„Entsorgungskommission blendet tatsächliche Gefahren aus“ – Atomkraftgegner kritisieren Stresstest der Bundesregierung
Die Anti-Atomkraft-Initiativen aus dem Münsterland und der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) kritisieren massiv die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Stresstest-Stellungnahme der Entsorgungskommission (ESK) vom 14. März 2013 zur Sicherheit der Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau.
„Die ESK hat wesentliche Gefahrenpunkte einfach ausgeblendet oder die Folgen schön geredet und sich allein auf Stellungnahmen der jeweiligen Betreiber und Genehmigungsbehörden verlassen. Mögliche „Einwirkungen Dritter“ wurden erst gar nicht untersucht (S. 196 des ESK-Berichts, www.entsorgungskommission.de). Die Ergebnisse für die Urananreicherungsanlage Gronau, aber auch für die Zwischenlager Ahaus und Jülich sind deshalb wenig aussagekräftig. Die Duisburger Atommüllkonditionierungsanlage wurde überhaupt nicht untersucht,“ kritisierte Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen.
Bei der Untersuchung der Urananreicherungsanlage Gronau ignorierte die ESK gleich mehrere brisante Gefahren:
- Auf dem Gelände der Urananreicherungsanlage dürfen bis zu 50 000 Tonnen Uranhexafluorid (UF6) unter freiem Himmel gelagert werden. Ein Schutz gegen Flugzeugabstürze oder Brände existiert nicht. Sollten die Uranfässer aber undicht werden, entsteht tödliche Flusssäure, die sich weiträumig ausbreiten kann.
- Die „chemotoxischen Auswirkungen“ von Störfällen in Gronau wurden jedoch von der ESK explizit nicht untersucht (S. 21 und S. 196). Damit wird die Gefährdung der Bevölkerung durch Flusssäure-Freisetzung in dem riesigen Uran-Freilager ohne erkennbaren Grund ausgeblendet.
- Die Angaben der Genehmigungsbehörden zu Flugzeugabstürzen sind selbst nach Einschätzung der ESK unvollständig bzw. sie werden von der NRW-Landesregierung geheim gehalten (S. 30). Weder das Uran-Freilager noch die unverbunkerten Zentrifugen-Hallen können einem Flugzeugabsturz standhalten. In diesem Zusammenhang wird auch das aktuelle Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Januar 2013 zu Mindestabständen von Flugzeugen bei Atomanlagen von der ESK nicht beachtet. Nach diesem Urteil ist die jetzige Flugverbotszone rund um die UAA eindeutig zu klein.
- Da „Einwirkungen Dritter“ nicht untersucht wurden, wurde auch die Gefahr durch gezielte Attacken (z. B. Flugzeugabstürze) unerklärlicherweise nicht thematisiert.
- Die ESK verweist bei Notfällen lapidar auf die Existenz eines „Betriebshandbuchs“ und eines „betrieblichen Notfallschutzplans“ der Urenco (S. 22). Die Erfahrung zeigt jedoch, dass derartige Pläne im Ernstfall leider nicht viel taugen. Gerade in Gronau versagte der „betriebliche Notfallschutzplan“ bei dem Störfall im Januar 2010. Der damals verstrahlte Urenco-Arbeiter musste deshalb eine Odyssee durch nicht weniger als vier Krankenhäuser antreten. Nachvollziehbare Katastrophenschutzpläne werden nicht aufgeführt.
Die Anti-Atomkraft-Initiativen kritisieren zudem, dass der Leichtbauhalle in Ahaus von der ESK pauschal eine wirksame Schutzfunktion gegen Flugzeugabstürze zugebilligt wird. Das Zwischenlager Ahaus gehört mit seinen dünnen Wänden zu den bundesweit ältesten und am schlechtesten gerüsteten Zwischenlagern.
„Es ist unverständlich, warum die Entsorgungskommission den berechtigten Sicherheitsinteressen der Bevölkerung keine Priorität einräumt. Die ständige Verharmlosung der Gefahren, die vom Betrieb der Urananreicherungsanlage Gronau und der anderen Atomanlagen ausgehen, muss endlich ein Ende haben. Die Bevölkerung hat ein Anrecht auf maximalen Schutz, auf die Offenlegung aller relevanter Unterlagen und auf die von der Landesregierung versprochene Stilllegung der Urananreicherungsanlage Gronau sowie der Atommüllkonditionierungsanlage Duisburg,“ so Udo Buchholz vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz.
Quelle: PE Aktionsbündnis Münsterland, 22.03.2013