Der große Irrtum: Kein billiger Atomstrom aus Frankreich
Die Strompreise in Deutschland sind trotz des Atomausstiegs vor einem Jahr derzeit deutlich niedriger als im vermeintlich preiswerten Atomkraftwerksland Frankreich. Atomkraftgegner fordern einen Importverbot für Atomstrom und weitere Anstrengungen für die Energiewende. Unter bestimmten Bedingungen sinkt der Preis für Strom an der Börse dank der Erneuerbaren Energien heute schon auf Null.
Vor einem Jahr, nachdem im Zuge des Atomausstiegs acht Atomkraftwerke abgeschaltet waren, prangerten die Medien: „Billiger Atomstrom aus dem Ausland“. „Offensichtlich ist französischer Strom derzeit günstiger als Strom aus deutschen Reservekraftwerken“, so Harry Lehmann vom Umweltbundesamt Mitte April 2011. Laut Angaben des Nachrichtenmagazins Focus flossen im ersten Halbjahr 2011 rund 51% mehr Kilowattstunden Strom aus Frankreich durch das deutsche Stromnetz, die Einfuhrmengen aus Tschechien seien um das siebenfache angestiegen.
Immer wieder haben die großen Stromversorger damit gedroht, dass bei einem Atomausstieg in Deutschland als Ersatz der billige Atomstrom aus Frankreich importiert wird, Blackouts zu erwarten sind und die Strompreise in Deutschland regelrecht explodieren würden.
- Die Wahrheit: französischer Atomstrom ist gar nicht billig!
Jetzt zeigt sich an der Strombörse, dass die Preisprognosen der Energieversorger wohl ein großer Irrtum sind und genau das Gegenteil eingetreten ist: Französischer Strom ist an der Börse im Jahr 2012 deutlich teurer als deutscher Strom. Die Preise für den deutschen Grundlaststrom sind zudem im Durchschnitt der ersten drei Monate des Jahres 2012 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um über 12 Prozent gefallen, obwohl 2011 zu diesem Zeitpunkt die acht alten Atomkraftwerke noch in Betrieb waren.
In den ersten drei Monaten des Jahres 2012 musste an der Strombörse für den französischen Grundlaststrom im Durchschnitt 5,6 Cent pro Kilowattstunde (kWh) bezahlt werden. Das waren 24,4 Prozent mehr als für deutschen Strom, der im Mittel deutlich günstiger und für nur 4,5 Cent je kWh zu haben war. Auch während der Kälteperiode im Februar 2012 war der französische Strom trotz des vermeintlich günstigen Atomstroms deutlich teurer als der deutsche Strom. Zudem hat Deutschland in dieser Zeit sehr viel Strom nach Frankreich exportiert.
- Von Januar bis März 2012 haben die Solar- und Windkraftanlagen in Deutschland laut Daten der Strombörse mehr Strom produziert, als die acht abgeschalteten Atomkraftwerke in Deutschland theoretisch hätten in diesem Zeitraum erzeugen können.
Am 1. April 2012 um 16 Uhr erreichte der Preis an der Börse erneut einen Tiefpunkt: Für exakt minus 0,008 Cent pro Kilowattstunde war der Strom zu haben. Eine prognostizierte Solarstromeinspeisung von 9,251 Gigawatt zusammen mit einer prognostizierten Windstromeinspeisung von 12,647 Gigawatt drückten die noch benötigten konventionellen Leistungen auf Werte unterhalb der Nachfrage zur Nachtzeit. An der Last hat sich in Deutschland nichts geändert. Aber an immer mehr Tagen trifft ein hoher Strombedarf zur Mittageszeit auf ein noch größeres Angebot von Wind- und vor allem Solarstrom.
Erneuerbare Energien sorgen also schon heute für günstigen Strom und kompensieren die Atomstromkapazitäten:
„Zusammenfassend wird deutlich, dass es keinen Grund für den Import von Atomstrom aus alten und gefährlichen Atomstrom an der Grenze mehr gibt. Es wird Zeit für ein Importverbot für nuklear produzierte Energie, das ist rechtlich machbar und in einem Aussteigerland ideel unbedingt nötig!“, fordern Aktivisten von contrAtom.
- Atomstromimport aus Frankreich verbieten!
14. Februar 2012 – Nach zahlreichen Störfällen in französischen Atomkraftwerken fordern Politiker, den Import von Atomstrom aus Frankreich zu verbieten. Der französischen Präsident Sarkozy hat unterdessen Laufzeitverlängerung für alle Reaktoren angekündigt und sich gegen eine Abschaltung der ältsten Meiler in Fessenheim ausgesprochen. Atomkraftgegner planen eine große Protestaktion am 11. März.
- Atomstrom-Importverbot ist rechtlich machbar
13. Oktober 2011 – Auf dem Weg zum Importverbot für Atomstrom geht es in Österreich voran. Zwei Rechtsgutachten bestätigen, dass ein Verbot nach internationalem Recht möglich ist. Gut zu wissen für die Nachbarländer, auch für Deutschland. Die beiden Rechtsgutachten wurden von Greenpeace Österreich und GLOBAL 2000 in Auftrag gegeben. Beide belegen unabhängig voneinander, dass ein Atomstromimportverbot sowohl mit EU- als auch mit WTO-Recht vereinbar ist.
- Greenpeace-Energy: Wind und Wasser schon heute billiger als Kohle und Atom
17. April 2011 – Strom aus Wind- und Wasserkraft ist unter Berücksichtigung aller Kosten schon heute deutlich billiger als Strom aus Kohle und Atom. Insbesondere Atomstrom kostet in Wirklichkeit fast doppelt so viel wie Wasserkraft und zwei Drittel mehr als Windenergie. Das geht aus der neuen Greenpeace-Energy-Studie „Was Strom wirklich kostet“ hervor, die das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag erstellte.
- Billiger Atomstrom: Keine Haftung für die Folgen
1. April 2011 – Deutsche Atomkraftwerke bergen ein doppeltes Risiko: Zum einen kann niemand ausschließend, dass es nicht auch hier zu Störfällen mit gravierenden Folgen für Umwelt und Menschen kommen kann – und zum anderen sind die Kraftwerksbetreiber nicht ausreichend gegen diese Folgen versichert.
Quelle: stromtarife.de, oekonews.at, focus.de,; 05.04.2012