Castor-Sammel-Prozess nach 6,5 Stunden vertagt – Vorwürfe zum Teil fallen gelassen
Wegen zwei erfolgreichen spektakulären Blockadeaktionen in Hessen und der Pfalz musste sich am heutigen Montag ein Aktivist vor dem Amtsgericht Potsdam verteidigen – Knapp 3 bzw. 5 Jahre nach den Vorkommnissen.
„Teils zeigte Richterin Ahle Verständnis für die Unverhältnismäßigkeit der Strafverfolgung. Das ältere Verfahren aus der Pfalz von 2008 hat sie zu Beginn der Verhandlung von sich aus eingestellt. Hätte sie mir vorab einen Hinweis darauf gegeben, hätte ich mir viel Aufwand sparen können. Bzgl. des anderen Vorwurfs wurde mir angeboten, über eine Reduktion des Bußgeldes zu reden. Angesichts des enormen bisherigen Aufwandes lehne ich dies ab. So ‚was hätte, wenn dann, eher kommen müssen. Jetzt bin ich hier und führe das Verfahren zu Ende“ so Christof, der Betroffene.
Nach einer 1,5-stündigen Zeugenvernehmung und etlichen Beweisanträgen seitens der Verteidigung beschränkte die Richterin den Vorwurf in der übrigen Sache auf das – vermutlich fahrlässige – unbefugte Betreten der Bahnanlagen – in der Regel mit max. 25€ bußgeldbewehrt. Eine betriebsstörende Handlung hielt sie für nicht nachweisbar.
Die beiden entscheidenden prozessualen Anträge hat Frau Ahle verworfen. Ein 6-seitiger Befangenheitsantrag, der in 8 Fällen darlegte, warum der Betroffene die Richterin für voreingenommen hält und ein Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung, da entgegen der gesetzlichen Bestimmungen der Zeuge dem Betroffenen nicht rechtzeitig namhaft gemacht wurde. Erst am Samstag erhielt der Betroffene Post, die weder notwendige Angaben zur Person des Zeugen erhielt, noch als rechtzeitig angesehen werden kann.
„Frau Ahle verwarf den Befangenheitsantrag – ohne für die Entscheidung eine Pause zu benötigen – da er einzig und allein der Prozessverschleppung diene. Auf die Begründung ging sie kein Stück ein. Die in der Strafprozessordnung vorgeschriebene Aussetzung verwarf sie mit dort explizit ausgeschlossenen Gründen, um die Verhandlung nach ihren Vorstellungen durchziehen zu können“, so der Beschuldigte. „Von einer ergebnisoffenen Verhandlung kann also nicht die Rede sein. Sie betonte auch mehrfach, dass sie die Sache am heutigen Tag zu Ende bringen will und führte Die Verhandlung sogar weit über die Geschäftszeit hinaus – am Ende ohne ihre Praktikantin und Protokollantin weiter, obwohl absehbar war, dass ohne weitere Beweismittel eine Verurteilung nicht in Betracht kommt.“
Der Polizeizeuge erinnerte sich nach all der Zeit nur an weniges. Allerdings meinte er, sich genau an die Brücke und die angeblich dort angebrachte Beschilderung erinnern zu können. Ob der das Betreten des Fußweges auf der Brücke verboten und dies erkennbar ist, ist essenziell für die Sache. Auf zigfache Nachfrage der Verteidigung musste er dann aber doch manche Aussagen widerrufen. Spätestens nach einem Beweisantrag, der mittels Fotos belegte, dass etliche für die Sache wichtige Angaben des Beamten nicht der Wahrheit entsprachen, muss die Glaubwürdigkeit dessen mindestens als zweifelhaft beurteilt werden.
Dies hinderte Richterin Ahle nicht daran, weiterhin ein Ende des Verfahrens mit Verurteilung am heutigen Tag anzustreben. Davon, dass dies nicht nur aufgrund der rechtlichen Bewertung, sondern auch aufgrund der mangelhaften Beweislage untunlich ist, konnte der Betroffene die Richterin erst gegen 16:30 überzeugen. Die Hauptverhandlung in dem schon leeren Gericht wurde unterbrochen und ein Fortsetzungstermin für den 4. April, 10 Uhr anberaumt. Ob und welche Zeugen dafür geladen werden, ist noch nicht bekannt.
„Es mag für viele nicht nachvollziehbar sein, weswegen ich mich auf das Angebot einer deutlichen Reduktion des Bußgeldes zu Beginn der Verhandlung nicht eingelassen habe, aber mein Gerechtigkeitswille und von mir aus auch Trotz ist größer als die Trägheit. Der politisch motivierten Verfolgung dafür, dass ich mich für eine intakte Umwelt einsetze, werde ich mich nicht beugen. Gerade angesichts des Trends zum Atomexport z.B. durch die Urananreicherungsanlage Gronau und der Brennelementefabrik Lingen kann ich nicht an das Gerede von einem Atomausstieg glauben“, so der Betroffene.
Nach einer internen Reform der Bundespolizei 2009 – also erst nach einem der verhandelten Vorfälle – werden sämtliche Ordnungswidrigkeiten im Bereich der Bahnanlagen in Potsdam verhandelt. Somit wird das Recht auf den gesetzlichen Richter und Zugang zu Gericht, also der grundgesetzlich garantierte „effektive Rechtsschutz“ mit Füßen getreten, meinen die Aktivisten und machten dies erst letzten Monat am Brandenburger Tor – einem der Wahrzeichen Potsdams deutlich. Sie kletterten die Säulen empor und hissten Transparente.
„Wir würden andere Orte für die politische Auseinandersetzung wählen, aber wenn das Gericht uns zum Tanz einlädt, dann kommen wir! Wir lassen uns nicht kriminalisieren. Der Protest gegen die Atomkraft ist legitim!“ erklärt Karsten, einer, dessen Verfahren zwecks Beteiligung an der Kletteraktion zum Castor ’10 mittlerweile eingestellt worden ist.
- Informationen zum Prozess: http://nirgendwo.info/
- Informationen zur Aktion ’10: http://nirgendwo.info/info/fuldatal-bruckenaktion/
- Informationen zur Aktion ’08 und den bisherigen Prozessen dazu: http://bloxberg.blogsport.de/
httpv://www.youtube.com/watch?v=_RlOScBBfyM