Kraftwerksprojekte gekippt
In Kanada und Indien sterben weitere AKW-Bauprojekte still. Polen zieht sich aus einem Bauvorhaben in Litauen zurück. Nach Fukushima hat die angebliche „Renaissance“ einen kräftigen Dämpfer bekommen.
Polen will sich nun nicht mehr am Bau des neuen AKWs in Litauen beteiligen, das als Ersatz für das geschlossene AKW Ignalina im benachbarten Visaginas errichtet werden soll. Auch ist man in Warschau nicht daran interessiert, Strom von einem anderen AKW-Projekt zu kaufen, das von Russland aktiv, wenn auch nicht unbedingt erfolgreich, in der Enklave Kaliningrad (ehm. Königsberg) in derselben Region gepusht wird. Alternativ möchte Polen ein eigenes Atomkraftwerk bauen. Ob das aber Zustande kommt, ist äußerst fraglich.
Die Bürgerinitiative „Atomkraftfrei leben in der Uckermark“ (Aflum) hat bei der ersten Zählung der eingesammelten Unterschriftenlisten bereits 6000 Einsprüche gegen den polnischen Einstieg in die Atomenergie gezählt. Die Grünen, Greenpeace, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und das Umweltinstitut München haben zu Einsprüchen aufgerufen. Beim Münchner Institut haben 17 900 Menschen online ihren Einspruch erhoben, zusammen mit schriftlichen Einsprüchen sind es dort 20000.
Die kanadische Betreiberin Bruce Power hat bekannt gegeben, dass sie den seit 2007 in Betracht gezogenen Atomkraftwerksneubau in der Provinz Alberta nicht weiterverfolgen werde. Bereits Mitte 2009 hatte die Bruce Power bekannt gegeben, dass sie ihre Gesuche zum Bau zweier neuer AKW in der Provinz Ontario zurückzieht.
In Indien ist wider Erwarten vergangenen Freitag keine russisch-indischen Dokumente über den Bau zusätzlicher Reaktorblöcke für das indische AKW Kudankulam unterzeichnet worden. Momentan steht der Bau von zwei Reaktoren mit russischer Technologie kurz vor dem Abschluss. Die Inbetriebnahme des Objekts war für Ende 2011 vorgesehen, musste aber angesichts von Protesten der örtlichen Bevölkerung, die die Atomenergie als gefährlich betrachtet, verschoben werden.
Für die französische Umweltministerin Nathalie Kosciusko-Morizet ist eine Schließung des umstrittenen elsässischen Atomkraftwerks Fessenheim „nicht ausgeschlossen“. Zur Zeit sei ein Aus allerdings auch „nicht angesagt“, das könnte sich aber im Verlauf des Wahlkampfes ändern. Sarkozy könnte um seinen Zuspruch in der Bevölkerung wieder zu steigern die zwei alten Meiler vom Netz nehmen. In Frankreich gegen derzeit immer mehr Menschen gegen Atomkraft auf die Straße. Offiziell will man die Ergebnisse der französischen Stresstests bis Anfang Januar abwarten, um Schlussfolgerungen über das älteste Atomkraftwerk Frankreichs dicht an der deutschen Grenze zu ziehen. Es geht dabei auch um Reparaturkosten. Die französische Atomaufsicht ASN hatte eine Verstärkung des Betonfundaments des Kraftwerks empfohlen, um den Schutz bei einem Erdbeben zu verbessern.
Dass Atomkraftwerke nur mithilfe staatlicher Subventionen gebaut werden können, zeigen aktuelle Rechercheergebnisse von Urgewald: Die Bundesregierung hat auf die schriftliche Frage des Grünen Bundestagsabgeordneten Sven-Christian Kindler mitgeteilt, dass es Anfragen für deutsche Bürgschaften für die Atom-Projekte Wylfa in Großbritannien, Pyhäjoki in Finnland und Jaitapur in Indien gibt. Während Deutschland beteuert, alle eigenen Atomkraftwerke in den nächsten Jahren stilllegen zu wollen, soll der Neubau von AKW im Ausland weiter staatlich unterstützt werden.
- Neue Hermesbürgschaftsanfragen zeigen Halbherzigkeit des deutschen Atomausstiegs
17. Dezember 2011 – Die Bundesregierung hat auf die schriftliche Frage des Grünen Bundestagsabgeordneten Sven-Christian Kindler mitgeteilt, dass es Anfragen für Bürgschaften für die Atom-Projekte Wylfa in Großbritannien, Pyhäjoki in Finnland und Jaitapur in Indien gibt. Darüber hinaus gibt es Anträge für Zulieferungen zu einem AKW-Neubau in China und bereits eine Grundsatzzusage für das Atomkraftwerk Angra 3 in Brasilien.
- Stand der Dinge: Atomkraft weltweit auf absteigendem Ast
22. April 2011 – Eine anlässlich des 25. Jahrestags der Atomkatastrophe von Tschernobyl im Europäischen Parlament präsentierte Bericht zum Stand der weltweiten Atomenergie kommt zu dem Schluss, dass der Anteil von Atomkraft an der Elektrizitätsproduktion weltweit abnimmt und künftig weiter abnehmen wird. So war 2010 erstmals die weltweite Leistung erneuerbarer Energien größer als die der aktiven AKW (381 Gigawatt gegenüber 375 Gigawatt vor Fukushima).
- Welt-Atombilanz 2010: Erneut kein Wiederaufstieg der Atomkraft
3. Januar 2011 – Nach den Statistiken der IAEA (International Atomic Energy Agency) wurden im Jahr 2010 weltweit fünf Atomkraftwerke (AKW) mit zusammen 3.700 Megawatt (MW) in Betrieb genommen und vierzehn AKW-Bauten begonnen; acht davon in China. Damit sind 441 Kernkraftwerke in Betrieb und 65 in Bau. Allerdings wurden 12 dieser AKW-Bauten schon vor 1990 begonnen. Es sind eher Bauruinen als Baustellen.
Quellen: bellona.org, moz.de, nuklearforum.ch, de.ria.ru, urgewald.de; 19.12.2011