Zulaufs und bestätigenden Umfragen nicht mehr gegeben und die Durchsetzungspolitik mithilfe der Polizei ist am Ende. Den grundsätzlichen Zweifeln an der Sicherheit der Castoren wurde nach der Diskussion um Grenzwertüberschreitungen im Zwischenlager durch die Erkenntnis, dass die Lagerhalle nicht mal terrorsicher ist und dringend bauliche Ertüchtigung benötigt, überschattet. Damit fehlt jede politische Legitimation für weitere Atomtransporte. Der Protest gegen den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke und gegen ein Endlager in Gorleben reisst nicht ab – trotz oder gerade wegen des „Atomausstiegs“.

Eine zusätzlich immer geschärftere Argumentation und weitere Studien bringen nun endlich Umweltminister Röttgen an den Punkt, an dem er ein kleines Stückchen von Gorleben abrücken muss. Auch wenn ein „Baustopp“ unter Tage noch lange keine Aufgabe des Standorts bedeutet, dieser erste Erfolg wäre ohne unser aller Engagement – 365 Tage im Jahr – nicht zustande gekommen. Jetzt gilt es, den nächsten Schritt zu machen: Weg mit der Atomlobby-durchtränkten „vorläufigen Sicherheitsanalyse Gorleben“, die zugeschnitten auf das Bergwerk von Befürwortern wie Bruno Thomauske ein Durchsetzungsgutachten werden soll. Schluss mit dem „Gorleben-Dialog“, der Mitsprache vorgaukelt aber eine tatsächliche Auseinandersetzung um Alternativen zu Gorleben gar nicht zulässt. Die Bauarbeiten beenden, Gorleben aufgeben – und an einer wirklichen Atommülllösung arbeiten, die weder ausschließlich politisch motiviert, intransparent noch rein wirtschaftlich orientiert ist. Denn ein Fehler – wie zum Beispiel in der Asse-II – darf mit hochradioaktiven Abfällen niemals passieren.

Jan Becker / www.contratom.de

erschienen in der Gorleben Rundschau Dezember 2011 – www.bi-luechow-dannenberg.de