Indien: Ausnahmezustand in Kudankulam

Die Regierung des indischen Bundesstaats Tamil Nadu hat beschlossen, den Bau des Atomkraftwerkes Kudankulam, der wegen Massenprotesten der Einwohner auf Eis gelegt worden war, wieder aufzunehmen. 20.000 Menschen beteiligen sich an einer Demonstration vor dem Reaktor.

Atomstandort Kudankulum / Indien

Atomstandort Kudankulum / Indien

Die erste von dem russischen Konzern Atomstrojexport gebaute Atomanlage mit zwei Reaktorblöcken sollte ursprünglich Ende 2011 ans Netz gehen. Doch die Bauarbeiten mussten wegen Massenprotesten, die seit September andauerten, gestoppt werden. Die indische Staatskasse kostet der Baustopp laut Medienberichten rund eine Million US-Dollar täglich. Kudankulam ist ein „Schlüsselobjekt“ in der russisch-indischen Zusammenarbeit im Bereich der Atomenergie.

Die Gruppe People’s Movement Against Nuclear Energy führt eine Protestbewegung gegen das AKW an, dessen Bau Auswirkungen auf mindestens 15.000 Personen aus den umliegenden Gemeinden haben wird. Die Protestierenden haben die Baustelle belagert und damit den Bau des AKW um mehr als 8 Monate verzögert. Die Proteste begannen, nachdem im März 2011 durch ein Erdbeben radioaktive Substanzen im japanischen Atomkraftwerk in Fukushima freigesetzt worden waren. Im Dezember 2004 hatte ein Tsunami, der über den Südosten Asiens hereingebrochen war, die Dörfer in der Umgebung von Kudankulam erreicht.

Am 15.03. hatten Atomkraftgegner zu der Aktion „Kudankulam Chalo!“ aufgerufen, der tausende Menschen gefolgt waren. Nun haben sich die Proteste gegen das indische Atomkraftwerk in Kudankulam zugespitzt. Bei einer Blockade der Zufahrtsstraßen seien laut twitter-Meldungen mehrere hundert Aktivisten festgenommen und die Medien ausgewiesen worden. Es befinden sich 20.000 Menschen vor dem AKW, von denen sollen 15 AktivistInnen in den unbefristeten Hungerstreik getreten sein.

6.000 Polizeikräfte, unter anderem auch der Spezialeinheit „Rapid Action Force“ seien um Kudankulam zusammengezogen worden. Es sei zudem eine Ausgangssperre verhängt und Kontrollpunkte auf allen Straßen um Kudankulam eingerichtet worden. Man habe 300 ArbeiterInnen unter Polizeischutz in das AKW eskortiert.

Nach Einschätzung von Atomkraftgegner soll nach dem Scheitern von Expertenkomissionen und Hetzkampagnen nun das Interesse der Atomindustrie mit Gewalt durchgesetzt werden. Im Februar hatte der indische Ministerpräsident von den USA und einigen skandinavischen Ländern unterstützten NGOs vorgeworfen, hinter den Protesten zu stehen. 10 Atomkraftgegner sind laut Amnesty International akut von langjährigen Haftstrafen bedroht.

  • Deutsche Atomkraftgegner senden solidarische Grüße nach Kudankulum und unterstützen die Proteste gegen die menschenverachtende Atomenergie! Für die Stilllegung aller Atomanlagen – weltweit!

Die Atomenergie hat in Indien einen Anteil von drei Prozent an der Gesamtstromerzeugung. Auch gegen den Bau des größten Atomkraftwerks der Welt, das in Jaitapur im Norden des Landes mithilfe der französischen Firma AREVA errichtet werden soll, konzentrieren sich Anti-Atom-Proteste. Auch Jaitapur liegt in einer erdbebengefährdeten Region und die Bauarbeiten musste wegen Demonstrationen unterbrochen werden.

Die indischen Behörden wollen den atomaren Anteil in der Energieproduktion des Landes signifikant erhöhen, indem sie in Zusammenarbeit mit Russland (Rosatom), Frankreich (AREVA) und den USA (Westinghouse) die Errichtung weiterer Reaktoren planen. Diese Pläne stossen abr landesweit auf massiven Widerstand. Die indische Bevölkerung hat es praktisch geschafft, das Regierungsprogramm zum Ausbau der Atomkraft zu stoppen. Wider Erwarten sind im Dezember 2011 zum Beispiel keine russisch-indischen Dokumente über den Bau zusätzlicher Reaktorblöcke für das AKW Kudankulam unterzeichnet worden.

  • Indien: Polizei erschießt Anti-Atom-Aktivisten
    19. April 2011 – Die indische Polizei hat bei Protesten gegen den Bau eines Atomkraftwerks des französischen Konzerns Areva in Jaitapur an der Westküste einen 30-jährigen Demonstranten erschossen.

Quellen (Auszug): amnesty.de, twitter, oekonews.at; 20.03.2012