World Energy Outlook 2012: Strom aus Atomkraft wird weniger
Laut Hochrechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) wird der Anteil an Atomkraft im weltweiten Strommix weiter abnehmen. Bis 2035 nimmt die Lobbyorganisation eine Verringerung von 13% auf 12% an – rechnet aber trotzdem noch mit einem massiven Ausbau in zahlreichen Ländern. Immerhin revidiert die IEA ihre letztjährige Prognose leicht nach unten – und gesteht damit den Einfluss des Super-GAU von Fukushima auf die weltweite Entwicklung ein: sie sei „ungewisser“ geworden.
Mehrere Länder hätten den Ausbau ihrer Atomkraftwerkskapazität nach dem Reaktorunfall im japanischen Fukushima-Daiichi im März 2011 zurückgestuft. Dies wirke sich auf die künftige weltweit installierte Atomkraftwerkskapazität aus: Die IEA erwarte, dass die installierte Kapazität 2035 im Vergleich zur Schätzung in der letztjährigen Ausgabe des Outlook um 50.000 Megawatt tiefer liege und nur 580.000 Megawatt erreiche, so der Chefökonom der IEA, Fatih Birol. Man habe jetzt zum Beispiel die Neuorientierung Japans berücksichtigen müssen.
- Diese Prognose umfasst einen Zubau um rund 200.000 Megawatt in den kommenden 23 Jahren im Vergleich zu heute. Bei Annahme der derzeitigen Kraftwerksleistung von etwa 1.500 MW bedeutet das mehr als 130 Reaktoren, die in Betrieb gehen müssten. Zusätzlich müssten alte Meiler, die bis 2035 vom Netz gehen, ersetzt werden. Eine Untersuchung von Global Data ergab, dass allein in Europa in den kommenden 20 Jahren mehr als die Hälfte der 150 AKW stillgelegt sein werden.
- Länder die nicht zur OECD gehörten, würden laut IEA etwa 94% der Zunahme ausmachten. China erfahre den grössten Zuwachs der Nuklearkapazität: von gegenwärtig rund 12’000 MW auf 128’000 MW (85 Reaktoren). Es folgen Südkorea, Indien und Russland.
Ein noch unrealistischeres Bild zeichnete die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) im August 2012: sie nahm ein Wachstum um 100 Prozent bis 2030 an. Laut einer Studie der Lobbyorganisation der weltweiten Atomindustrie überlegen momentan 29 Länder, auf Atomenergie umzusteigen.
Atomkraftgegner halten diese Szenarien für absurd. Laut Erhebung der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) ist die weltweite Stromerzeugung aus Atomkraft um 4,3 Prozent gesunken – von 2.630 Milliarden Kilowattstunden im Jahr 2010 auf 2.518 Milliarden Kilowattstunden im Jahr 2011. Das ist der niedrigste Stand seit 2003.
Der “World Nuclear Industry Status Report 2012? belegt, dass die meisten Neubauprojekte storniert, verschoben oder komplett annulliert worden sind. Die angebliche Atomrenaissance ist eine Mär: Zwar seien weltweit noch 59 Reaktoren im Bau, die Vorhaben existierten aber zum Teil seit mehr als 20 Jahren. Viele Projekte hängen immer länger hinter dem Zeitplan zurück. Ob sie je fertiggestellt werden, ist unklar.
In Europa hat die von der Lobby erträumte “Atom-Renaissance” gnadenlos versagt: im finnischen Olkiluoto steigen die Kosten für den Bau des ersten “Europäischen Druckwasserreaktors” immer weiter und der Termin für eine mögliche Inbetriebnahme wird immer wieder nach hinten korrigiert. Von weiteren Projekten etwa in Holland wurde sich vor allem wegen des finanziellen Risikos verabschiedet.
„Das einfache Hochrechnen der Anzahl an neuen Reaktoren, die es für die IEA und IAEO-Prognosen weltweit braucht, offenbart die Absurdität der Prognosen“, so Jan Becker von contrAtom. „Im Gegenteil hat weltweit ein Umdenken begonnen, wobei viele Länder bewusst Abstand von der gefährlichen Atomkraft nehmen. Deutschland geht dabei mit gutem Beispiel voran. Allerdings müssen die Anstrengungen für einen viel schnelleren Ausstieg zunehmen, so dass das latente Risiko eines weiteren schweren Unfalls weltweit gebannt wird.“
- Weltweite Atomkraft-Aussteiger
23. November 2012 – Eine Übersicht zu den Staaten, die weltweit die Zukunft der Atomkraft überdenken oder aussteigen wollen oder in denen die “Renaissance der Atomkraft” kräftig ins Stocken gekommen ist.
- Eine Billionen in 20 Jahren: Atomkraft kommt Ländern richtig teuer
19. Oktober 2012 – Länder, die anders als Deutschland weiterhin auf die Atomkraft setzen, schieben nach Berechnungen des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR) eine riesige Kostenwelle vor sich her. Alternde Atomkraftwerke werden immer anfälliger und teurer. Für den Ersatz müssten Länder wie Frankreich, USA, Russland oder Kanada etwa 1,1 Billionen Euro bis 2030 investieren.
- Realitätsverlust: IAEO träumt von 100 Prozent AKW-Wachstum
21. August 2012 – Die Internationale Atomenergie Organisation IAEO träumt noch immer von der “nuklearen Renaissance”. Trotz Fukushima sei die Atomenergie weltweit auf dem Vormarsch, bis 2030 könnte sich die Anzahl der Atomkraftwerke verdoppeln. Atomkraftgegner unterstellen der Lobbyorganisation Realitätsverlust.
- USA: Auch keine nukleare Renaissance
21. August 2012 – Die US-Nuklearindustrie hatte fest damit gerechnet, in den nächsten Jahren auch im eigenen Land wieder Atomkraftwerke bauen zu können. Doch auch in dem Land mit den meisten Reaktoren schreitet die “atomare Renaissance” nur im Schneckentempo voran. Der Grund ist billiges Gas, was Strom aus AKWs unrentabel machen lässt, nicht etwa das Zweifeln an der Sicherheit.
- Statusbericht: Die meisten AKW-Neubauprojekte wurden storniert, verschoben oder annulliert
8. Juli 2012 – Die Atomkatastrophe von Fukushima hat die Situation der Atomindustrie weltweit dramatisch verändert: in zahlreichen Ländern werden Reaktoren stillgelegt und AKW-Projekte aufgegeben, schreibt Energieexperte Mycle Schneider im “World Nuclear Industry Status Report 2012?. Die Branche leidet aber nicht nur unter dem GAU, sondern auch unter der globalen Wirtschaftskrise, der Konkurrenz anderer Energiequellen, vornehmlich Gas und Erneuerbare, und eigenen Planungs- und Managementproblemen. Kurz: Die Atomenergie befindet sich im Niedergang – und Neubauten rechnen sich nicht mehr.
Quellen (Auszug): atominfomedia.blogspot.de; 23.11.2012