Ein Akt der Demokatisierung contra das große Wehklagen der Atomkonzerne
E.ON will drei Standorte schließen und 10.000 Stellen abbauen, EnBW hat angekündigt, dass man selbst eine Kapitalerhöhung in Betracht ziehe, um nach dem starken Halbjahresverlust finanziell beweglich zu bleiben. RWE prüft den Verkauf mehrerer Tochterfirmen, der Atomausstieg beeinträchtigt das Ergebnis von Vattenfall um 10,2 Milliarden Schwedische Kronen. Doch das Problem ist hausgemacht – und das Wehklagen nicht gerechtfertig.
EnBW bezob bis zur Stilllegung von Neckarwestheim-1 und Philippsburg-1 mehr als die Hälfte seines Stroms aus Atomkraft. Der staatlich verfügte Atomausstieg treibt den baden-württembergischen Stromversorger im ersten Halbjahr tief in die roten Zahlen. Wegen einer immensen Sonderabschreibung erwartet der Vorstand unter dem Strich einen Verlust von 590 Millionen Euro.
E.on als größter Energiekonzern Deutschlands produzierte ein Viertel der Energie aus der Kernspaltung und leidet nun unter den Folgen der Energiewende, die vor allem wegen des beschleunigten Atomausstiegs Milliardenausfälle eingebrockt hat. Gleichzeitig fehlen dem Konzern wegen eines gigantischen Schuldenbergs von zuletzt 45 Milliarden Euro die Mittel für den Ausbau erneuerbarer Energien. Der Konzern soll planen, den Sitz der Eon-Energiesparte in München, die Kraftwerk-Tochter in Hannover und die Gastochter Eon Ruhrgas aufzugeben. Laut „Spiegel“ plant der Vorstand auch, Eon von einer deutschen Aktiengesellschaft (AG) in eine europäische Aktiengesellschaft (SE) umzuwandeln.
Vattenfall musste beide AKWs schließen, die von dem schwedischen Konzern betrieben wurden. Infolgedessen ist der Konzern gezwungen, Abschreibungen am Buchwert der beiden Anlagen Krümmel und Brunsbüttel vorzunehmen und die Rückstellungen für den Rückbau und die Entsorgung der Brennelemente zu erhöhen.
RWE muss nach der Atomwende mit dem Aus des AKW Biblis A und B auf gleich zwei seiner bisherigen Gewinnbringer verzichten. Zugleich müssen alle Konzerne von 2011 bis 2016 Belastungen aus der Brennelementesteuer hinnehmen – Staatseinnahmen zugunsten der Energiewende. Dazu kommen zusätzliche Kosten für den Rückbau von Atomkraftwerken, die heute kaum zu kalkulieren sind.
- Aus betriebswirtschaftlicher Sicht reißt der Atomausstieg große Löcher in die Kassen der Atomkonzerne. Es erscheint aber, als sei es nach jahrelanger, zügeloser Gewinnsteigerung das erste Mal, dass die Konzernegewinne einbrechen.
Aber nicht so sehr der Atomausstieg, sondern die schon viel früher begonnene Energiewende macht den Konzernen zu schaffen – denn sie haben diese schlicht verschlafen. Und das Wehklagen der Atomkonzerne hat nur einen relativen Bezug zu den AKW-Abschaltungen:
Der Kurs der Eon-Aktie, Anfang 2008 noch bei 50 Euro, fiel schon vor Fukushima auf 23 Euro. Eon hatte bereits im November – also vor dem Beschluss der Bundesregierung zum Atomausstieg – angekündigt, bis Ende 2013 Unternehmensanteile im Gesamtwert von 15 Milliarden Euro verkaufen zu wollen, um seine Schulden abzubauen und Spielraum für Investitionen zu haben. Bislang verkaufte Eon unter anderem seine Stromnetze in Großbritannien und Italien. Die Umwandlung in eine europäische Aktiengesellschaft hat den Vorteil, dass der Arbeitnehmer weniger Einfluss auf den Konzern erhalten wird. Auch der Wert der RWE-Papiere halbierte sich bereits vor dem japanischen Super-GAU und der Merkelschen Energiekehre.
Sowohl unter Utz Claassen, der bis 2007 Konzernchef war, wie auch anschließend unter dem noch amtierenden Chef Hans-Peter Villis hat EnBW den Atomausstieg hartnäckig verdrängt. Denn die Abschaltung von Neckarwestheim-1 wäre nach rot-grünem Atomausstieg längst geschehen, in diesem Jahr würde Philippsburg-1 folgen. Auch kündigte der Konzern mehrfach an, den Meiler wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit abschalten zu wollen. Mehr als 10 Jahre Planungsphase wurden ignoriert – immer in der Hoffnung, dass eine Verlängerung der Laufzeiten doch noch vom Himmel fallen würde. So begab sich die EnBW mehr als alle anderen deutschen Energiekonzerne in die Abhängigkeit von der Atomkraft, die im Jahr 2010 einen Anteil von 51 Prozent an der Stromerzeugung des Unternehmens ausmachte. Gerade 10,5 Prozent stammten hingegen aus erneuerbaren Energien, vor allem aus der hundert Jahre alten Wasserkraft am Rhein. So ist die EnBW heute bei den Zukunftsenergien weit abgeschlagen – all das rächt sich nun.
Die Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel stehen seit Mitte 2007 still. Anstatt mit einer endgültigen Stilllegung zu planen wurde weiter in die Meiler investiert. Die Wirtschaftlichkeit Brunsbüttels stand dann in der Kritik und der Konzern kündigte ein baldiges Aus an.
Ein Akt der Demokratisierung
42 Prozent der installierten Leistung an Erneuerbaren Energien befinden sich im Eigentum von Privatbürgern. Gerade einmal 13 Prozent sind in Händen der großen Energieversorger – und das trifft sie nun hart.
Aus politischer Sicht ist dieser Zustand vehement zu begrüßen, denn es ist ein Schritt zu mehr gesellschaftlicher Partizipation. Jeder Bürger entscheidet heute durch seine Solaranlage, durch Bürgerwindprojekte oder durch genossenschaftliche Biokraftwerke mit über die Zukunft der Stromwirtschaft – das ist ein Akt der Demokratisierung.
Was Deutschland braucht ist ein emanzipiertes Netzwerk von Bürgerinitiativen zur dezentralen Stromerzeugung. Langfristig kann die Produktion von Energie aus Erneuerbaren Quellen ökologisch und ökonomisch nur ein Vorteil sein, weil die Abhängigkeit von immer knapper werdenden fossilen Rohstoffen abnimmt.
Die Zeit der Energieriesen ist abgelaufen. Wir wollen keine Atomkonzerne mehr, die uns mit immer weiter steigenden Energierechnungen im Würgegriff halten!
- Diskussion um Ausstiegs-Kosten: “Alles wieder wie vor Fukushima”
27. Juli 2011 – Der Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), Björn Klusmann, hat die derzeit kursierenden Kostenschätzungen zur Energiewende scharf kritisiert. Das Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ hatte zuvor das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) wieder ins Spiel gebracht, und ein RWE-Vertreter samt CDU-Politiker stimmten ein: Der Strompreis werde „wegen des kopflosen Ausbaus der erneuerbaren Energien“ stark steigen. Die Debatte zeigt: Deutschlands Energie-Diskurs pendelt sind wieder ein auf den Stand vor der Nuklear-Katastrophe von Fukushima.
- Atomausstieg selber machen!
Seit der Öffnung des Strommarktes 1998 hat jeder Bewohner der BRD das Recht, seinen Stromanbieter selbst auszuwählen: Damit kann er sich gegen Strom aus Atomkraftwerken und für eine umweltfreundliche Energieerzeugung entscheiden. Jeder Mensch, der auf sauberen Strom umsteigt, macht seinen eigenen, kleinen Atomausstieg! Denn wo kein Abnehmer von atomar erzeugter Energie ist, braucht auch keine produziert werden! Wechseln viele Menschen zu umweltfreundlichen Energieproduzenten, werden die großen Atom – Stromkonzerne die Verluste nicht übersehen können – und werden zum Umdenken gezwungen!
Quellen: ftd.de, spiegel.de, taz.de, vattenfall.de, enbw.de; 06.08.2011