Gronau: Neues Uranoxid-Lager wird faktisch zum Endlager – Atomkraftgegner fordern Baustopp
Die Anti-Atomkraft-Initiativen aus dem Münsterland und der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) sind alarmiert über die Auskunft der Bundesregierung vom 22. März 2013 auf eine Kleine Anfrage der Linken (Bundestags-Drucksache 17-12446). Laut Bundesregierung sollen ab 2014 auf dem Gelände der Urananreicherungsanlage Gronau in einer neuen Lagerhalle bis zu 60 000 Tonnen Uranoxid (U3O8) zeitlich „unbefristet“ lagern dürfen.
Zudem darf die Betreiberfirma Urenco selbst entscheiden, ob und wann sie das Uranoxid nochmals verwenden möchte. Derzeit lagern nach Auskunft der Bundesregierung bereits 12 700 Tonnen Uranoxid aus Gronau in Frankreich, die ab 2014 zurück nach Gronau gebracht werden sollen.
„Wenn diese Pläne so in die Tat umgesetzt werden, dann wird die im Bau befindliche Lagerhalle in Gronau de facto das erste oberirdische Atommüll-Endlager in Deutschland werden. Von einer ‚Zwischen‘-Lagerung redet selbst die Bundesregierung nicht mehr. Dass der Betreiber selbst entscheiden soll, ob und wann der Uranmüll tatsächlich zum Atommüll deklariert wird, ist eine Bankrotterklärung der staatlichen Atomaufsicht,“ kritisierte Udo Buchholz vom Arbeitskreis Umwelt (AKU) Gronau und Vorstandsmitglied des Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU).
In Großbritannien plant die Urenco nach eigenen Angaben eine Langzeitlagerung für abgereichertes Uran bis mindestens 2120. Auch die Bundesregierung scheint diesen Weg in Gronau nun gehen zu wollen. Die Begründung dafür lieferte die Bundesregierung schon 2007 in einer Stellungnahme:
- „Wenn das Material [abgereichertes Uran] radioaktiver Abfall wäre, müsste es nach § 9a Abs. 1 AtG geordnet beseitigt, d. h. endgelagert werden. Zuständig hierfür wäre der Bund.“ (Bundestags-Drucksache 16-5381 v. 21. Mai 2007)
Angesichts der völlig ungelösten Entsorgung von Atommüll scheint die Bundesregierung nun darauf bedacht zu sein, die Atommüllberge mit allen Mitteln künstlich klein zu rechnen. Nach der jetzigen Definition von Uranoxid als „Wertstoffreserve“ würden mit einem Schlag 60 000 Tonnen Atommüll weniger von der Bundesregierung entsorgt werden müssen. Die Bundesregierung unterstützt die Urenco also in eigenem Interesse, macht dabei aber die Gronauer und Münsterländer Bevölkerung zu einem Versuchskaninchen für oberirdische Dauer-Lagerung.
Die jetzige Antwort der Bundesregierung zeigt, dass die Bundesregierung einen Langzeit-Betrieb der Urananreicherungsanlage Gronau plant – womöglich ähnlich wie in Großbritannien bis ins 22. Jh. Das ist nicht akzeptabel! Zudem würde selbst die neue Lagerhalle nur den Uranmüll aus zehn Betriebsjahren aufnehmen können. Sollen nun alle zehn Jahre eine neue riesige Uran-Lagerhalle in Gronau für den unbefristeten Weiterbetrieb der Urananreicherungsanlage gebaut werden?
„Die Bundesregierung muss von ihren Plänen sofort abrücken und die NRW-Landesregierung als Atomaufsicht muss diesen hochgefährlichen Spuk beenden, indem sie einen sofortigen Baustopp für das Uranlager verhängt und die Urananreicherungsanlage gemäß Koalitionsvertrag stilllegt“, forderte Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen.
Hintergrund:
In Gronau wird Uran in Form von Uranhexafluorid (UF6) angereichert, dabei entsteht als Abfallprodukt abgereichertes Uranhexafluorid. Schon in Verbindung mit Luftfeuchtigkeit kann dabei die hochgiftige Flusssäure entstehen. In Gronau dürfen derzeit ingesamt bis zu 50 000 Tonnen UF6 unter freiem Himmel lagern. Nach Auskunft der Bundesregierung lagerten Ende 2012 bereits 6700 Tonnen Uranhexafluorid auf der Freilagerfläche in Gronau.
Uranoxid (U3O8) wird durch eine sogenannte Dekonversion aus dem abgereicherten Uranhexafluorid (UF6) gewonnen. Eine solche Dekonversionsanlage wird von Areva in Pierrelatte in Südfrankreich betrieben. Für die Dekonversion sind von Gronau nach Pierrelatte regelmäßig Urantransporte nötig, während das Uranoxid später wieder zurück nach Gronau rollen soll.
Ab Ende 2015 möchte Urenco in der firmeneigenen Urananreicherungsanlage Capenhurst in Großbritannien ebenfalls eine Dekonversionsanlage betreiben. Ab 2016 soll es deshalb auch Urantransporte von Gronau nach Capenhurst geben.
Wenn man die maximal erlaubte Freilagerkapazität von 50 000 Tonnen Uranhexafluorid mit der geplanten Lagerkapazität von 60 000 Uranoxid in der neuen Lagerhalle zusammennimmt, dürfen nach jetzigem Stand ab 2014 insgesamt bis zu 110 000 Tonnen Uran in Gronau lagern!
- weitere Informationen: www.sofa-ms.de
- “Entsorgungskommission blendet tatsächliche Gefahren aus” – Atomkraftgegner kritisieren Stresstest der Bundesregierung
22. März 2013 – Die Anti-Atomkraft-Initiativen aus dem Münsterland und der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) kritisieren massiv die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Stresstest-Stellungnahme der Entsorgungskommission (ESK) vom 14. März 2013 zur Sicherheit der Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau.
- “Atomausstieg muss auch in NRW endlich ankommen”
9. März 2013 – Rund 1200 Menschen haben am Samstag, 9. März, aus Anlass des 2. Jahrestags der Reaktorkatastrophe von Fukushima vor der bundesweit einzigen Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau demonstriert. Sie forderten von der Bundes- und Landesregierung die sofortige Stilllegung der Urananreicherungsanlage, die derzeit rund jedes 10. AKW weltweit mit Uranbrennstoff zur Brennelementefertigung beliefert.
- 10.000 Unterschriften gegen Uranfabrik
7. März 2013 – Über 10.000 Unterschriften für die Stilllegung der Uranfabrik in Gronau sind gestern von ROBIN WOOD und Initiativen aus NRW dem für Atomaufsicht zuständigen Wirtschaftsministerium übergeben worden. Mit den Unterschriften wird die umgehende Stilllegung der Anlage gefordert. Das Ministerium ist gleichzeitig die Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde für den Betrieb der UAA.
Quelle: PE Aktionsbündnis Münsterland; 27.03.2013