Katastrophenschutz? Beim Castor und in Gorleben Fehlanzeige
Der Castor und das Zwischenlager sind sicher und eine Katastrophe ist nicht vorgesehen. Denn Katastrophenschutzpläne der betroffenen Landkreise Lüneburg und Lüchow-Dannenberg gibt es nicht. Das soll sich jetzt zwar ändern, Atomkraftgegner sehen in der ignoranten Durchsetzungspolitik System, denn die zugrunde liegenden Szenarien sind absurd.
Kurz nach dem 13. Castor-Transport will die Lüneburger Kreisverwaltung einen gesonderten Katastrophenschutzplan (K-Plan) für einen möglichen Castor-Unfall erarbeiten. Bisher gibt es einen gesonderten Notfallplan für einen Unfall mit einem Atommülltransport weder im Kreis Lüneburg noch im Nachbarkreis Lüchow-Dannenberg. Im Fall eines Unglücks im oder auf dem Weg ins Zwischenlager Gorleben soll der allgemeine K-Plan der Landkreise greifen.
Die Begründung, weshalb es weder für Transportunfälle noch für das Zwischenlager einen gesonderten Katastrophenschutplan geben müsse, wurde bereits im September 2009 von der Landtagsabgeordnete Andrea Schröder-Ehlers (SPD) im Niedersächsischen Landtag erfragt. Zwar sei der Betreiber des Atommüllzwischenlagers Gorleben gesetzlich zur „eigenen Notfallplanung in Abstimmung mit anderen Behörden“ verpflichtet. Ein „Katastrophenschutzsonderplan“ sei aber gesetzlich nicht vorgeschrieben, wenn die „rechnerisch effektiven Dosen“ bei einem Störfall und „einem Ereignis mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit“ in der Umgebung der Anlage unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte liegen würden. Und das wiederum sei „seinerzeit im Rahmen des Genehmigungsverfahrens begutachtet“ worden. Die technische Sicherheit der im Zwischenlager eingelagerten Castor-Behälter sei „geprüft, genehmigt und damit gewährleistet“, sodass nach Einschätzung des Umweltministeriums „von den eingelagerten Abfällen keine Gefährdung ausgeht, die die Erstellung eines Sonderplanes erforderlich macht“.
Anders ist die Situation zum Beispiel für die Atomkraftwerke, die für das „Restrisiko“ – die Freisetzung von Radioaktivität bei einem GAU – einen umfangreichen Sonderplan vorhalten müssen. In diesem ist dann zum Beispiel geregelt, wer im Krisenfall die Leitung übernimmt, welche Notfallmassnahmen ergriffen, wo Sammellager eingerichtet werden oder welche Fluchtwege zur Verfügung stehen. Zwar sind diese Pläne „geheim“, aber immerhin existent.
Das niedersächsische Umweltministerium (NMU) hat Greenpeace kürzlich eine zuvor erteilte Teilgenehmigung zur Akteneinsicht bezüglich der umstrittenen Messwerte am Zwischenlager Gorleben wieder entzogen. Das NMU beruft sich dabei auf „neuere Erkenntnisse über Tatmittel und Täterverhalten“, die im Falle eines Anschlags zur „Freisetzung von großen Mengen radioaktiver Stoffe“ führen könnten. Aus dem ablehnenden Bescheid geht hervor, dass das Zwischenlager dringend bauliche Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz vor Anschlägen benötigt. Diese wurden noch nicht umgesetzt. Damit gibt das NMU zu, dass das Zwischenlager in Gorleben einem Terrorangriff nicht standhalten würde.
Dass auch der Beschuss mit einer „panzerbrechenden Waffe“ einen Castorbehälter definitv beschädigen und den Austritt des radioaktiven Inventars erwirken kann, liegt auf der Hand. Allein der Werbung des Militärs für ihre Waffensysteme obliegt die Vorstellung, ein Castor sei „inhärent sicher“. Mit einigen Behältertypen wurden keine den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Sicherheitstests durchgeführt. Oder es wurden nicht die adäquaten Unfallszenarien simuliert, so dass sich diese Tests jeglicher Realität entziehen: Beispielsweise sieht der Feuertest vor, dass ein Atommüllbehälter 30 Minuten lang einer Temperatur von 800 Grad Celsius ausgesetzt wird. Bei Zugunfällen mit leicht entzündbaren Stoffen wie Benzin oder Propangas werden allerdings Temperaturen von bis zu 2000 Grad Celsius erreicht.
Nachdem der elfte Castor die Stadt passiert hat, will Lüneburg nun klären, wie stark ein havarierter Castor-Behälter tatsächlich strahlt, inwiefern eine Notfallversorgung mit Jod-Tabletten sinnvoll ist oder besondere Schutzvorkehrungen in einem bestimmten Umkreis des Castor-Behälters notwendig sein können. Geprüft werden soll vor allem, ob die bisher festgelegten Katastrophenschutz-Maßnahmen auch bei einem Castor-Unfall ausreichend sind.
Atomkraftgegner fordern einen Transportestopp und das Eingeständnis, dass es keine Sicherheit gibt:
„Die Annahmen, auf der die Sicherheitsbewertungen für Castortransporte und das Zwischenlager Gorleben beruhen, sind absurd. Das gibt aktuell selbst das NMU zu. Damit müssen sofort detaillierte Pläne erarbeitet werden, die eine maximale Sicherheit für die Bevölkerung bei einem möglichen Unfall erwirken“, so Jan Becker von contrAtom. „Kein Transport darf mehr rollen, denn bei einem möglichen schweren Unglück sind weder die Behörden noch die Einsatzkräfte ausreichend vorbereitet. Die Politik nimmt katastrophale Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung in Kauf – das ist absolut inakzeptabel!“
Letztlich ist für den Schutz der Castorbehälter während eines Transportes allein die Polizei zuständig, die völlig unzureichende Schutzmassnahmen gegen mögliche Terroranschläge erlässt. Immer wieder gelingt es Aktivisten, in den Nahbereich der Behälter zu kommen oder gar auf die Transportwaggons zu klettern.
„Das ist fahrlässiger Umgang mit einer bewussten Gefahr. Mit Stacheldraht, Pferfferspray und Gummiknüppeln lässt sich die Sicherheit für Zwischenlager und Castoren überhaupt nicht erhöhen, sondern verschärft die Auseinandersetzung unnötig. Wir fordern ein sofortiges Ende der Atomindustrie, um den Konflikt zu befrieden!“
- Panzerfaust und Castor: eine fatale Kombination
23. Mai 2011 – Immer wieder ist von der Feuer, Stoß- und Sturzfestigkeit der Castoren zu lesen, mit denen die Behälter, die der Beförderung von hochradioaktiven Abfällen (Brennelementen aus Atomkraftwerken oder HAW-Kokillen aus der Wiederaufarbeitungsanlagen) dienen, optimiert und sicher seien. Ausgeblendet wird hingegen, dass Castoren allerdings nicht dafür ausgelegt sind, einem Angriff mit panzerbrechenden Waffen (ATM/ATGM) zu überstehen.
- Atomausstieg – Die Wahrheit Teil 19: Katastrophenschutz Fehlanzeige
Neun AKW dürfen teilweise mehr als zehn Jahre laufen – der Katastrophenschutz bei einem schweren Unfall existiert aber nicht. Und wird auch nicht möglich sein.
Quellen (Auszug): landeszeitung.de, greenpeace.de; 06.12.2011