Defekte, Unfälle, Protest: Weltweite Atomtransporte – eine Auswahl
Atomtransporte sind ein Spiel mit dem Feuer. Wie ein Spinnennetz überziehen die Pfade der Atomtransporte den gesamten Globus. Per Schiff, mit dem Flugzeug, per Bahn und Lastkraftwagen (LKW) tragen sie das atomare Risiko über alle Transportwege, weltweit. Den vollkommenen Schutz vor Unfällen, vor Entführungen oder Sabotage gibt es nicht. Die atomare Transportkatastrophe bei der Plutonium oder radioaktive Spaltprodukte in Umwelt gelangen, kann jederzeit geschehen. Sie ist nicht weniger wahrscheinlich wie der Super Gau in Majak (1957), Sellafield (1957), Harrisburg (1979) Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011).
Eine Nische ohne jede Atomindustrie ist mit dem Start ins Atomzeitalter nicht mehr möglich. Für die Atomindustrie sind die atomaren Zubringerbahnen für die Ver- und Entsorgung der Atomanlagen unverzichtbar. Jeder radioaktiver Stoff muss mehrfach auf eine unsichere Reise gehen. Er wird von der Uranmine über verschlungene Umwege und Zehntausende von Kilometern zur Anreicherung, ins Atomkraftwerk (AKW), zur Wiederaufarbeitung und ins Endlager weltweit hin und her transportiert.
Noch immer gibt es keine Möglichkeit gegen Atomtransporte zu klagen. Geheimhaltung geht über alles. Keine Feuerwehr, kein Technisches Hilfswerk (THW), keine Gemeinde, kein Ort, keine Stadt wird darüber informiert. Das Recht auf öffentliche Beteiligung und Kontrolle wird außer Kraft gesetzt – in einem Bereich, der uns alle betrifft. Als Grund geben die Verantwortlichen, den kaum mehr möglichen Schutz der Atomtransporte vor Terroranschlägen und Diebstahl an. Die Folge: Alle Menschen, die an den Atomrouten leben werden ständig überwacht und bespitzelt. In Frankreich unterliegen Atomtransporte sogar dem Militärgeheimnis. Darauf stehen hohe Strafen. Prozesse laufen gerade nicht nur gegen die Aktivisten, die den Castortransport nach Gorleben 2011 in Frankreich blockierten, sondern auch die Menschen, die sich namentlich öffentlich im Fernsehen geäußert haben.
In Deutschland laufen pro Jahr knapp 600.000 Atomtransporte. Den offenen „Brennstoffkreislauf“ betreffen allein in Deutschland rund 10.000 Atomtransporte pro Jahr. Zahlen von anderen Ländern sind nicht bekannt. Atomtransporte sind die Achillesferse der „friedlichen Nutzung der Atomenergie“, das verbindende Glied, ohne das nichts mehr läuft.
In der Auswahl habe ich alle Castortransporte nach Gorleben weggelassen.
10.11.1970 BRD/Hamburg/Fulda: Elf Wagen eines Schnellgüterzuges auf der Fahrt von Hamburg nach Fulda entgleisten. Aus dem letzten Anhänger fielen zwei Stahlbehälter mit angereichertem Uran, die aus den USA kamen und nach Hanau transportiert werden sollten. Diese Uranbehälter konnten auf einer Wiese ausrollen und platzen deshalb nicht auf. Die Bahnstrecke blieb für 25 Stunden blockiert.
27.09.1977 USA/Bundesstaat Colorado: Eine Herde wilder Pferde überquert den Highway 287. Ein mit hoher Geschwindigkeit heranbrausender Lastzug bremst scharf ab, kommt ins Schleudern und kippt. Zwanzig Tonnen Urankonzentrat in gelben 200l-Fässern fliegen durch die Luft und schlagen hart auf. Die meisten Fässer platzen, auf eine Fläche von 500 qm breitet sich eine bis zu 30 cm hohe Strahlende Schicht aus. Die Unfallstelle wurde erst nach zwölf Stunden abgesperrt, als die ersten Strahlenschutzleute angekommen waren. Drei Tage lang blieb das radioaktive Uran auf der Straße und den angrenzenden Feldern liegen. „Die Möglichkeit, dass sich ein ähnlicher Unfall auch in der BRD ereignen könnte, lässt sich nicht völlig ausschließen,“ beantwortete die Bundesregierung seinerzeit eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Schäfers.
Am 23. Februar 1978 blockieren Baseler AKW-GegnerInnen an der Grenze zur Schweiz einen Brennstofftransport aus Hanau (BRD), der für das AKW Gösgen in der Schweiz bestimmt ist.
Februar 1979: RWE ordert für das AKW Biblis, Block B in der Provinz Saskatchewan Uran. Auf dem Umweg über die sibirische Anlage von Technabsexport soll es angereichert werden, dann bei Exxon Nuclear in Richland, USA zu Pellets gepresst und in Lingen zu gebrauchsfertigen Brennelementen verarbeitetet werden. Im April 1979 sind alle Papiere für das deutsch- kanadisch-sowjetisch- amerikanische Atomgeschäft fertig. Aufgabe der RWE-Manager war jetzt nur noch die verschlungene Atom-Odyssee zu koordinieren. Irgendwann verlieren sie die strahlenden Druckbehälter. Zuerst läuft alles glatt. Das Schiff verlässt mit neun 30 B-Behälter Anfang November 1979 den baltischen Ostseehafen Riga nach Le Havre. Dort wird das „Hex“ am 30. November auf ein anderes Schiff umgeladen. Telegraphisch wird der Exxon- Partner von dem Auslaufen des Schiffes informiert. Das beauftragte Frachtunternehmen Kerr Steamship informiert vorschriftsmäßig, die beim radioaktiven Gefahrgut bestehen, die Küstenwache von Seattle. Dort macht die Cordillera am 21. Dezember im Hafen von Seattle fest. Ladekräne am Kai entladen die neun 30 B-Behälter. Die Hafenarbeiter werfen einen flüchtigen Blick auf die exotischen kyrillischen Schriftzeichen. Kein Aufsichtspersonal, keine Fachleute, keine Vertreter von Exxon oder Kerr sind anwesend. So bleiben die strahlenden Fässer genau dort, wo der Kran sie abgesetzt hat. Drei Tage später bombardieren die Sowjets Afghanistan. Die amerikanisch-sowjetische Beziehungen fallen unter dem Gefrierpunkt. Die Weizenlieferungen an die UdSSR werden eingestellt.
Nach 24 Stunden hätte die strahlende Fracht, nach den Bestimmungen zum Gefahrguttransport, Seattle wieder verlassen sollen. Drei Wochen langen stehen die Zylinder jetzt schon mit dem Atombrennstoff auf dem Kai. Witze über möglichen Haarausfall durch das radioaktive Zeug machen bei den Hafenarbeitern die Runde. Dann werden sie misstrauisch, zwei Behälter sind verbeult und rostig. Die russische Beschriftung ist nicht vertrauenerweckend, niemand kann sie entziffern. Die Frachtbriefe sind längst angekommen, aber sie bleiben bis 13. Januar 1980 verschollen. Als man sie findet, versteht sie keiner – sie sind nur in Deutsch und Russisch verfasst.
Gerüchteweise steht Mitte Januar in der Zeitung, dass am Kai obskure Behälter stehen. Am 25. Januar sind die Zeitungen voll von Horrormeldungen aus der Atomindustrie: In der US-Waffenschmiede, den Lawerence Livermoore Laboratories ist tags zuvor ein Tank mit radioaktiven Wasser geborsten. Am gleichen Tag geben offizielle Stellen erstmals zu, dass, das der Beinah Gau im AKW Harrisburg im vorausgegangenen April nur wenige Minuten vorm Durchschmelzen gestanden hatte.
Das mobilisiert die Hafenarbeiter. Sie verlangen vom Chef der Seattler Feuerbehörde eine Erklärung, warum das atomare Zeug immer noch im Lagerhaus steht. Eine Antwort hatte er nicht parat. Ein paar Stunden später erfährt der Seattler Feuermarschall Bob Hansen, dass einer der Behälter möglicherweise leck ist. Er ist entsetzt. Das Seattler Geschäftsviertel liegt nur wenig oberhalb des Kais. Feuer oder Giftwolken würden die Stadt in Minutenschnelle erreichen. Jetzt geht alles ganz schnell. Augenblicklich lässt er das betreffende Hafengelände räumen und abriegeln. Ihn kostet es nur ein paar hektische Telefonate, um all das zu erreichen, was wochenlang nicht möglich war. Aber die Frachtbriefe sind immer noch nicht übersetzt und Exxon Nuclear kann überraschenderweise keine Angaben über den Inhalt der Zylinder machen.
Erste Messungen an den Behältern ergeben keine radioaktive Kontamination. Der tatkräftige Feuermarschall fordert Exxon Nuclear auf das atomare Zeug noch vor Einbruch der Nacht aus der Stadt zu schaffen. Es hat sich in der Zwischenzeit sogar ein Übersetzer der Frachtbriefe gefunden, was die neun 30 B-Behälter enthalten. Die Katastrophe ist diesmal ausgeblieben. UF6 ist nicht nur radioaktiv, sondern bildet, wenn es mit Wasser in Berührung kommt, gefährliche Flusssäure.
Am Abend verschwinden die Fässer aus dem Hafen – aber nicht aus der Stadt – Exxon karrt sie Hals über Kopf auf einen Hof einer Seattler Spedition. Ein Transport nach Richland konnte nicht mehr organisiert werden. So blieben die neun strahlende Fässer noch eine Nacht dort, wo sie schon seit Wochen nicht mehr zu suchen hatten: In Seattle!
Februar 1980 Frankreich/Bayeux: Zwei vermummte Männer stoppen elf Kilometer vor Bayeux eine LKW-Kolonne, die abgebrannte Brennelemente von Chinon nach La Hague bringen soll, mitten in der Nacht leuchtet den Männern des Strahlenkonvois ein rotes Licht entgegen, als sie vor der vermeintlichen Ampel anhalten, springen zwei schwarze Gestalten auf die Fahrzeuge, zerschneiden die Bremsleitungen und malen riesige Anti-Atomkraft-Parolen auf die Stahlcontainer mit dem Strahlenzeug.
Februar 1980/USA: Am 4. Februar 1980 beschloss der Stadtrat der 60 000 Einwohner starke Gemeinde Missoula im mittelwestlichen US-Bundesstaat Montana, nationale Politik zu machen. Mit sieben gegen eine Stimme entschieden sich die Gemeindeväter, den durch ihr Gebiet führenden Highway Nummer 90 für alle Transporte radioaktiven Materials zu sperren. Acht der schweren fünfachsigen Sattelschlepper mit Atomabfällen waren in den letzten beiden Jahren in Stadtnähe verunglückt. „Wir meinen, dass allein unsere Unkenntnis über Art und Häufigkeit der Transporte und der totale Mangel vernünftiger Regeln unsere Maßnahme rechtfertigt“, schrieb Ratsherr Bill Boggs in das Protokoll der Ratssitzung.
Zweifel an der Sicherheit nuklearer Transporte und Verärgerung über die Ratlosigkeit und Untätigkeit der Behörden haben inzwischen etwa 50 US-Gemeinden zu wütenden Erklärungen veranlasst. Weil sie nicht wissen, wann sie mit Atommüllfuhren zu rechnen haben, wie radioaktiv die zu transportierenden Container sind und wie gefährlich ein ganz gewöhnlicher Autounfall der Lastwagen für sie werden kann, wollen die Lokalpolitiker vieler Städte und Landkreise künftig jedweden Transport radioaktiven Materials über ihr Gelände schlicht verbieten.
Rechtliche Aussichten haben solche Aktionen kaum. Washington wird – erst rund 30 Jahre nachdem die ersten mit Atommüll beladenen Trucks über transkontinentale Highways und lokale Hauptstraßen donnerten — vermutlich noch in diesem Jahr eine einheitliche, eindeutige Regelung für den Transport radioaktiven Materials vorlegen, die kommunale Extravaganzen dann verbindlich ausschließt. Einstweilen gilt ein kaum durchschaubares, technisch kompliziertes und administrativ unwirksames Geflecht von Einzelvorschriften. Kleinstaaterei und bürokratisches Flickwerk haben dafür gesorgt, dass im hochentwickelten Amerika nicht einmal ein schlüssiges Konzept für den Transport und die Lagerung schwachradioaktiven Materials zustande kam.
September 1981: CRILAN, ein Anti AKW Zusammenschluss in der französischen Region Basse – Normandie und die örtliche französische Gewerkschaft CFDT haben im Bahnhof von Mézidon, vor Caen den ersten Castor Zug überhaupt blockiert. Dieser kam aus dem AKW Biblis. Er ist der einzige Castor Zug, der dahin zurückgekehrt ist, wo er herkam.
05.01.1983 Frankreich/La Hague/Cherbourg: Protestaktionen gegen eine neue Lieferung von japanischem Atommüll zusammen mit Greenpeace. Kranbesetzung, das Greenpeaceschiff Sirus wurde mit Tränengas bombardiert und von Marinebooten eingekeilt, die Funkgeräte beschlagnahmt. Die Solidaritätsaktion in Dänemark, eine Sitzblockade vor der französischen Botschaft, wurde nach 15 Minuten durch eine 75 Mann starke Antiterroreinheit der Polizei brutal beiseite geräumt. Eine Besetzungsaktion des Glockenturms des Rathauses im britischen Ausweichhafen für Cherbourg, Barrow, verlief erfolgreich.
Belgien: Das Frachtschiff „Mont Louis“ sank am 25.08.1984 im Ärmelkanal vor der belgischen Küste nach dem Zusammenstoß mit der Fähre „Olau Britannia“. Die „Mont Louis“ war unterwegs von Frankreich nach Riga. An Bord waren in 30 zylindrische Stahlbehälter (Typ 48Y) mit einem Fassungsvermögen von 12,5 t pro Stück, insgesamt rund 375 Tonnen französischen Uranhexafluorid (UF6) Auf Grund eines geheimen Vertrages aus dem Jahr 1973 sollten sie in der Sowjetunion in Sibirien angereichert werden. Die europäischen westlichen Länder hatten den geheimen Vertrag, der in der Öffentlichkeit nicht bekannt war, abgeschlossen um das Urananreicherungsmonopol der USA zu brechen. Ohne den Untergang des Frachtschiffes wäre dieser Vertrag nie bekannt geworden. Da Uranhexafluorid mit Wasser tödlich reagiert, wurde befürchtet, dass einige, der auf Unterdruck gehaltenen, Behälter lecken könnten. Nachdem Greenpeace an einem Strand in Belgien einen Behälter entdeckte, wurden alle Strände in Belgien gesperrt und von der Polizei bewacht. In Belgien gab es eine Demonstration am 20.10.1984. Rettet die Nordsee mit Protestfahrt auf dem Meer und eine weitere Demo in Liege am 10.11.1984. Motto: „Für den Stopp des Atomprogramms“. Glücklicherweise wurde nach einer sechs Wochen andauernden sehr schwierigen Bergung der letzte der Uranhexafluorid Behälter unversehrt geborgen.
27.08.1985 USA/North-Dakota: An einem Bahnübergang krachte ein Zug in einen mit 53 Fässern Urankonzentrat bepackten LKW. Die Urantonnen platzten. Zwanzig Tonnen Yellow Cake verteilen sich auf einer etwa 360 Quadratkilometer großen Fläche. Bis zum sechsten September dauert es, bis Strahlenschützer mit Staubsaugern die 160 Quadratmeilen kontaminiertes Land „entstrahlt“ und Güterwaggons und -lokomotive mit Sandstrahlgebläse gereinigt haben.
1988 USA / US Staat Idaho: Der seit 1986 gewählte US Gouverneur Andrus, früher Innenminister unter US Präsident Carter, schließt die Grenzen des Bundesstaates für Atomtransporte, nachdem der Plan der US-Regierung zur Endlagerung von Atommüll zum angegebenen Termin nicht umgesetzt wurde. Dem Department of Energy teilt er mit, dass jedem in Idaho ankommendem Atomtransport zum Zwischenlager der Idaho National Engineering Laboratory (INEL) an den Absender zurückgeschickt würde. Die damals zuständige Energieministerin Dixie Lee Ray unter US Präsident Ronald Reagan in Washington soll getobt haben. Was denn dem kahlköpfigen Gouverneur eines kleinen US-Staates einfallen würde. Auf dem 2.300 Quadratkilometer großen Gelände der INEL sind hochradioaktiver Atommüll, Transuranabfälle und hochradioaktiver Flüssigmüll in 2012 etwa 50 Jahre alten Tanks gelagert. Eine Zeitbombe! Andrus ließ an den US – Landesgrenzen des Staates Idaho Polizei aufmarschieren und setzte die Nationalgarde in Alarmbereitschaft. Außerdem wurde ein M-60 Panzer startklar gehalten. Am nächsten Morgen brachte die New York Times einen Bericht, dass ein Atommüllzug in Blackfoot, Idaho gestoppt wurde. Daneben ein Foto von einem State Trooper auf den Eisenbahnschienen, der die Arme vor der Brust verschränkt hatte. „Ein perfektes Bild“, erinnert sich Andrus. „Dieser Polizist hatte ein Bizeps wie ich Oberschenkel“. Damit war das Thema Atomtransporte in den USA zum ersten Mal, bundesweit in der Presse. In dem Artikel war dann die Rede von einem hartschädeligen Kahlkopf von Gouverneur im fernen Idaho. Andrus wurde mehrfach wiedergewählt. Am Ende der vierten Amtszeit trat er nicht mehr zur Wiederwahl an, die Menschen in Idaho betrachten das als großen Verlust. Der 1994 neugewählte Gouverneur hatte die Atomtransporte sofort wieder zugelassen.
19.05.1989 England/Ost-London: In Statford entgleist ein Güterzug, der abgebrannte Brennelemente für die WAA Sellafield geladen hatte.
November 1992 Frankreich/Asien/Japan: Mit 1,7 t verglastem Plutonium lief der Atommüllfrachter Akatsuki Maru von Cherbourg unter starken Protest durch Tausende von Anti-AKW-GegnerInnen aus dem Hafen in Frankreich. Die Proteste hielten an, als das Schiff am Kap der Guten Hoffnung vorbei durch den Indischen Ozean fuhr, Südaustralien passierte und dann Kurs zwischen den südpazifischen Inseln nach Norden nahm. Bei seiner Ankunft in Japan wurde der Atomfrachter „Akatsuki Maru von weiteren Protesten empfangen. 16 Hubschrauber und 69 Boote mussten den Frachter mit seinem strahlenden Atommüll in den Hafen geleiten. Kosten des Transports für die japanische Regierung rund 6,3 Milliarden Yen.
1995 Russland/Nordmeer: Die Finanzmisere der Nordmeerflotte und eine ungewisse Zukunft sind Ursachen dafür, dass es immer wieder zu Streiks und Zwischenfällen kommt. Im September 1995 unterbrach die Energiegesellschaft Kolenergo die Energieversorgung des Marinestützpunktes Gadzhievo, nachdem monatelang der Strom nicht bezahlt worden war. Auf vier Atom-U-Booten fielen die Kühlsysteme aus und ein atomares Inferno konnte nur verhindert werden, weil der Strom nach 40 Minuten wieder floss, nachdem der Befehlshaber der Nordmeerflotte bewaffnete Soldaten mit der Kalaschnikow in die Energiestation geschickt hatte. Die Bedienungsmannschaft wurde mit vorgehaltenen Waffen gezwungen, die Stromversorgung sofort wieder einzuschalten.
1995 USA/Indianerreservation Fort Hall: Ein Zug der Pacific Union war mit Atommüll durch die Indianerreservation zum Atommüllzwischenlager INEL unterwegs. Der Lok-Führer sah plötzlich eine Reihe von roten Signallichtern zu beiden Seiten der Strecke. Er verlangsamte das Tempo. In der Ferne stand ein Wagen der Stammespolizei quer über den Schienen gestellt, es wimmelte von Polizisten und Stammesführern der Shoshone-Bannrock. Der Atomzug stoppte! Polizei stieg auf, die Indianer waren von Mc Kays Netzwerk des Knolls Action Project in Albany / Colorado(?) informiert worden, das Atomtransporte über mehrere US-Bundesstaaten beobachtet. Das Netzwerk organisiert Demos und Aktionen dagegen, gemeinsam mit anderen Gruppen. Der Zug wurde für sechs Stunden gestoppt und dann von der Stammespolizei aus dem Gebiet der Reservation eskortiert. Damals waren Verhandlungen mit Regierungsstellen im Gange um zu einer neuen Regelung von Atomtransporte durch das Stammesgebiet zu kommen. Ein Ergebnis ist nicht bekannt.
04.02.1997 Frankreich/Apach: Ein Castortransport vom AKW Emsland nach Sellafield entgleiste bei rund 28 km/h. Erstmals ist Bahntransport mit deutschem Atommüll verunglückt. Die Lok und drei der vier Waggons gerieten ins Gleisbett und wühlten den Schotter auf. In einigen deutschen Städten kommt es zu kleinen Spontan-Demos, und in den sonst so betulichen ARD-Tagesthemen reimt der Kommentator: „Macht die verdammten Meiler dicht / bevor der Castor wirklich bricht!“
19.02.1997 BRD/Frankfurt am Main: Mitten im Stadtteil Sachsenhausen kurz hinter dem Südbahnhof Richtung Innenstadt kollidieren zwei Güterzüge, davon ein Zug mit 21 Kesselwaggons mit Benzin und Gefahrengüter. Vier Waggons entgleisen, einer davon fängt Feuer. Ein zweiter Benzinwaggon muss mit Wasser gekühlt werden damit er nicht auch in Brand gerät. Er drohte zu explodieren. Die Unterführung und der Bahnhof wurden unter Wasser gesetzt. Ohne das Feuerwehrflussboot hätte das notwendige Wasser aus dem Main nicht zur Brandstelle heran geführt werden können. Rund 300 Menschen mussten wegen der Explosionsgefahr evakuiert werden. Es ist der schnellen und richtigen Reaktion der Berufsfeuerwehr von Frankfurt zu verdanken, das der Brand sich nicht dramatisch ausweitet hat.
26.02.1997 BRD/Frankfurt am Main: Alle Gefahrguttransporte werden bis auf weiteres um Frankfurt herumgeleitet. Auch der geplante Castortransport vom AKW Grafenrheinfeld wird nicht durch die Stadt rollen. Das hat die Bahn AG der Stadt zugesichert nach der Beinahe-Katastrophe durch die Kollision zweier Güterzüge vor einiger Zeit. Die Oberbürgermeisterin Roth hatte ein sehr ernsthaftes Gespräch mit Bahn geführt. Der Blätterwald in der Region hatte tagelang kräftig geraschelt. Bei dem Großbrand wurden 1.000 Grad gemessen.
20.04.1997 Tschechien: Zwei vor einem halben Jahr verschwundene Brennelemente aus einer US-amerikanischen Atomfabrik im US Staat Columbias sind als Übungsmaterial nach Tschechien geliefert worden. Sprecher des Atomkraftwerkes Temelin, teilten mit, man habe das radioaktive Material unter rund 300 Brennstabattrappen gefunden. (FR, 21.4.1997)
29.07.1997 BRD/Bayern/Unterfranken/Grafenrheinfeld: Castortransport nach La Hague zur WAA über Schweinfurt, Aschaffenburg und Frankfurt/M Südbahnhof um 16.11 Uhr. An diesem „normalen“ Güterzug waren auch andere Gefahrgutwaggons mit brennbarer und sogar explosiver Ladung angehängt, so die BA-BI aus Schweinfurt. Greenpeace Frankfurt fotografiert den Zug im Frankfurter Südbahnhof. Es folgte das Sommerlochthema in Frankfurt mit großem Presseecho.
27.08.1997 BRD/Frankfurt am Main: Die Bundesbahn entscheidet, nach einem Gespräch mit dem Magistrat der Stadt, keine weiteren Castortransporte mehr durch Frankfurter Wohngebiete geführt werden, vorher gab es eine Zusicherung bis zu den Gesprächen keine Transporte durch das Stadtgebiet zu führen. Die Oberbürgermeisterin Roth hat noch mal mit der Bundesbahn verhandelt. Kein Castortransport hat die Stadt danach mehr durchquert.
05.11.1997 BRD/Trier/Bengel: Atomkraftgegner/Innen haben in der Nacht zum 5. rund 20 km vor Trier in Bengel um 5.00 Uhr einen Castortransport aus dem AKW Krümmel gestoppt. Die Gleise wurden blockiert, 21 Männer und Frauen festgenommen. Einige AKW-Gegner/Innen flüchteten unerkannt in den Wald. Ein 1.700 Tonnen schwerer Zug hatte fünf Waggons mit Brennelementen geladen, die nach Frankreich zur WAA in La Hague gebracht werden sollen. Im Raum Trier wurden weitere rund 30 AKW-Gegner/Innen festgenommen, sie trugen Transparente und Schilder gegen Castortransporte mit sich. Es gab erhebliche Verspätungen auf Moselstrecke im Berufsverkehr, da der Castorzug nicht aus eigener Kraft wieder anfahren konnte, musste die DB eine zweite Lok heranführen, das dauerte. Er wurde an einer leichten Steigung der Strecke gestoppt. Der Atommüllzug konnte erst nach 8.00 Uhr weiterfahren. Weitere Aktionen gab es in Bremen, Buchholz (25), Eichenberg (600), Göttingen (200), Köln (50), Minden (50), Münster, Rotenburg und Osnabrück. (dpa und Nix mehr! Wir sind unberechenbar!, http://193.174.46.93/mac/gast/liga/kuemmel/NiX mehrkruemmel.html, 22.11.1997)
19.03.1998 BRD/Kirchheim/Neckar: CASTOR-ARLARM! Im Laufe des Tages wächst die Blockade vor dem Tor II des Atomkraftwerkes Neckarwestheim auf rund 500 Menschen an. Gegen 16 Uhr wird keiner mehr über die Brücke gelassen. Bald hören wir am Infobus einen schweren Transporthubschrauber des BGS. Der Castorzug aus Gundremmingen ist in Walheim angekommen. Zwei Castorgegner lagen in einem Tunnel unter der Straße nach Walheim und hatten sich dort angekettet. Die Blockade vor Tor II wird von der Polizei teilweise brutal geräumt. Der Castortransport verzögert sich um rund vier Stunden. Der BGS und die Polizei hatten rund 6.000 Beamt/Innen im Einsatz. Rund 70 Castorgegner/Innen wurden in Gewahrsam genommen, davon sechs festgenommen. Zwei Atomkraftgegner/Innen werden von Schnellgerichten noch in der Nacht verurteilt, drei Zeugen im Gerichtsaal festgenommen und wegen Meineid angeklagt. Auf rund 7,5 Millionen DM Kosten wird der Einsatz der Polizei in Baden-Württemberg geschätzt.
20.03.1998 BRD/Kirchheim/Neckar/Ahaus: Gegen drei Uhr morgens fährt der 500 m lange Castorzug mit 60 t Brennelementen los und wird zweimal gestoppt, er fährt die Strecke Würzburg, Fulda, Kassel, Paderborn nach Ahaus, am Hbf. in Kassel gab es eine Kundgebung mit rund 100 Atomkraftgegner/Innen, Demo in Paderborn mit mehreren hundert Menschen an der Strecke, in Soest verhindert die Polizei eine Gruppe von Menschen an eine Schienenblockade, kurz vor Dülmen haben sich mehrere Atomkraftgegner/Innen an den Schienen fest gekettet, rund 7.000 Castorgegner/Innen sind in Ahaus versammelt, es kommt zu Wasserwerfereinsatz und Knüppeleinsätzen von Berliner Polizeieinheiten, die Polizei hatte bundesweit 30.000 Polizist/Innen im Einsatz, rund um Ahaus werden 575 in Gewahrsam genommen und erfolgen 53 vorläufige Festnahmen, viele Verletze, gegen 20.55 Uhr fährt der Castorzug in das atomare Zwischenlager ein, in Hessen hat der Castorzug bei seiner Durchfahrt 8 Millionen DM gekostet, Kosten für NRW rund 40 Millionen.
06.04.1998 England/Sellafield: 25 Castorgegner/Innen blockieren vor der WAA die Eisenbahnschienen und stoppen den Castortransport aus dem AKW in Lingen um mehrere Stunden. 18 Menschen wurden vorübergehend festgenommen, ein Video der Aktion beschlagnahmt. „Wir wollen zeigen, dass die Nutzung der Atomenergie und das ungelöste Entsorgungsproblem internationale Themen sind. Unser Widerstand muss wachsen“ so Dasy Parker aus England. (TAZ, 11.4.1998)
24.04.1998 Frankreich: In einem ARD-Fernsehinterview konfrontiert Mycle Schneider von WISE, Paris, ein atomkritischer Informationsdienst, den Chef von DSIN, die französische Sicherheitsbehörden für Atomanlagen, Andre-Claude Lacoste mit Informationen über die „Hot Spots“ an Castortransporten nach La Hague auch aus der Schweiz und Deutschland zur Wiederaufbereitungsanlage und löste damit hektische Aktivitäten der Behörden links und rechts des Rheins aus. (Stern, Nr. 23, 28.5.1998) Kommentar: Das wird zum Auslöser des größten Atomskandals in der BRD seit dem Hanauer Transnuklear – Skandals 1987 /1988. Verbot von allen Castortransporte im Mai 1998 bis zur Klärung der hohen Strahlenwerte. Erst 2001 können Castortransporte wieder durchgeführt werden.
15./16.05.2002 BRD/Frankreich: Castortransporte aus den Atomkraftwerken Brokdorf, Krümmel, Brokdorf, Ohu (Isar 2) und Neckarwestheim wurden durchgeführt, bei Wilster ketten sich vierzehn AtomkraftgegnerInnen im Gleisbett fest. Im Süden wird auch der Ohu Castor mit Kundgebungen in Ansbach und Wickleskreuth bedacht. In Stein bei Nürnberg gelingt es mit sechs Menschen auf die Gleise zukommen, der Castor musste stoppen. Auch in Frankreich in Hönheim stoppen zwanzig AtomkraftgegnerInnen für zwanzig Minuten. In Somain und Dünkirchen wird der Atomzug vier Stunden aufgehalten. Insgesamt wurde der Castorzug fünf Mal blockiert, etwa rund 10 Stunden.
17.06.2002 Frankreich/Lauterbourg: Castortransport aus Mühlheim – Kärlich wurde gestoppt. AnwohnerInnen klatschten Beifall. ( Akte niX. Anti Atom – Info, 28.8.2002)
08.06.2004 USA: Ein Sattelschlepper auf der Autobahn I-80 in Tooele County, Utah, USA überschlug sich. Der Transport enthielt einen See-Container mit 12 neuen Brennelementen auf dem Weg von Oakland, California zur Ostküste für den Seetransport nach Japan. Die beiden Fahrer wurden verletzt, die Ladung blieb aber anscheinend unbeschädigt.
05.10.2004 Frankreich/Nahe Paris: Ein LKW mit 4,5 Tonnen angereichertem Uran aus Lingen (Emsland) wird auf dem Weg zum AKW Blayais in einen Auffahrunfall verwickelt.
13.08.2008 BRD/Frankreich/Trier/Apach: Vor einer Woche wurde, wie erst jetzt bekannt geworden ist, ein Uran- Transport von Australien über Hamburg im französisch-deutschen Grenzort Apach vom französischen Zoll gestoppt, weil er völlig überladen war. Statt des höchstzulässigen Gewichts von 61 Tonnen wog der Eisenbahnwaggon, in dem radioaktives Material aus Australien lagerte, 68 Tonnen. Der Waggon war auf dem Weg in eine Aufbereitungsanlage im französischen Narbonne.
02.08.2009 USA: Es überschlug sich auf der Autobahn I-64 bei Sandstone, West Virignia, USA ein Sattelschlepper, der einen Behälter 48Y, ein zylindrische Stahlbehälter mit Unterdruck, mit Uranhexafluorid (UF6), geladen hatte, und fing Feuer. Der Behälter fiel bei dem Unfall „zum Glück“ von der Ladefläche und war von dem Feuer nicht betroffen. Am Behälter entstand nur leichter äußerlicher Schaden. Der Fahrer des Sattelschleppers sowie der Fahrer eines ebenfalls am Unfall beteiligten Geländewagens wurden ins Krankenhaus gebracht. Der Transport war unterwegs von der Konversionsanlage in Metropolis, Illinois, zum Hafen von Portsmouth, Virginia, von wo der Behälter zu Urencos Anreicherungsanlage in Almelo in den Niederlanden verschifft werden sollte.
08.03.2010 BRD: Die Bremer Polizei stoppte einen Lastwagen mit einem UF6-Transport, da das Gestell, auf dem der UF6-Behälter transportiert wurde, teilweise durchgerostet war. Der Behälter war auf dem Seeweg von den USA nach Hamburg gekommen, und sollte von dort zur Anreicherungsanlage Gronau gebracht werden.
28.03.2010 BRD/Hamburg/Nordsee/Atlantik/USA: Abfahrt der „Atlantic Compass“ nach Baltimore, Maryland, USA. mit 12320 kg angereichertes Uran in 8 Behältern vom Typ 30B, Fassungsvermögen von nur 2,277 t, die von Urencos Anreicherungsanlage in Gronau kamen und zur Westinghouse Brennelementefabrik in Columbia, South Carolina, USA, transportiert worden sind. Der Typ 30B, der kleinere Behältertyp wird gewählt, damit bei angereichertem Uran keine unkontrollierte Kettenreaktionen entstehen können (sog. Kritikalität), wenn zuviel Uran an einem Ort zusammengebracht wird.
27.07.2010 Malawi: Ein Lastwagen mit Yellow Cake von der Uranmine Kayelekera hatte einen schweren Unfall. Zwei Menschen wurden getötet. Die Uranfirma Paladin reagiert ebenso wenig wie die Regierung in Malawi. Atomarer Alltag in Afrika.
08.06.2011 BRD/Hamburg: Protestaktion im Hamburger Hafen gegen Atomtransporte und für die sofortige Entwidmung des Hamburger Hafens für Atomtransporte. Der Atomtransport kam aus Russland über den Hafen von Hamburg: Dabei wurde in die Brennelementfabrik der Advanced Nuclear Fuels GmbH (ANF) in Lingen angereichertes Urandioxid (UO2) befördert. – Im Hamburger Hafen wurde morgens auf der Elbe von einer Gruppe Anti-Atom-AktivistInnen mit einer Barkasseneskorte und darauf befindlichen Transparenten u.a. gegen den Atomtransport mit dem russischen Frachter ‚Kholmogory‘ protestiert und die sofortige Entwidmung des Hamburger Hafens für Atomtransporte gefordert. – Erstmals gelang es daraufhin AtomkraftgegnerInnen direkt am Tor der Brennelementfabrik der AREVA NP in Lingen die Ankunft des Urandioxids zu beobachten und zu dokumentieren.
23.01.2012 BRD/Hamburg: Ein neuer Atomtransport aus Russland wurde heute über den Hafen von Hamburg durchgeführt. Dabei wurde Uranerzkonzentrat (U3O8) befördert. – Zuvor erfolgte am 21.01.2012 ein Atomtransport von nicht angereichertem Uranhexafluorid (UF6) aus Kanada in den Hamburger Hafen. – Mit einer Mahnwache hatte eine Gruppe von Anti-Atom-AktivistInnen am 23.01.12 ab 06:15 Uhr (MEZ) an der Ausfahrt des HHLA Container Terminal Burchardkai (Waltershofer Damm) in Hamburg u.a. gegen den Atomtransport mit dem russischen Frachter ‚Kapitan Yakovlev‘ protestiert und die sofortige Entwidmung des Hamburger Hafens für Atomtransporte gefordert. – Mit einem Transparent wurde die Forderung deutlich gemacht: „Keine Atomtransporte durch Hamburg und anderswo“.
11.09.2012 USA/US-Staat Texas: Radioaktiver Stab in der Wüste verloren. Irgendwo in der texanischen Wüste liegt ein radioaktiver Metallstab. Die US-Nationalgarde sucht danach. Der Konzern Halliburton hat eine Belohnung für das knapp 18 Zentimeter lange Objekt ausgelobt. Die rund 130 Kilometer lange Strecke zwischen Pecos und Odessa wurde dreimal mit Strahlungsdetektoren abgesucht, der Metallstab blieb verschwunden. Der verschwundene Stab enthält mit Beryllium verpresstes radioaktives Americium (Am-241), das als Abfallprodukt in Atomkraftwerken anfällt. Die Berührung des Objekts kann dauerhafte Gesundheitsschäden verursachen“, teilt die US-Atombehörde NRC mit. Am-241 sei eine sogenannte „Kategorie-3-Quelle, die man mehrere Stunden in der Hand halten muss, bevor sich eine schädliche Wirkung einstellt“, erläutert die NRC. (TAZ, 18.09.2012)
24.09.2012 BRD/Nordenham: Drei Polizeischiffe hatten die “Atlantic Osprey” an der Grenze der deutschen Hoheitsgewässer, etwa 20 Meilen nördlich von Spiekeroog, empfangen und befanden sich seit 11.00 Uhr auf dem Weg Richtung Nordenham. Zwar ist auf dem “AIS- System” das MOX-Schiff nicht zu erkennen, denn das Sicherheitssystem, der auf See vor Zusammenstößen schützen soll und zur Identifikation dient, war seit der Abfahrt in England am 19.09. abgeschaltet. Aber die zahlreichen Begleitboote der Polizei machten ein Aufspüren auf hoher See einfach. Atomkraftgegner riefen zum Protest auf: schon am Samstag verharrten sie mit Mahnwachen am Anleger in Nordenham und vor dem AKW Grohnde. Padelaktion gegen die MOX- Brennelementen. Der geheime Plutonium-Frachter hat unter dem Schutz einer ganzen Armada von Polizei sein erstes Etappenziel, den Hafen Nordenham, erreicht.
Etwa 200 Atomkraftgegner waren auf der Weser “protestpaddeln”, am Ufer demonstrieren und versperrten die Ausfahrt der LKW mit einer Sitzblockade. Vor dem AKW Grohnde haben sich Aktivisten angekettet und in den Weg gesetzt. Mit einem massiven Polizeieinsatz, rund 1.300 waren das Wochenende über im Einsatz, wurde der Atomtransport von acht Mischoxidbrennelementen durchgesetzt. Gegen 1:00 Uhr am Montag erreichten zwei LKW das AKW Grohnde.
Bewertung: Dieser erste von zwei angekündigten Atomtransporten aus Sellafield war von vielfältigen Protesten und Blockaden im Hafenbereich von Nordenham und entlang der Strecke von Nordenham ins Weserbergland begleitet. Die Dauermahnwache am Zielort erhielt auch viel Sympathie und Unterstützung von Einwohnern aus Emmerthal und Grohnde.
Bürgerinitiativen fordern Plutonium durch Verglasung militärisch unbrauchbar und lagerfähig zu machen. Die Atomkraftgegner sind sich einig, dass der Widerstand gegen den nächsten geplanten Transport im November weiter geht. Soweit das Resümee zum 1. MOX-Transport, bei dem die beiden LKW nur über einen Feldweg zum AKW Grohnde gelangen konnten, da die eigentliche Zufahrtsstraße zum AKW durch ein 3-Meter hohes Dreibein mit der Kletterin Cecile Leconte alias “Das Eichhörnchen” und eine Sitzblockade von 50 Menschen blockiert worden war. An dem Dreibein war das Kinderkrankenbett festgemacht, mit dem die Anti-Atom-Initiative Göttingen in der Tschernobylwoche im April mit einer Tour auf die erhöhten Kinderkrebszahlen rund um Atomkraftwerke aufmerksam gemacht hatte. An dem Kinderkrankenbett waren vier Aktivisten angekettet. Beim 2. Transport im November wird mit mehr Widerstand zu rechnen sein. (contratom, 24.09.2012)
25.09.2012 BRD/Bremerhaven: Jetzt sitzt die Europäische Union (EU) der Landesregierung Bremen wegen des Umschlagverbots von Kernbrennstoffen im Nacken. Und schon hört sich das fürchterliche Atomtransportszenario, mit dem das Verbot einst begründet wurde, nicht mehr ganz so dramatisch an: Der Umschlag von Kernbrennstoffen sei von untergeordneter Bedeutung, und eigentlich fänden so gut wie keine Transporte statt. (Nordwestzeitung)
25.09.2012 Russland: Der Arktischen See droht, wie erst jetzt bekannt wurde, eine Atomkatastrophe. Ein defekter Atomreaktor eines 1981 heimlich versenkten U-Boots könnte bald durch das Eindringen von Meerwasser außer Kontrolle geraten. Das berichtet Report Mainz. Das sowjetische Atom-U-Boot K-27 liegt in 33 Meter Tiefe auf dem Grund der Kara See, in der Bucht von Stepovoy, östlich von Nova Zemlia. Die russische Nordmeerflotte hatte es nach einem Störfall, bei dem neun Seeleute tödlich verstrahlt wurden, damals heimlich und unter Bruch des Völkerrechts versenkt. Nach Angaben des Staatlichen Russischen Instituts für Strahlenschutz (IBRAE) entweichen seit 1981 jährlich 851 Millionen Becquerel Radioaktivität aus dem 110 Meter langen Boot. Nach Recherchen von Report Mainz erwarten Beamte des Russischen Umweltministeriums nicht kontrollierbare Kettenreaktionen an Bord der K-27. Was das bedeutet, erklärt Wolfgang Renneberg, der bis Ende 2009 die Abteilung Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium leitete: „Die Brennstäbe werden möglicherweise zerstört. Es werden größere Löcher in die Bootshaut gerissen. Das heißt: Das radioaktive Material, was im Kern ist, kann im schlimmsten Fall vollständig und zwar sehr kurzfristig freigesetzt werden. Das ist eine Katastrophe.“ Report Mainz beruft sich auf eine interne Vorlage des Russischen Umweltministeriums für den Kreml. Das 152 seitige Dokument wurde im Sommer 2011 als Entwurf für einen Staatsratsbericht verfasst und liegt Report Mainz exklusiv vor. Dem Dokument zufolge müsse die K-27 „bis spätestens 2014“ gehoben werden. Die Beamten warnen: Im Reaktor der K-27 bestehe eine „hohe Wahrscheinlichkeit einer unkontrollierten Kettenreaktion wegen hochangereichertem Kernbrennstoff“. Auch die K-159, ein in der Barentssee im Jahr 2003 versunkenes sowjetisches Atom-U-Boot, muss dem Dokument zufolge spätestens bis 2014 gehoben werden. Andernfalls, so das Papier, bestehe die „Gefahr einer Umweltkatastrophe durch fehlende Schutzbarrieren.“ Offiziellen russischen Angaben zufolge enthält dieses Atom-U-Boot 6,6 Billiarden Bequerel Radioaktivität. Zum Vergleich: Der gesamte, im Schacht Asse eingelagerte Atommüll enthält nach Angaben des Öko-Instituts Darmstadt 3,7 Billiarden Becquerel. (Report Mainz)
Dieter Kaufmann, Arbeitskreis gegen Atomanlagen Frankfurt am Main