Drei Mann in einem Boot: Altmaier, Weil und Wenzel im brüderlichen Einvernehmen zum „Standortsuchgesetz“
Das ging schnell. Kaum hat die neue rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen sich vehement gegen das Verbleiben Gorlebens in Standortsuchgesetz für Atommüll ausgesprochen, kaum war der Koalitionsvertrag fertig geschrieben, reisten Ministerpräsident Stephan Weil und sein Umweltminister Stefan Wenzel nach Berlin, um mit Bundesumweltminister Peter Altmaier einen gemeinsamen Gesetzesvorschlag auszukungeln, der Gorleben nicht von vorne herein ausschließt. Ein Kommentar von Antonia Uthe, atomkritische Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad.
Geschuldet ist dieser Kompromiss wohl der näher rückenden Bundestagswahl, denn Ziel dieser Übereinkunft ist, die Gespräche über eine Standortsuche zeitnah abzuschließen, damit der Gesetzentwurf eingebracht und noch vor der Parlamentarischen Sommerpause verabschiedet werden kann. Offensichtlich soll die Atommüllfrage nicht den Wahlkampf stören. Deshalb muss Gorleben aus dem Brennpunkt verschwinden.
Dazu soll auch die Zusicherung dienen, dass vorerst keine abgebrannten Kernbrennstoffe in die Gorlebener „Kartoffelscheune“ transportiert werden. Transportiert wird trotzdem: nach Ahaus, Lubmin oder in andere Zwischenlagerstandorte. Die Intention ist klar: Den anderen Standorten wird von Seiten der Atomkraftgegner traditionell nicht so viel Aufmerksamkeit gespendet, zumal an unterschiedlichen Orten mobilisiert werden müsste. Da hätte es der Widerstand schwerer. Und aus dem Rennen ist Gorleben noch lange nicht.
Um die Zustimmung Niedersachsens zu erwirken, hat Altmaier mit der Landesregierung einen Kompromiss ausgehandelt, der die Einrichtung einer Bund-Länder- Enquête- Kommission vorsieht. Diese Kommission soll Grundsatzfragen für die dauerhafte Lagerung von hochradioaktiven Abfallstoffen erörtern und klären. Die 24 Mitglieder dieses Gremiums werden aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Umweltverbänden usw. kommen und von Landes- und Bundesregierungen eingesetzt. Nachdem (2015) die Ergebnisse der Enquête- Kommission feststehen, und das Gesetz gegebenenfalls geändert worden ist, soll das weitere Verfahren beginnen. Das bedeutet: Von vorn herein soll hier ein Gesetz verabschiedet werden, für das die notwendigen Grundlagen noch fehlen. Ein Gesetz mit ungewissem Ausgang also. Fragwürdig ist zudem, dass das Parlament dieser Legislaturperiode einem nachfolgenden Parlament die Aufgabe erteilt, dass sie ein Gesetz zu ändern hat.
Dabei können für die neue Kommission Wirtschaftler ausgewählt werden, die die Probleme mit verursacht haben; Wissenschaftler, die von dieser Wirtschaft Forschungsaufträge finanziert bekommen haben oder Politiker, die sich ihre Empfehlungen selber aussprechen. Mehr Sinn würde es machen, dem Gesetzgebungsverfahren eine öffentliche Atommülldebatte vorzuschalten. Sinn machen würde es unterschiedliche Konzepte zu erarbeiten, die auch die Aufbewahrung für schwach- und mittelradioaktive Abfälle vorsehen, für die es ja auch keinen Standort gibt, der je in einem Auswahlverfahren ermittelt wurde. Stattdessen wird an dem längst gescheiterten Konzept der tiefengeologischen Lagerung von Atommüll festgehalten. Unsinnig ist es, eine Kommission einzurichten, deren Aufgabe nicht darin besteht neue Konzepte zu entwickeln, sondern an dem fragwürdigen Konzept der Tiefenlagerung weiterzubasteln, einen Kriterienkatalog von geologischen „Mindestanforderungen“ aufzustellen, der Gorleben letztendlich aus- oder einschließt.
Das Resultat dieses Gesetzesvorschlags ist kein sachbezogenes Ergebnis, sondern ein Scheinkonsens, der politischem und wahltaktischem Kalkül geschuldet ist. Die brisante Frage der Atommüllverwahrung, auf „Mindestanforderung“ gestutzt, ist dabei der Dreieinigkeit dieses neuen Männerbündnisses zum Opfer gefallen.
- Gorleben: Keine Castortransporte mehr, zweijährige Galgenfrist
25. März 2013 – Erst am Mittwoch hatte Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel Gorleben besucht und betont: der Standort muss vom Tisch. Wenige Tage später verkündet er gemeinsam mit Bundesumweltminister Altmaier und Ministerpräsident Weil eine “Einigung” im Streit um das geplante Endlagersuchgesetz: keine Castortransporte mehr nach Gorleben, aber Gorleben bleibt vorerst im Topf. Zwei Jahre soll ein neues Moratorium weilen, während dessen eine Enquete-Kommission Kriterien für einen Endlagerstandort entwickeln und so “Aktzeptanz” in der Bevölkerung schaffen soll. Atomkraftgegner meinen: Mogelpackung.
Quelle: ag-schacht-konrad.de; 26.03.2013