Vollständige nukleare Sicherheit ist theoretisch
EU-Energiekommissar Günther Oettinger bereitet einem Medienbericht zufolge eine allgemeine Versicherungspflicht für Atomkraftwerke vor. Alle Sicherheitsanstrengungen könnten Risiken nicht komplett ausschließen, „vollständige nukleare Sicherheit ist also theoretisch“, so Oettinger. Atomkraftgegner weisen auf die unkalkulierbaren Kosten durch einen Super-GAU hin und fordern die sofortige Stilllegung aller Meiler.
In einer internen Analyse seiner Fachleute heißt es dem Nachrichtenmagazin „Focus“ zufolge, die Frage einer hinreichenden Schadensversicherung von Atomkraftwerken sei „essenziell für Gesellschaft und Wirtschaft“. Es müssten „klare Regeln für angemessene Entschädigungen für Todesfälle, Gesundheits- und Eigentumsschäden sowie Umweltbelastungen“ geben. Die bisher vorgesehenen Summen „widerspiegeln nicht die potenziellen Kosten eines schweren nuklearen Unfalls in einem Atomkraftwerk“.
Eine Versicherung für Atomkraftwerke existiert bereits, doch beläuft sich die Haftung der Betreiber in Deutschland bei einem schweren Unfall auf maximal 2,5 Milliarden Euro – von denen aber nur 255 Millionen über eine Versicherung abgedeckt wird. In anderen EU-Ländern ist die Haftungssumme noch geringer, eine einheitliche Regelung existiert nicht. Grundsätzlich führt das anheben der Haftungsgrenze aber zur Verteuerung von Atomstrom, was ihn gegenüber anderen Energieträgern unwirtschaftlich werden lässt. In der Versicherungsbranche werden „Focus“ zufolge 20 Milliarden Euro für eine vorstellbare Entschädigungsgrenze gehalten. Oettinger will seinen Vorschlag bis Jahresende vorlegen.
Kürzlich wurden aktuelle Zahlen für die Schadensberechnung des Super-GAU von Fukushima veröffentlicht. Die korrigierten Schätzungen für die Folgenbeseitigung belaufen sich nun – zwei Jahre nach dem Beginn der Katastrophe – auf bis zu 44 Milliarden Euro.
Atomkraftgegner warnen also vor dem Weiterbetrieb der Atomkraftwerke: Ein schwerer Unfall etwa in einer dicht besiedelten Region hätte dramatische Folgen für die dort lebenden Menschen, die Wirtschaft und künftige Generationen. In solch einem Fall könnten die Größenordnungen des Schadens nur geschätzt werden, wobei im Einzelfall das menschliche Leid und der Verlust der Lebensgrundlage in Geld kaum zu beziffern ist. Deshalb wurde in der Vergangenheit die Forderung nach einer Deckungssumme von einer Billionen Euro aufgestellt – was Atomstrom unweigerlich derartig verteuern würde, dass die Meiler vom Netz gehen würden.
- Wir fordern von Politik und Wirtschaft, dem Eingeständnis Oettingers, dass „vollständige Sicherheit allein theoretisch“ bleibt, nachzukommen. Künftig darf keine Atomanlage mehr als „sicher“ bezeichnet werden – weil sie ist nicht sein kann. Damit stirbt der allerletzte Mythos der Atomkraft.
- Sicherheit “mangelhaft” – Bei Atom-Unfall droht der Schweiz Staatsbankrott
26. Juli 2013 – Im Falle eines Atom-Unfalls droht der Schweiz auch eine finanzielle Katastrophe, meint Greenpeace: Die Umweltorganisation fordert strengere Vorschriften. Bei einer aktuellen Sicherheitsbewertung bekommt der weltweit älteste Reaktorblock Beznau-II nur ein “mangelhaft”.
- Milliardengrab Fukushima mahnt: Atomanlagen stilllegen
24. Juli 2013 – Die Kosten des mehrfachen Super-GAU in Japan sind viel höher als gedacht. Die Sanierungsarbeiten könnten Schätzungen zufolge Prognosen weit übersteigen. Die Katastrophe mahnt damit zur Stilllegung aller Atomanlagen!
- Versicherungswissenschaft belegt: AKW sind nicht versicherbar
19. März 2013 – Angesichts der aktuellen Berichterstattung über viel zu niedrige Haftungsgrenzen für die Betreiber von Atomkraftwerken weist der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) noch einmal auf eine Studie der Versicherungsforen Leipzig GmbH hin, die belegt, dass Kernkraftwerke in Deutschland massiv unterversichert sind. Adäquate Haftpflichtprämien würden Atomstrom unwirtschaftlich machen.
- Studie: Mangelhafte Versicherung von AKW verstösst gegen Europarecht
15. Februar 2013 – Rückt das Aus für Atomstrom näher? Eine neue Studie der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) stellt fest, dass indirekte Subventionen für AKW-Betreiber gegen Europarecht verstoßen und deshalb verboten werden müssen. Es geht um die fehlende Haftung der AKW-Betreiber bei schweren Unfällen. Würden die Meiler ausreichend versichert, wäre Strom aus Atomkraftwerken nicht mehr wirtschaftlich. Atomkraftgegner fordern das umgehende Aus für die letzten neun deutschen AKW.
- Oettinger will “Pflichtversicherung” für Atomunfälle
8. Oktober 2012 – EU-Kommissar Oettinger will die Betreiber von Kernkraftwerken verpflichten, künftig eine Versicherung für Atomunfälle abzuschließen. Die Kommission erwägt im kommenden Jahr einen Regelungsvorschlag vorzulegen. Der weltgrößte Rückversicherer Munich Re kündigt “gewisse Höchstsummen” an. Atomkraftgegner fordern realistische Deckungsvorsorgen in Höhe von einer Billionen Euro. Das würde Atomstrom so teuer machen werden, dass er unwirtschaftlich wird.
Quelle (Auszug): focus.de, 27.07.2013