IPPNW: Innenminister verbummeln Katastrophenschutz-Verbesserungen
Anlässlich der Innenministerkonferenz in Hannover kritisiert die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW die Verzögerung der dringend notwendigen Verbesserung der „Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz“ seitens der dafür verantwortlichen Innenminister der Länder. Unter anderem verweisen sie auf nicht erforderliche, langwierige neue Wahrscheinlichkeitsberechnungen für den Eintritt eines Atomunfalls.
Eine Arbeitsgruppe „Fukushima“ der Länder verbrachte rund zwei Jahre damit, den „derzeitigen Ist-Stand der Katastrophenschutzplanungen“ zu erheben. Aus mehreren Antworten von Innenministern auf Anfragen der IPPNW geht zudem hervor, dass die Länder über das bisherige hinaus fast keine Maßnahmen für einen verbesserten Katastrophenschutz ergreifen wollen, bis die neuen Rahmenempfehlungen in mehreren Jahren verabschiedet sein werden.
Nötige zur Verbesserung des Katastrophenschutzes zu tun, wurde ausgerechnet die Strahlenschutzkommission (SSK) des Bundes mit der Erarbeitung neuer „wissenschaftlicher Erkenntnisse“ beauftragt, die dafür großzügig ein „mehrjähriges Arbeitsprogramm aufgestellt“ hat. „Mit Blick darauf empfiehlt es sich, die fachlich fundierten Ergebnisse der Arbeitsgruppe der SSK abzuwarten“, ließ etwa der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Lorenz Caffier der IPPNW mittteilen. Unter Verweis auf eine „Sonderprüfung der Reaktorsicherheitskommission“ (RSK) des Bundes sehen die Länder keinen akuten Handlungsbedarf. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger ließ unter Verweis auf die Sonderprüfung ausrichten, dass der Unfall von Fukushima „nicht auf deutsche Verhältnisse übertragbar“ sei und „keine bislang unberücksichtigten Schwachstellen“ im Bereich des Katastrophenschutzes aufgezeigt worden seien.
Immerhin möchte man nun in Nordrhein-Westfalen „in Kürze“ Jodtabletten auf der Grundlage der seit fünf Jahren geltenden Rahmenempfehlungen von 2008 auf die kreisfreien Städte und Kreise verteilen. Dies allerdings in der Fernzone von 25 bis 100 Kilometer auch nur für Kinder, Jugendliche und Schwangere. In Hessen werden derzeit die Dekontaminationskapazitäten erweitert. In Niedersachsen konzentriert man sich auf die Anbindung des Radiologischen Lagezentrums an den Interministeriellen Krisenstab.
Unbefriedigend bleiben aber insbesondere die Vorbereitungen für die Evakuierung der Bevölkerung im Falle eines Super-GAU. Während im Saarland „planerische Vorbereitungen für eine mögliche Evakuierung für die Bevölkerung in einem 25-km-Radius um das (französische) Kernkraftwerk Cattenom“ bereits bestehen, überlegen die Innenminister auf Basis einer erwarteten Empfehlung der Strahlenschutzkommission des Bundes lediglich, „eine Evakuierungsplanung auf der Basis eines 20 km-Radius fortzusetzen“. Das erstaunt, angesichts etwa einer Studie des Öko-Instituts vom 20.11.2007 für radioaktive Freisetzungen aus einem deutschen Atomkraftwerk, wonach je nach Wettersituation in Gebieten „bis in eine Entfernung von etwa 600 km“ und einer Breite von bis zu 50 km eine Evakuierung „erforderlich werden kann“. Auch das Bundesamt für Strahlenschutz hielt es in ihrer „Analyse der Vorkehrungen für den anlagenexternen Notfallschutz für deutsche Kernkraftwerke“ vom April 2012 für angemessen, von der Notwendigkeit von „Umsiedlungen“ noch in 100 bis 170 km Entfernung vom Unfallort auszugehen.
- Die IPPNW fordert, dass auf Grundlage der vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen mit Atomunfällen weiträumige Evakuierungen geplant und vorbereitet werden. Die Durchführbarkeit einer weiträumigen schnellen und mehrfachen Ausgabe von Jodtabletten auch für alle Erwachsenen muss sichergestellt werden.
Die IPPNW unterstützt auch nachdrücklich den Innenminister von Thüringen, der in der „dauerhaften Stilllegung von Kernkraftwerken“ den „wirksamsten Schutz der Bevölkerung“ sieht. Doch weder die Bundesregierung, noch die Opposition noch die Bundesländer verlangen konkret die umgehende Stilllegung der verbleibenden Atomkraftwerke in Deutschland und Europa.
- “Entsorgungskommission blendet tatsächliche Gefahren aus” – Atomkraftgegner kritisieren Stresstest der Bundesregierung
22. März 2013 – Die Anti-Atomkraft-Initiativen aus dem Münsterland und der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) kritisieren massiv die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Stresstest-Stellungnahme der Entsorgungskommission (ESK) vom 14. März 2013 zur Sicherheit der Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau.
- Fehlanzeige Katastrophenschutz: Bundesamt für Strahlenschutz bestätigt Kritik der IPPNW
8. Dezember 2012 – Das Bundesamt für Strahlenschutz teilt die Kritik der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW am derzeit geltenden Katastrophenschutz bei einem AKW-Unfall. Das bestätigte eine Sprecherin des Instituts gegenüber der Augsburger Allgemeinen. Eine Studie des Amtes war bereits im April diesen Jahres zu dem Schluss gekommen, dass der Katastrophenschutz in Deutschland bei einem Super-GAU versagen würde. Die Innenminister haben bisher keinerlei Konsequenzen gezogen.
- IPPNW: Atomarer Katastrophenschutz veraltet und zu kleinräumig
1. Dezember 2012 – Anlässlich der Herbsttagung der Innenministerkonferenz vom 5.-7. Dezember 2012 in Rostock-Warnemünde wendet sich die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW mit einem Offenen Brief zum Katastrophenschutz an alle Innenminister Deutschlands. Auf der Konferenz wird über die Konsequenzen beraten, die sich aus dem Super-GAU von Fukushima für die noch laufenden Atomkraftwerke in Deutschland ergeben.
Quelle: ippnw.de; 23.05.2013