Zwischenlager: Schutzmauern für mehr Sicherheit
An keinem anderen Ort in Deutschland lagert so konzentriert eine riesige Menge hochradioaktiver Atommüll: die Zwischenlager an den Atomkraftwerken und die Hallen in Gorleben, Ahaus und Lubmin. Allesamt sind nicht ausreichend gegen „Einwirkungen von außen“ geschützt – und sollen nun Betonmauern für mehr Sicherheit bekommen. Atomkraftgegner sehen vor allem eines: das Eingeständnis, das die Lager bis heute unsicher sind.
Die Informationen sind dürftig: Am Standort Gundremmingen, wo sich das größte Zwischenlager Deutschland befindet, soll die Mauer 85 cm stark, 10 Meter hoch und 210 Meter lang werden. Bislang wurde bei Bedenken darauf verwiesen, dass die Außenwände aus 0,85 Meter und die Decke aus 0,55 Meter dickem Stahlbeton bestünden. Zusätzliche Sicherheitskomponenten waren die Behälter selbst, die für eine halbe Stunde 800 Grad Feuer überstehen und zahlreiche Fall- und Aufpralltests bestanden hätten. Der Behälter sei „sicher“ und die Zwischenlager auch.
Diese Ansicht teilt das Bundesumweltministeriums nun offenbar nicht mehr. Nicht nur in Gundremmingen fragt man sich: Warum muss etwas, das bereits als sicher gilt, noch sicherer werden? Oder ist das Lager gar nicht so sicher, wie die Energiekonzerne immer behaupten? Der Betreiber RWE bleibt vage: Es bestehe nach „neuen Erkenntnisse über Tatmittel und Täterverhalten“ jetzt Optimierungsbedarf. Weitere Erklärungen gibt es mit Verweis auf „geheim“ derzeit nicht.
Nach Angaben des BMU haben sich die Betreiber der Anlagen und die Aufsichtsbehörden der Länder schon im vergangenen Jahr auf die Nachrüstung verständigt. Eine BMU-Sprecherin nannte als Beispiele bauliche Veränderungen an Mauern und Toren sowie strenge Personenkontrolle. Mit dem Beginn der Baumaßnahmen ist laut BMU bereits in diesem Jahr zu rechnen. Die Kosten sollen die Betreiber tragen.
Betroffen sind alle 12 Standortzwischenlager und die drei zentralen Lager in Ahaus, Gorleben und Lubmin. Es muss also auch an den bereits stillgelegten Atomkraftwerken weiter in deren Sicherheit investiert werden. Überall werden jetzt Mauern gebaut, in Gorleben waren als erste Massnahme schon im vergangenen Jahr Castor-Behälter umgeräumt worden, die an der Wand des Zwischenlagers standen. Den Verantwortlichen war also auch schon vor der Genehmigung des letzten Castortransports die mangelhafte Sicherheit bekannt – rollen durfte der Transport trotzdem.
Die nun geplanten Mauern können sicher einerseits einen Angriff mit einer tragbaren Waffe erschweren, doch zusätzlich wird durch eine dicke Stahlbetonmauer partiell auch Strahlung abgeschirmt. In Gorleben war vor der Einlagerung der letzten Castoren eine mögliche Überschreitung des genehmigten Jahresgrenzwertes für Strahlung bekannt geworden, die sich durch weiter Behälter manifestierte. Ob aber die Folgen eines gezielten Absturz eines großen Flugzeuges oder gezielter Sabotage relativiert werden können, ist fraglich.
Über 11 Jahre hat es gedauert, bis nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York BMU reagiert, um die atomaren Zwischenlager sicherheitstechnisch nachzurüsten. Lange Zeit wurde in Abrede gestellt, dass Zwischenlager mit ihrer hochradioaktiven Fracht nicht terrorgeschützt seien, so die BI Lüchow-Dannenberg.
„Das BMU klammert mit dieser Anweisung an die Betreiber der Zwischenlager wieder einmal die wirkliche reale Gefahr durch einen gezielten Flugzeugabsturz aus, denn das würde die oberirdische Lagerung der Castoren in den luftigen Hallen in Frage stellen, auf der anderen Seite verweigerte das Landesumweltministerium unter Verweis auf die besonderen Sicherungsmaßnahmen die Akteneinsicht, wenn es um die erhöhten Strahlenwerte im Zwischenlager ging“, beklagt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke.
Über die „neu gewonnenen Erkenntnisse“ wundern sich die Atomkraftgegner in Gundremmingen, die Sicherheitsdefizite schon bei der Genehmigung des Lagers kritisierten. „Die Terrorgefahr wird jetzt offenbar höher und realistischer eingeschätzt als noch vor sechs Jahren“, so das FORUM.
Im Münsterland reagiert man empört: „Eines ist jetzt aber absolut klar: Das Zwischenlager Ahaus entspricht selbst für das Bundesumweltministerium nicht mehr den aktuellen Sicherheitsanforderungen. Damit verbietet sich automatisch jede weitere Einlagerung von Atommüll in Ahaus.“ Geplant ist der Transport von 152 Castoren aus Jülich nach Ahaus. Zudem müsste es dringende Nachrüstungen auch in der Urananreicherungsanlage Gronau geben, wo tausende Tonnen radioaktives Material unter freiem Himmel lagern und in der Forschungsanlage Jülich. Dort warten hochradioaktive Brennelementkugeln auf ihren Abtransport.
„Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, umgehend einen Einlagerungsstopp für das Zwischenlager Ahaus zu verhängen,“ so Matthias Eickhoff von die Initiative SOFA (Sofortiger Atomausstieg) Münster.
Greenpeace geht mit der Kritik noch weiter, und wirft Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) vor, es sei unverantwortlich, die Zwischenlager aufzurüsten, aber die benachbarten Reaktoren ohne weiteren Schutz am Netz zu lassen.
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Quellen (Auszug): taz.de, sueddeutsche.de, antiatompiraten.de, greenpeace.de, bi-luechow-dannenberg.de, bmu.de; 12.01.2012