Nach massiven Protesten erreichen Plutonium-Transporter AKW Grohnde

Das Atom-Schiff „Atlantic Osprey“ mit plutoniumhaltigen Brennelementen für das niedersächsische Atomkraftwerk Grohnde an Bord erreicht unter Begleitung von Atomkraftgegner den Zielhafen Nordenham. Von dort rollt die radioaktive Fracht über Autobahnen zum AKW. Viele Stunden harren Aktivisten am Anleger und vor dem AKW aus, dutzende Traktoren unterstützen Sitzblockaden. Die Polizei bekommt Probleme und setzt sich am Ende mit Gewalt durch. Wir fordern: Atomanlagen stilllegen! MOX sofort verbieten!

Proteste gegen MOX-Schiff, Nordenham, 18.11.2012 / Bild: publixviewing.de

Proteste gegen MOX-Schiff, Nordenham, 18.11.2012 / Bild: publixviewing.de

Ein Begleitkonvoi aus mehreren Polizeischiffen hatte gegen 7.00 Uhr das britische Schiff „Atlantic Osprey“, in dem sich die radioaktive Fracht in zwei LKW an Bord befindet, an der Grenze zu den deutschen Hoheitsgewässern nördlich von Spiekeroog in Empfang genommen und befand sich seitdem auf Kurs Nordenham. Am RoRo-Anleger erwartete eine ganze Armada von Polizei-Schlauchbooten und ein Großaufgebot von Fahrzeugen das Schiff. Aber auch das Greenpeace-Schiff „Beluga-2“ begleitete die Osprey ab der Wesermündung. Vor der Atlantic Osprey wurden laut Greenpeace in Fahrtrichtung zum Hafen in Nordenham drei Schwimmer abgesetzt.

„Die Brennelemente gehören als Atommüll entsorgt bevor sie zur Gefahr für die Menschen werden“, sagt Heinz Smital, Kernphysiker und Atomexperte von Greenpeace. „MOX ist als Brennstoff hochriskant. Diese Elemente kommen aus der skandalträchtigen Atomanlage in Sellafield und könnten defekt sein.“

Um 15.12 Uhr machte die Atlantic Osprey am RoRo-Anleger Nordenham fest. Zahlreiche Menschen hatten sich angrenzend zu einer Kundgebung versammelt, mit einem Boot schipperten Aktivisten vor dem Anleger. Kletterer von Greenpeace seilten sich am Anleger ab, so dass ein Entladen vorerst nicht möglich ist. Spezialkräfte der Polizei sind vor Ort zum Räumen. Auf der Neptunstraße, die vom Anleger weg führt, versammelten sich 50-60 Menschen zu einer Sitzblockade. Aktivisten von Robin Wood stellten gegen 15.30 Uhr ein 6-Meter hohes Dreibein auf der Fahrbahn auf, in dessen Mitte ein Atomkraftgegner hängt. Nach nur 1/2 Stunde wurde durch eine BFE-Einheit der Polizei versucht, das Tripod mitsamt des Aktivisten weggetragen, wobei es umkippte. Die Situation sei dennoch glimpflich ausgegangen, so Aktivisten. Im gleichen Zeitraum räumte die Polizei auch Greenpeace-Kletterer vom Anleger.

Am AKW Grohnde wurde bereits am Freitag Abend eine Mahnwache aufgebaut, die ständig weiteren Zulauf erhielt. Der Höhepunkt waren 50 Schlepper aus dem Wendland, die gemeinsam mit Bauern aus Südniedersachsen und dem Lipperland eine Straßenunterführung zum AKW blockierten. Dazu gesellten sich zahlreiche Menschen und bildeten schon Stunden vor der möglichen Ankunft der MOX-LKW eine Sitzblockade. Auch rund um das AKW konzentriert sich zahlreiche die Polizei.

  • 18.11., 14.00 Uhr - Treckerblockade der Zufahrt in Grohnde

    18.11., 14.00 Uhr - Treckerblockade der Zufahrt in Grohnde

    Gegen 14.00 Uhr gelang auch die Blockade der Hauptzufahrt zum AKW mit mehreren Traktoren, so dass nur noch eine Zufahrt quer durch den Ort Grohnde zum AKW möglich war. Diese letzte freie Straße wurde gegen 17.30 Uhr mit einem Trecker und etwa 50 Menschen auch zugestellt. Ab 18.00 Uhr begann die Polizei, die Blockade nördlich vom AKW zu räumen und Trecker von der Straße zu ziehen. Um 18.45 Uhr war die Straße wieder frei.

  • Kurz nach 17.00 Uhr verliess der erste MOX-LKW das Schiff, immernoch blockierte eine Sitzblockade mit etwa 100 Menschen die Transportstrecke am Anleger. Über eine Alternativstraße verliessen die zwei LKW um 17.30 Uhr den Anleger in Nordenham. Eine letzte Sitzblockade wurde unsanft aus dem Weg geräumt. Ein Aktivist berichtet: „Kleine Gruppen haben es auf die Strecke geschafft und den Transport kurzzeitig blockiert.“

Proteste gegen MOX-Transport, Nordenham, 18.11.2012 / Bild: publixviewing.de

Proteste gegen MOX-Transport, Nordenham, 18.11.2012 / Bild: publixviewing.de

Streckenverlauf Straßentransport:

  • 18.11., 17.30 Uhr – Abfahrt Nordenham Anleger
  • 18.14 Uhr – B212, Abfahrt Wesertunnel / südl. Nordenham
  • 18.28 Uhr – Brake
  • 18.48 Uhr – Großenmeer
  • 19.12 Uhr – Kreuz Oldenburg Ost
  • 19.25 Uhr – Hude
  • 20.11 Uhr – Verden Nord
  • 20.30 Uhr – Walsrode West
  • 20.30-21.45 Uhr – Zwischenstopp in Bundeswehrkaserne Walsrode-Hodenhagen
  • 21.48 Uhr – Weiterfahrt auf der A27
  • 22.00 Uhr – Abfahrt Schwarmstedt / A7
  • 22.09 Uhr – Dreieck Hannover Nord / A352
  • 22.23 Uhr – Garbsen / A2
  • 23.30 Uhr – Erste Konvoi-Motorräder erreichen das AKW Grohnde
  • 23.45 Uhr – LKW 1 erreicht AKW Gelände über Nordroute / Hauptstraße
  • 19.11., 00.04 Uhr – LKW 2 erreicht AKW Gelände.
Proteste gegen MOX-Schiff, Nordenham, 18.11.2012 / Bild: publixviewing.de

Proteste gegen MOX-Schiff, Nordenham, 18.11.2012 / Bild: publixviewing.de

In Grohnde spitzte sich die Situation nach Abfahrt der LKW in Nordenham weiter zu: immer wieder blockierten Trecker und Menschen die Straßen rund um das AKW. So zum Beispiel in Ohr, wo um 20.30 Uhr Mitten auf der Kreuzung ein „großer Treckerschaden“ gemeldet wurde. Die Polizei war nicht mehr Herr der Situation: Eine Tripod-Blockade auf dem Feldweg an der B83 verliess sie gegen 21.45 Uhr unverrichteter Dinge. Dennoch wurden Aktivisten, die sich in Bäumen am Friedhof Emmerthal befanden, geräumt. Immer wieder gab es auch Berichte von unverhältnismäßiger Gewalt wie Schmerzgriffe durch die Einsatzkräfte. Um 22.00 Uhr tauchte auf dem Feldweg, der bei vergangenen Transporten noch als Notlösung genutzt wurde, ein Betonfass auf, an dem sich zwei Aktivisten angekettet haben.

Offenbar war die Polizei von den immer wieder an neuen Straßenkreuzungen auftauchenden Treckern so genervt, dass sie gegen 21.30 Uhr mit einer Hundertschaft auf dem Rittergut Schwöbber, wo die Bauern Unterkunft gefunden hatten, aufliefen. Auch die vortreffliche Nachrichtenlage schien die Polizei zu stören: Gegen 22.45 Uhr wurden zwei Fahrzeuge von Atomkraftgegnern, die hinter dem Mox-Transport herfuhren, auf der Autobahn bei Bad Nenndorf durch die Polizei „ausgebremst“, eingekesselt und auf einem Rastplatz gestoppt. Auch Pressevertreter berichten von massiver Behinderung bei der Arbeit.

Auf die letzten Metern gelang es Aktivisten dann gegen 23.30 Uhr, den 2. LKW im Konvoi kurz vor seinem Ziel zu stoppen. Während der erste LKW im Schritttempo an der Mahnwache vorbeirollte, blieb LKW 2 600m vor seinem Ziel auf der Hauptstraße stecken. Ein technisches Team der Polizei musste einen angeketteten Aktivisten vom LKW losschneiden. Im Anschluss soll eine weitere angekettete Person 100m von dem LKW mitgeschleift worden sein.

Erneut wurde mit Sitzblockaden und kreativen Aktionen auf den gefährlichen Transport aufmerksam gemacht. Denn MOX-Brennelemente erhöhen die grundsätzliche Gefahr bei der Herstellung, dem Betrieb und der Entsorgung gegenüber herkömmlichen Brennstäben aus Uran. Plutonium ist ein Ultragift, das schon im Milligramm-Bereich tödlich wirkt. Deswegen fordern die Aktivisten das sofortige Verbot von MOX-Brennelementen – und die sofortige Abschaltung aller Atomanlagen!

  • Zweiter Plutonium-Transport zum AKW Grohnde gestartet
    15. November 2012 – Ein zweiter Transport von plutoniumhaltigen Brennelementen zum niedersächsischen Atomkraftwerk Grohnde steht bevor. In diesem Monat soll das Schiff “Atlantic Osprey” die Fracht in Nordenham anlanden, die dann mit LKW zum AKW gebracht wird. Atomkraftgegner sind alarmiert und haben Proteste angekündigt.
  • Plutonium-Fracht erreicht AKW Grohnde nach Protest-Marathon
    24. September 2012 – Der geheime Plutonium-Frachter hat unter dem Schutz einer ganzen Armada von Polizei sein erstes Etappenziel, den Hafen Nordenham, erreicht. Etwa 200 Atomkraftgegner waren auf der Weser “protestpaddeln”, am Ufer demonstrieren und versperrten die Ausfahrt der LKW mit einer Sitzblockade. Vor dem AKW Grohnde haben sich Aktivisten angekettet und in den Weg gesetzt. Nach Mitternacht erreichten die zwei Spezial-LKW das AKW.