USA: Leck in Lagertanks des Forschungszentrums Hanford
Das Gelände ist doppelt so groß wie Hamburg und gilt als das am stärksten verseuchteste in der westlichen Welt: das Atomforschungzentrum Hanford in den USA. Hier wurde seit den 40er Jahren vor allem Plutonium für das Atomwaffenprogramm der Vereinigten Staaten hergestellt. Auch wenn alle Reaktoren stillgelegt sind, lagern noch immer große Mengen radioaktiver Abfall dort. Seit Jahren lecken die Tanks, riesige Mengen radioaktive Flüssigkeit ist schon ausgelaufen. Eine vollständige Sanierung des Geländes erweist sich als kaum möglich. Es wird für immer eine Erbe des atomaren Wettrüstens und eine hochgefährliches Relikt für kommende Generationen sein.
Der Gouverneur des Bundesstaats Washington spricht von einer „beunruhigenden“ Nachricht: sechs unterirdische Lagertanks seien undicht. Bislang habe man die Lecks auch nicht verschließen können. Über Jahrzehnte sollen laut US-Umweltbehörde EPA insgesamt 1,8 Billionen Liter verseuchtes Wasser ausgetreten sein. Die Nachricht ist nichts Neues, denn schon seit Jahren sind die Probleme der Hanford Tank Farm bekannt. Insgesamt befinden sich 177 Tanks auf dem Gelände, in denen sich teilweise mehrere Millionen Liter großteils hochradioaktiver Abfälle aus der Plutoniumgewinnung befinden. Die beim Abklingen der radioaktiven Stoffe entstehende Wärme macht eine permanente Kühlung notwendig. Die Behälter waren auf eine Betriebsdauer von 20 Jahren bzw. 30 Jahre ausgelegt, weil die USA aber keine Lösung zur Entsorgung der Abfälle hat, müssen sie nun länger halten. Durch die hohe Strahlung werden die Behälter spröde und undicht, 149 einwandige Tanks stammen aus der Zeit von 1943 bis 1964. Seit 2003 werden wenigstens einwandige, besonders alte Tanks, ersetzt.
In Hanford, das sich im US-Bundesstaat Washington, 4 Stunden von Seattle entfernt, befindet, lagern etwa 204.000 Kubikmeter hochradioaktiver Müll – zwei Drittel des gesamten US-Atomabfalls. 216 Millionen Liter radioaktive Schlacke, mehr als 100.000 ausgebrannte Brennstäbe liegen in Wasserbecken, 43.000 Kubikmeter kontaminierter Sand und 720.000 Liter Salpetersäure umfasst die Bilanz. Die Sanierung des riesigen Geländes kostet jährlich zwei Milliarden Dollar – ein Ende ist erst in Jahrzehnten in Sicht. Allein der Bau einer Verglasungsanlage für den flüssigen Abfall soll 12,3 Milliarden Dollar kosten. Die Sanierungsarbeiten sind aber heute schon bis zu 20 Jahren hinter dem Zeitplan und um viele Milliarden über den Voranschlag gestiegen.
In Hanford wurde in den 40er Jahren und während des Kalten Krieges Plutonium zum Atombombenbau erzeugt. Auch der Spaltstoff für die Greueltaten von Hiroshima und Nagasaki entstand hier. Der Bau der Anlage begann 1943 unter strengster Geheimhaltung als Hanford Engineer Works beziehungsweise Site W im Rahmen des Manhattan-Projekts. Dafür kaufte die Bundesregierung die Städte White Bluffs und Hanford sowie das umgebende Farmland und liess alle Einwohner umsiedeln.
Es entstanden über die Jahre neun Reaktoren, von denen der letzte im Oktober 1989 stillgelegt wurde:
- In Reaktor B-Pile (100-B) – wurde am 12. Juli 1944 mit der Plutoniumproduktion begonnen, im benachbarten Reaktor 100-D im Dezember 1944. Beide Reaktoren hatten eine thermische Leistung von 200 Megawatt und dienten nicht zur Stromerzeugung. Reaktor 100-F folgte im Februar 1945 für die Plutoniumproduktion, alle drei Reaktoren hatten die ganze Zeit über einen rein militärischen Einsatzzweck.
- Zu Beginn des Kalten Krieges 1949 baute das HEW den H-Reaktor mit 400 MW Leistung, da der Bedarf an Spaltstoff zum Bau von Atombomben stark zunahm.
- 1950 wurde der Reaktor D mit 250 MW Leistung in Betrieb genommen.
- Reaktor C wurde neben dem B-Reaktor gebaut, der C-Reaktor mit 600 MW thermisch wurde 1952 in Betrieb genommen und wurde bald der Hauptforschungsreaktor in Hanford. Schon drei Monate nach seinem Start wurde er hauptsächlich zum Test für den Doppel-K-Reaktor benutzt.
- Der Reaktor KE hatte 1.800 MW thermischer Leistung. Reaktor N wurde am 31. Dezember 1963 kritisch. Im Gegensatz zu den anderen Reaktoren war er graphitmoderiert, aber noch wassergekühlt. Seine Hauptaufgabe war die Plutoniumproduktion, er produzierte nebenbei aber noch Strom. Damit war er der einzige Reaktor in den USA, der sowohl militärisch als auch zivil genutzt wurde.
- Unweit des alten Forschungsgeländes befindet sich das AKW Columbia in Betrieb. Neben den vielen Meilern entstanden auch Urananreicherungsanlagen, Plutoniumverarbeitungsanlagen und Atommülllager.
- Langfristig ist auf der Hanford Site der Bau eines Endlagers vorgesehen.
Weniger die Nachricht, dass die Tanks auf der Hanford Site lecken, mehr ist die Gesamtsituation beunruhigend. Denn derzeit weiss niemand, wie mit der radioaktiven Brühe verfahren werden soll. Sie muss dauernd gekühlt werden. In den Tanks befinden sich unterschiedliche und oft nicht genau bekannte Zusammensetzung. Radiolytisch entsteht Wasserstoffgas, was eine Explosion möglich macht. Durch Sedimentation sammeln sich die in den flüssigen Abfällen suspendierten Feststoffanteile, was zu weiteren Problemen wie Wärmestau durch mangelnde Konvektion und schwierige Entleerung der Tanks führt. Heute ist unklar, wie das weitere Durchrosten der Tanks verhindert werden soll. Bisher wurden die Projekte immer weiter verschoben.
1989 übernahm das US-Energieministerium das Gelände. Seitdem läuft die Debatte, wie und zu welchen Kosten es zu sanieren ist. Der Haushaltsstreit in den USA könnte Grund für die aktuellen Äußerungen des Gouverneurs des Bundesstaats Washington sein. Denn im Rahmen von Sparmassnahmen sollen auch in Hanford bis zu 1.000 Stellen gestrichen werden. Mit neuen Horrormeldungen will sich Washington Bundesgelder sichern.
Eines bleibt als Resumee: Wie überall auf der Welt müssen die atomaren Altlasten auf Kosten der Bevölkerung beseitigt werden. Über die gesundheitlichen, langfristigen Folgen kann nur spekuliert werden. Die Gewinne vom Betrieb der Atomanlagen landen bekanntlich in den Taschen von Energiekonzernen.
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Quellen (Auszug): spiegel.de, dpa, n-tv.de, de.wikipedia.org, taz.de; 24.02.2013