Altmaiers Wortbruch: Neuer Entwurf für Endlagersuchgesetz

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hat einen neuen Vorschlag für eine bundesweite Endlagersuche vorgestellt. Es soll so ein Kompromiss zwischen schwarz/gelb und rot/grün herbeigeführt werden: mehrere Standorte sollen bundesweit auf ihre Eignung als Endlager hin untersucht werden, darunter auch der bisher favorisierte Salzstock in Gorleben. Dieser könne aber jederzeit ausscheiden. Die Vergleichskriterien sollen im Verlauf des Verfahrens entwickelt werden, sich aber an früheren rot-grünen Vorschlägen orientieren. Atomkraftgegner werfen Altmaier Wortbruch vor.

Altmaier verschickte laut „Süddeutsche“ den 25-seitigen Gesetzesentwurf auch im Namen von Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) und SPD-Chef Sigmar Gabriel – dieser bestritt jedoch, dass es einen abgestimmten neuen Stand gebe: Es gäbe keinen abgestimmten Gesprächsstand und auch keine Unterschrift von ihm. Allerdings: Er „habe nichts gegen den Inhalt.“ Der Vorschlag „ist nicht mit uns abgestimmt“, sagte auch Parteichefin Claudia Roth – im Gegensatz zu ihrem Parteikollegen Trittin, der Einigkeit sieht. Es handle sich aber nur um ein „Arbeitspapier“, nicht um einen „Gesetzentwurf“.

SPD und Grüne hatten zuletzt betont, vor der Wiederaufnahme konkreter Verhandlungen müsse sich erst die neue rot-grüne Regierung in Niedersachsen bilden. Der mögliche neue Ministerpräsident Stephan Weil ist bekanntlich anders als Gabriel für einen Ausschluss Gorlebens bei einer neuen Suche. Er hält den Salzstock für ungeeignet. „Einerseits Sicherheit über sage und schreibe eine Million Jahre als Ziel zu setzen – und andererseits ohne öffentliche Diskussionen einen Gesetzentwurf auf den Tisch zu legen. Das passt nicht zusammen“, sagte Weil. Anstatt so vorzupreschen hätte Altmaier lieber Kontakt zu ihm suchen sollen. Das Papier war laut Presse gar nicht an die künftige rot/grüne Regierung in Niedersachsen gegangen – sondern an die bereits abgewählte schwarz/gelbe.

Atomkraftgegner werfen Altmaier Wortbruch vor: Er habe bei seinem Besuch in Lüchow in der vergangenen Woche zugesagt, erst dann weiter zu verhandeln, wenn der neue Ministerpräsident in Hannover gewählt sei.

„Altmaier versucht, die künftige rot-grüne Landesregierung auszubooten“, sagt der Sprecher der Anti-Atom-Organisation „ausgestrahlt“, Jochen Stay. Die Wahlgewinner vom 20. Januar hatten erklärt, dass es mit ihnen keinen Atommüllkonsens gibt, bei dem Gorleben im Topf bleibt. „Wir fordern alle Parteien dazu auf, die Suche nach Formelkompromissen zu beenden und endlich eine gesamtgesellschaftliche Atommüll-Debatte zu starten“, so Stay.

Der Standort Gorleben bleibt auch nach dem neuen Gesetzentwurf weiter im Verfahren. In dem aktuellen Gesetzesvorschlag heißt es:

  • „Der Salzstock Gorleben wird wie jeder andere in Betracht kommende Standort gemäß den nach dem Standortauswahlgesetz festgelegten Kriterien und Anforderungen in das Standortauswahlverfahren einbezogen.“

Das neue Auswahlverfahren soll bis 2029 abgeschlossen sein. Umgesetzt werden soll es vom Bundesamt für Strahlenschutz, was einer Forderung von SPD und Grüne entspricht, zudem soll eine staatliche Regierungsbehörde geschaffen werden. Über entscheidende Schritte, etwa welche Standorte in die engere Auswahlkommen, soll jeweils der Gesetzgeber entscheiden.

Die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg erneuert ihre Kritik und fordert:

„Hände weg vom Salz!“. Trotz der havarierten Salzbergwerke Morsleben und Asse werde weiterhin Salz als Endlagermedium fort- und festgeschrieben, sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Gleichzeitig bleibe es bei der Fiktion einer weißen Landkarte, weil Gorleben nicht gekippt wird. Die Kompetenz von Bergleuten sei in der Asse II und auch bei einem Rückbau Gorlebens gefragt.

Wasserkontakt und Gaseinschlüsse, Ausbau des Bergwerks ohne atomrechtliches Genehmigungsverfahren und ohne Klagerechte der Öffentlichkeit, das muss endlich zu Ende sein. Wir fordern eine umfassende Atommülldebatte und faires Verfahren, das geht nur, wenn Gorleben aufgegeben wird. Von einer „weißen Landkarte“ und „Ergebnisoffenheit“ kann nicht die Rede sein, wenn ein Standort erheblichen Erkundungsvorsprung hat und die selben Politiker und Gremien die Lösung bestimmen wollen, die sich seit Jahrzehnten auf Gorleben festgelegt haben und alle Sicherheitsmängel negieren.

Baden-Württembergs grüner Umweltminister Franz Untersteller hält weiter Fakten schaffen – und damit weiterhin auch auf Gorleben setzen – für eine bessere Idee: „Es ist Zeit, vom Reden zum Entscheiden zu kommen“. Altmaier will eine Einigung vor der Bundestagswahl im September. Hierfür sehen auch Gabriel und Trittin gute Chancen.

Atomkraftgegner setzen weiter auf Protest: „Politiker kommen und gehen. Der Müll bleibt.“

  • “Gunst der Stunde für die Einigung auf ein Atommüll-Endlager nutzen”
    24. Januar 2013 – Ein interessanter Fehler oder eine gewollte Provokation: es sei das “wichtigste Projekt in den nächsten Monaten”, die die “Gunst der Stunde für die Einigung auf ein Atommüll-Endlager” zu nutzen, meint Bundesratspräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Kretschmann hatte als Ministerpräsident von Baden-Württemberg die Suche nach Alternativen zu Gorleben in Schwung gebracht, weil er anbot, auch in seinem Land nach geeigneten Standorten suchen zu wollen.
  • Altmaier bleibt knallhart
    23. Januar 2013 – “Er kam, er hörte zu, er blieb knallhart” resümieren die Gorleben-Gegner den argumentativen Schlagabtausch mit Peter Altmaier (CDU). Der Bundesumweltminister hatte sich am Montagabend in einer öffentlichen Veranstaltung klar zu der Linie bekannt, im Parteienkonsens ein Endlagersuchgesetz durchzusetzen, das weder Klage- oder Kontrollrechte für betroffene andere Regionen enthalten soll und das Gorleben “im Topf” lässt.
  • Endlagersuche ergebnisoffen?
    21. Januar 2013 – Heute hat Bundesumweltminister Altmaier das Wendland besucht. Er wurde begrüßt von vielen Gegnern des Gorleben-Projekts, das er mit schwarz/gelb anhand des Endlagersuchgesetz durchsetzen möchte. Er warb für einen “Konsens”, auf den die Regierung aber lange warten kann – wenn sie weiterhin auf den Standort Gorleben setzt.
  • “SPD und Grüne müssen Wort halten” – Gorleben, die Parteien und der anhaltende Protest
    21. Januar 2013 – “Rot-Grün in Hannover ist ein Signal, an Niedersachsen kommt im Atommüllstreit nun niemand mehr vorbei”, kommentiert Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. (BI), den Wahlausgang. Die Atommülldebatte war eines der wenigen strittigen Themen im Wahlkampf. Selbst CDU und FDP waren von Gorleben abgerückt, wollten aber bei einem Endlagersuchgesetz den Standort nicht fallen lassen, dem FDP-Spitzenkandidaten und (noch) Umweltminister Stefan Birkner waren noch nicht einmal geologische Gründe bekannt, die gegen Gorleben sprechen.

Quellen (Auszug): zeit.de, dpa, ausgestrahlt.de, bi-luechow-dannenberg.de; 28.01.2013