Russland: 24.000 versenkte „potentiell gefährliche“ Atommüll-Objekte
Das russische Zivilschutzministerium führt ein Register von potentiell gefährlichen Atommüllobjekten, die in Binnengewässer und Grenzmeeren versenkt worden sind. Derzeit stehen 24.000 solche Objekte auf der Liste, darunter drei Atom-U-Boote, die in der Arktis eine katastrophale Umweltverseuchung auslösen könnten.
Aktuell wird über die Bergung des Atom-U-Boots K-27 diskutiert, das in 30 Meter Tiefe im der Karasee versenkt wurde. Bei einem Reaktorunfall im Mai 1968 kamen neun Menschen an Bord des U-Bootes ums Leben, viele weitere wurden verstrahlt. Danach lag das U-Boot 14 Jahre lang vor Anker, bevor es im September 1982 in der Stepovoy-Bucht in der Karasee versenkt wurde.
Die Karasee ist ein nördlich von Russland bzw. Asien liegendes Randmeer des Nordpolarmeers. Sie wird im Westen von der bogenförmigen Inselgruppe Nowaja Semlja eingefasst, welche die viertgrößte und sechstgrößte Insel Europas enthält.
Ab 1955 wurde Nowaja Semlja unter dem Codenamen „Objekt 700“ für Atombombentests der damaligen Sowjetunion genutzt. Auf der Insel fanden zwischen dem 21.09.1955 und 24.10.1990 zahlreiche Atomwaffentests statt, u.a. am 30. Okt 1961 die größte jemals gezündete Atombombe „Zar“. Insgesamt wurden in dem Gebiet bis 1990 in drei Zonen 130 Kernwaffenversuche durchgeführt, darunter 88 atmosphärische, 39 unterirdische und 3 unter Wasser.
Neben diversen in der freien Landschaft stehenden Kernreaktoren sind nach Angaben von BBC und der Umweltschutzorganisation Bellona seit 1966 östlich von Nowaja Semlja 29 Atomreaktoren und zahlreiche Container mit strahlenden Abfällen „entsorgt“ worden. Andere Quellen sprechen von 17 Reaktoren, die westlich in der Barent See versenkt wurden, davon 7 mit hochradioaktiven Brennstoffen. Wenn Atommüllbehälter nicht untergingen, wurde so lange darauf geschossen, bis das Atommüllfass unter gegangen war. Die Inselgruppe bzw. das angrenzende Meer gehört damit wohl zu den größten Atommülllagerstätten der Welt.
Dass Russland nun mit dem Aufräumen beginnt und ein vor 30 Jahren mutwillig versenktes U-Boot mit Atombrennstoff an Bord bergen will, könnte den Eindruck eines Bewusstseinswandel beim Umgang mit radioaktivem Abfall erwecken. 2012 wurde allerdings nach Recherchen von „Report Mainz“ bekannt, dass durch drei versenkte Atom-U-Boote eine Atomkatastrophe für die Arktis entsteht, wenn sie nicht bis 2014 gehoben werden. Auch wenn diese Rektoren geborgen werden, sind Gegenden wie Nowaja Semlja oder die Wiederaufarbeitungsanlage Majak, wo 1957 einer der schwersten Atomunfälle stattfand, für hunderte oder tausende Jahre verseucht.
Eine langfristige Lösung für den Verbleib des geborgenen Atommülls hat das Land nicht anzubieten. In Russland stammen viele der Atommüll-Deponien aus den 1950er und 1960er Jahren. Russland lagert seine schwach und mittelaktive Atomabfälle in oberflächennahen Aufbewahrungslagern, flüssige Abfälle werden in permeables Gestein in einer Tiefe von 1.200 bis 1.500m injiziert (bisher ca. 2.2 Mio. m³). Der aktuelle Stand ist nicht bekannt.
Seit Mitte der 1990er Jahre gibt es zwar ein Programm zur Modernisierung dieser vorübergehenden Lagerstätten, doch die Sicherheits- und Umweltstandarts erfüllen auch weiterhin nicht die aktuellen Anforderungen. Dennoch beschloss das russische Parlament 2001, auch Atommüll aus dem Ausland anzunehmen. Inzwischen prüft Moskau Standorte für den Bau eines modernen Aufbewahrungslagers.
Russland plant ein hochradioaktives Lager nach westlichen Standard in Felsgestein auf der Insel Nowaja Semlja – da die Gegend eh langfristig radioaktiv verseucht ist. Vermutlich wird das Aufbewahrungslager aber erst gebaut, wenn die EU das im Rahmen von Euratom bezahlt. (2004) Keine weiteren Aktivitäten in dieser Richtung.
In Russland lagerten 2008 mehr als 700.000 Tonnen radioaktiven Mülls unterschiedlicher Strahlung, davon 140.000 Tonnen aus europäischen Atommeilern. Das Land will bis 2030 insgesamt 36 Atomreaktoren bauen. Bisher gibt es 32 AKW.
- Atomindustrie: “Gefahr für die Welt” durch russische Atomanlagen jahrelang ignoriert
26. Juni 2012 – Deutsche Atomkonzerne haben seit Jahren Warnungen der russischen Atomindustrie vor steigenden Störfallzahlen ignoriert. Das berichtet die “Süddeutsche Zeitung”. Putins Generalsekretär hatte 2004 auf einem Geheimtreffen vor einer “Gefahr für die Welt” durch russische Atomanlagen gewarnt. Die Information wurde “streng vertraulich” ignoriert. Atomkraftgegner sehen einen weiteren Beweis dafür, dass unbequeme Nachrichten von der Atomindustrie bewusst verschwiegen werden und fordern die Bundesregierung auzf, die Zuverlässigkeit der Konzerne zu prüfen.
- Katastrophale Zustände in russischen AKW
22. Juni 2011 – Ein neuer bisher nicht veröffentlichter Bericht der russischen Atombehörde offenbart wichtige Sicherheitslücken in den Atomkraftwerken Russlands. Konkret geht es um Schutz gegen Naturkatastrophen wie Erdbeben, gegen die die zehn Atomstandorte nur sehr schlecht gesichert sind. Russlands Premier Wladimir Putin hingegen bekräftigt nocheinmal, dass Atomenergie für Russland unverzichtbar ist.
Quellen (Auszug): de.rian.ru, de.wikipedia.org, Dieter Kaufmann; 13.12.2012