Endlagersuche: Schwarz/gelb will Gorleben im Alleingang durchsetzen
Nach dem Scheitern der Verhandlungen um ein „Endlagersuchgesetz“ kündigt Schwarz/Gelb nun an, auch ohne die Oppositionsparteien ein Gesetz verabschieden zu wollen. Dabei bleibt Gorleben im Rennen. Atomkraftgegner befürchten, es bleibt allein bei dem Standort – und fordern den sofortigen Stopp der Arbeiten.
Ein neuer Entwurf für das geplante „Endlagersuchgesetz“ solle den Bundestagsfraktionen und den Bundesländern in den nächsten Tagen zugeleitet werden, hieß es laut dpa am Montag aus dem Umweltministerium. Ziel sei eine Einigung noch vor der Landtagswahl in Niedersachsen, die am 20. Januar stattfindet.
- Der seit 35 Jahren im Fokus stehende Salzstock Gorleben soll im Rennen bleiben, könne aber in jedem Verfahrensschritt rausfallen, hieß es.
- Umstritten ist, welche Rolle das Bundesamt für Strahlenschutz bei der neuen Suche spielen soll.
Niedersachsens Umweltminister Stefan Birkner (FDP) kündigte am Montag in Hannover an, dass ein Gesetzentwurf mit der Mehrheit der schwarz-gelben Koalition und dessen zügige Verabschiedung der einzig gangbare Weg sei. SPD und Grüne blieben aber eingeladen sich zu beteiligen, sagte Birkner.
„Nun will Schwarz/Gelb Gorleben offenbar doch im Alleingang durchsetzen“, attestiert Jan Becker von contrAtom. „Und die Ankündigung, dass der Standort ‚jederzeit‘ aus dem Verfahren fallen könne, ist falsches Spiel – wenn die auf Gorleben zugeschnittenen Sicherheitskriterien weiter Grundlage für alle Untersuchungen bleiben. Wir fordern den sofortigen Stopp der Arbeiten im wendländischen Salzstock. Gorleben muss endlich und definitv vom Tisch! Doch das wird am Ende nur der Druck der Straße durchsetzen.“
Atomkraftgegner kritisieren, dass schon der Titel faul ist: Das sogenannte Endlagersuchgesetz ist gar keins, es ist ein “Standortsuchgesetz”. Der genaue Titel lautet nämlich “Entwurf eines Artikelgesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle und zur Änderung anderer Gesetze vom XX.XX.2012″.
Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg hat weitere Kritikpunkte zusammengestellt:
- Das Gesetz soll verabschiedet werden, bevor die wesentlichen Fragen zur Endlagerung (Rückholbarkeit, Bergbarkeit, Behälter- oder Behälterlose Lagerung, geologische Mehrfachbarrieren, usw.) überhaupt öffentlich diskutiert und beantwortet sind. Das Gesetz soll also eine Suche regeln, von der man noch gar nicht weiß, wonach überhaupt gesucht wird.
- In der Präambel gibt das Gesetz zwar vor, den “bestmöglichen” Standort zu suchen, im Paragraphen zur Standortentscheidung kommt diese Formulierung jedoch einfach nicht mehr vor.
- Auf das jeweilige Atomrecht wird nicht mehr Bezug genommen.
- Bisherige Grundlage einer Suche sollen die “Sicherheitsanforderungen” von 2010 sein. Diese sind jedoch überhaupt nicht in Geltung und darüber hinaus über Jahre sukzessive an die in Gorleben vorgefundenen schlechten geologischen Verhältnisse angepasst worden.
- Die letzliche Entscheidung wird auf den deutschen Bundestag übertragen. Diesem lägen als Entscheidungsgrundlage aber nur die Fakten eines neuen “Endlagerinstitutes” vor. Weder diese Entscheidungsgrundlagen, noch der Bundestagsentscheid wären damit verwaltungsrechtlich überprüfbar (ob sorgfältig, richtig, unter Abwägung aller Fakten und nach Stand von Wissenschaft und Technik entschieden wurde).
- Es bliebe nur die Verfassungsklage, mit wenig Aussicht auf Erfolg und ohne die Überprüfung des Verfahrens, auf die es ja letztlich ankommt.
- Realistisch betrachtet käme ein Endlager somit nicht dorthin, wo es am sichersten wäre, sondern dorthin, wo sich die wenigsten Wählerstimmen finden.
- Bei der Standortentscheidung sind “private und öffentliche Interessen” zu berücksichtigen. Eigentlich eine ganz normale und gesetzlich vorgeschriebene Formulierung, in diesem Fall bedeuten diese Interessen jedoch die von den Atomkonzernen und dem Staat in Gorleben (oder später einem anderen Standort) bereits geschaffenen Fakten und investierten Milliarden.
- Dem bzw. der “gewöhnlichen” Bundestagsabgeordneten, die über dieses Gesetz demnächst zu entscheiden haben, sind wenig bis gar keine dieser Hintergrundfakten bekannt.
- Bei der Schaffung eines neuen Bundesinstituts geht es weniger um strukturelle Überlegungen, als vielmehr darum, bestimmte Personen aus dem Spiel zu halten und gegen andere auszutauschen.
- An der Zuständigkeit bestimmter Institutionen, die für das Desaster der Asse mit verantwortlich sind und immer auch auf Gorleben gesetzt haben, wird durch das Gesetz nichts geändert.
- Die Zuständigkeit der Länder, bzw. des Landes, in dem ein Endlager errichtet werden soll, als Genehmigungsbehörde wird kurzerhand auf den Bund übertragen. Somit kann auch auf dieser Ebene eine Überprüfung der Sorgfalt und Richtigkeit des Verfahrens nicht mehr erfolgen.
- Das vorläufige Scheitern der Endlager-Gespräche ist auch eine Chance
9. Oktober 2012 – Der Erwartungsdruck war gewaltig: Innerhalb weniger Monate sollte der jahrzehntelange Streit über ein Atommüllendlager in Deutschland beigelegt werden – mit einer Lösung, die dauerhaft von allen Beteiligten akzeptiert wird. Nun sind die Gespräche vorerst gescheitert, und die Enttäuschung ist groß. Ein Kommentar von Malte Kreutzfeldt in der “tageszeitung”.
- Endlager-Verhandlungen vor dem Aus
5. Oktober 2012 – Der “Spiegel” berichtet, dass Grüne und SPD die Verhandlungen um das geplante Endlagersuchgesetz platzen lassen. Ein anberaumtes Treffen am kommenden Donnerstag bei Bundesumweltminister Altmaier sei abgesagt worden: Sie bezeichnen die vergangenen zwei Monate als “Show”. Atomkraftgegner fordern eine Wiederaufnahme der Gespräche – aber unter kategorischem Ausschluss von Gorleben.
Quellen: dpa, bi-luechow-dannenberg.de; 15.10.2012