Vor 50 Jahren fing es in Gundremmingen an – 24. Juli 1962: „Kernkraftwerk RWE-Bayernwerk GmbH“ gegründet

Am 24. Juli 1962 gründeten der in Essen beheimatete RWE Konzern und das Münchner Bayernwerk eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zum Betrieb eines Atomkraftwerks in Gundremmingen. Ursprünglich sollte Wertingen (LK Dillingen) und dann Bertoldsheim (LK Neuburg) Standort für Deutschlands erstes Groß-AKW werden.

11.03.2012 Gundremmingen

Vor 50 Jahren wurde im zwischen Augsburg und Ulm gelegenen schwäbischen Dorf Gundremmingen der Startschuss für die kommerzielle Erzeugung von Atomstrom in Deutschland gegeben. Ein Essener und ein Münchner Stromkonzern sahen dies als geeigneten Ort an, um erstmals die gefährliche Atomtechnik im Großmaßstab für die kommerzielle Stromerzeugung auszuprobieren.

Die Bayernwerk AG und die RWE AG gründeten die „Kernkraftwerk RWE-Bayern­werk GmbH“. Die Gesamtkosten für das geplante AKW Gundremmingen wurden auf 345 Mio. DM veranschlagt. Die Kernkraftwerk RWE-Bayernwerk GmbH musste nur rund ein Drittel der Baukosten selber aufbringen. Der Rest wurde durch ERP-Kredite, Bürgschaften der Bundesregierung und Euratom beigesteuert.

Der Bund verpflichtete sich außerdem 90 % eventueller Betriebsverluste zu übernehmen. Die Betreiber nur 10 %. Zusätzlich verpflichteten sich die Betreiber, sämtlichen im AKW erzeugten Strom abzunehmen. Für die ersten 1,5 Mrd kWh wurde ein Preis von 3,85 Pf/kWh vereinbart. Zuvor war berechnet worden, dass ein vergleichbares Steinkohle-KW den Strom würde für 3,6 Pf/kWh liefern können. Über eine Jahresproduktion von 1,5 Mrd kWh hinausgehende Strommengen sollten mit 1,1 Pf/kWh bezahlt werden. Angenommen wurde, dass das AKW 6.330 Volllaststunden (72 % Lastfaktor) im Jahr laufen würde.

Standort

Da Kernkraftwerke viel Kühlwasser brauchen und wegen der radioaktiven Abwässer ebenfalls auf einen Fluss als Vorfluter angewiesen sind, sollte dieses erste deutsche Groß-AKW an der Donau gebaut werden. Als Standort war zunächst Wertingen ins Auge gefasst worden. Dann aber schien ein Gebiet bei Bertoldsheim zwischen Donauwörth und Neuburg günstiger zu sein.

Allerdings konnte dieser Standort nicht beibehalten werden. Denn im Raumordnungsverfahren ergab sich, daß in der Nähe des in Betracht gezogenen Gebietes Brunnen zur Trinkwasserversorgung des Raumes Nürnberg – Fürth – Erlangen vorgesehen waren. Das Bayerische Wirtschaftsministerium wie auch der Landtag machten sich diese Bedenken zu Eigen. RWE hielt sie zwar nicht für stichhaltig und meinte, „die emotionell-politische Seite habe über die technisch-wissen­schaftliche gesiegt“. (SZ 6.7.1962 + und atw 10/1965).

Schnell genehmigt und gebaut, tödliche Unfälle – bald kaputt

Nachdem bereits am 13. Juli 1962 der Bauantrag gestellt worden war, das Raumordnungsverfahren im November 1962 abgeschlossen wurde, erlaubte man im Dezember 1962 den Bau und begann ihn. Die staatliche Genehmigung wurde sogar erteilt, ohne daß vom Reaktor-Druckgefäß eine Konstruktionszeichnung vorgelegt wurde.

Im Juli 1963 legt die Reaktorsicherheitskommission (RSK) eine Stellungnahme zu dem bereits in Bau befindlichen Kernkraftwerk Gundremmingen vor. Darin wird ausgesagt, daß der TÜV-München in einer Sicherheitsstudie zu dem Ergebnis gekommen sei,

„daß beim Bruch einer Speisewasserleitung das Reaktor-Druck­gefäß innerhalb von 10 Sekunden entleert“ sei. „Bei teilweise Versagen der Notkühlung sind innerhalb weiterer 10 Sekunden … die Brennstoffhüllen soweit erwärmt, daß sie durch den Innendruck der Spaltgase gesprengt werden.“ Dabei sei anzunehmen, daß 20 % der Spaltgase sofort und die restlichen 80 % binnen einer Stunde in die Atmosphäre freigesetzt würden. (Joachim Radkau: „Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft“, 1983, S. 369f)

Professor Radkau merkt hierzu in seinem Buch an: Das bedeutet im Klartext, den Tod von Tausenden. Hätte man aus einer solchen Prognose Konsequenzen gezogen, dann hätte man den Bau des Kernkraftwerks sofort unterbinden müssen, zumal der endgültige Sicherheitsbericht über Gundremmingen von der Erbauerfirma jahrelang verschleppt wurde.

Groos, langjähriger Sicherheitsreferent des Atom- und Forschungsministeriums, zog die resignierende Bilanz:

„Tatsächlich ist das Kernkraftwerk im wesentlichen auf Risiko des Betreibers ohne atomrechtliche Genehmigung errichtet worden.“ (S. 406).

Am 19.11.1975 kam es im AKW Gundremmingen zu zwei tödlichen Arbeitsunfällen. Staatsanwaltschaft und Richter sahen in den folgenden Strafverfahren die Ursache hierfür in falschen Arbeitsanweisungen und Kompetenz-Wirrwarr im AKW. Auch rügten sie bei den Prozessen scharf, dass die Ermittlungen durch das AKW entscheidend behindert worden seien.

Unbekannt ist, warum erst im Dezember 1976 das AKW Gundremmingen an die Betreiber übergeben wurde. Dies ist zehn Jahre nach Betriebsbeginn auffällig spät.

Am 13. Januar 1977 führte Raureif an den Stromleitungen zu Kurzschlüssen und erzwang eine Schnellabschaltung. Bei dieser kam es zu einem Unfall mit Totalschaden. Dem ersten und bisher einzigen in einem AKW Deutschlands. Dies wie auch die im Anschluss beim „Lüften“ und „Spülen“ des Reaktorgebäudes in die Umwelt abgelassene Radioaktivitätsmengen wurde nie von den Essener und Münchner Atomkonzernen RWE und Bayernwerk mitgeteilt. Es hieß nur, es habe einen kleinen Zwischenfall gegeben und eine Gefährdung des Personals, der Umgebung oder der Anlage sei mit dem Ereignis nicht verbunden gewesen.

Bis heute nichts entsorgt

Die verbrauchten und hochradioaktiven Spaltelemente wurden zur Versuchs-Plutoniumfabrik nach Karlsruhe, wie auch zu ähnlichen Anlagen nach Belgien, Frankreich und Großbritannien transportiert. Dort wurde Plutonium abgetrennt – aber natürlich kein Kilo entsorgt. Alles ist nur zwischengelagert. Einige Brennelemente wurden auch nach Schweden in ein Zwischenlager gebracht. Mit seinem schwach- und mittelradioaktiven Atommüll war das AKW Gundremmingen einer der größten Anlieferer an das Versuchsendlager Asse. Dafür musste das AKW nichts zahlen, da es ja ein Versuchsendlager war. Heute weigern sich RWE und EON als Rechtsnachfolger der Bayernwerke auch nur einen Euro für die Sicherung des Atommülls in der Asse zu zahlen.

Neben dem ursprünglich als AKW Gundremmingen bezeichneten Block A laufen heute als AKW Gundremmingen mit den Blöcken B und C die zwei letzten Siedewasserreaktoren Deutschlands.

Drei Literaturquellen:

  • Joachim Radkau: „Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft 1945 – 1975“; 1983
  • Wolfgang D. Müller (lange Chefredakteur der atomwirtschaft, atw): „Geschichte der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland“, Bd. II, 1996
  • Stephan Deutinger „Eine „Lebensfrage für die bayerische Industrie – Energiepolitik und regionale Energieversorgung 1945 bis 1980.“ in Thomas Schlemmer und Hans Woller: „Bayern im Bund“, Band 1, Die Erschließung des Landes“; 2001

Quelle: Raimund Kamm/FORUM; www.atommuell-lager.de, 18.7.2012