Sicherheitsexperten: Das AKW Gundremmingen ist nicht sicher
Die Bürgerinitiative FORUM hatte den Wiener Professor und ehemaligen Leiter der Atomaufsicht im deutschen Bundesumweltministerium eingeladen. Er referierte über die Gefahren der zwei alten Gundremminger Siedewasserreaktoren. Dabei äußerte er sich auch zur beantragten Ausweitung der Leistung dieser Atommeiler.
Die beiden Gundremminger Siedewasserreaktoren gehören zur Baulinie (19)72. Diese Baulinie wurde nicht fortgesetzt. Sie entspricht auch nicht dem Stand von Wissenschaft und Technik. Wenn heute noch AKW in Deutschland gebaut werden dürften, würden diese beiden Reaktoren wegen veralteter Technik nicht mehr genehmigt werden. Bei der Konstruktion konnten natürlich nur Erkenntnisse und Störfälle berücksichtigt werden, die damals bekannt waren. Aber durch die Erfahrungen von Harrisburg (1979), Tschernobyl (1986), New York (2001) und Fukushima (2011) weiß man heute viel mehr über die Gefahren von Großunfällen und Anschlägen.
Die Gundremminger Reaktordruckbehälter (RDB) sind durch Druck, Hitze und den Neutronenbeschuß nach jetzt fast 30 Jahren Betriebszeit sehr strapaziert. Vermutlich erreichen Teilbereiche Spannungsgrenzwerte. Nicht nur der Reaktor selber sondern auch die Unterlagen sind gealtert. Erstaunliche Erfahrungen anderer Anlagen zeigen, daß nach so langer Zeit manche Unterlagen nicht mehr stimmen.
Beabsichtigte Ausweitung der Leistung
Beantragt ist, mehr Dampf zu produzieren: 320 MW, also 160 MW je Block. Dadurch kann im Prinzip Strom von etwa 56 MW in jedem Reaktor, zusammen also 112 MW, mehr erzeugt werden. Die zwei alten Turbinen können so viel zusätzlichen Dampf gar nicht verarbeiten. Deswegen kann die Atomausweitung, falls sie genehmigt werden sollte, vorläufig nur zum Teil umgesetzt werden. Es sei denn, die Turbinen würden erneuert.
Wenn die Reaktoren mit höherer Leistung betrieben werden, werden Sicherheitsreserven kleiner. Beispielsweise müßte das für den Notfall vorgesehene Druckentlastungssystem (venting) etwa zwei Stunden früher die nur zum Teil gefilterten radioaktiven Gase in die Umwelt abblasen. Nach etwa 11 statt 13 Stunden. Dementsprechend müssten auch die Katastrophenschutzpläne verändert werden.
In Folge der Erkenntnisse der letzten Jahre und Jahrzehnte muss eigentlich nachgewiesen werden, dass die Gundremminger Blöcke auch nach der beantragten Ausweitung der Leistung die relevanten Störfälle beherrschen würden. Der Genehmigung der Anlage lag die Störfallliste von 1983 zu Grunde. Bei der Prüfung der beabsichtigten Leistungsausweitung müßte jedoch begutachtet werden, ob die Anlage mit all ihren Teilen auch die Störfälle, die in der aktualisierten Liste stehen, beherrschen würde. Das hat jedoch die Bayerische Genehmigungsbehörde wohl nicht verlangt.
Dieter Majer, der als ehemaliger Unterabteilungsleiter im Range eines Ministerildirigenten im Bundesumweltministerium für die Sicherheit kerntechnischer Anlagen verantwortlich war, äußerte in der Diskussion und unter Bezugnahme auf seine jüngsten gutachterlichen Stellungnahmen:
- Für kein deutsches Kernkraftwerk ist nachgewiesen, dass es den Absturz einer mittleren oder gar großen Verkehrsmaschine standhielte. Angedachte Gegenmaßnahmen wie Vernebelung oder Störung von GPS-Systemen haben sich als unwirksam oder nicht durchführbar erwiesen. Die Gundremminger Siedewasserreaktoren sind, da der Wasser-Dampf-Kreislauf vom Reaktorgebäude aus auch in das relativ ungeschützte Maschinenhaus führt, verwundbarer als Druckwasserreaktoren.
Bei der Genehmigung der deutschen Kernkraftwerke hat man Flugzeugabstürze nicht wie andere Auslegungsstörfälle – z. B. Bruch von Hauptkühlleitungen oder Erdbeben – umfassend geprüft. Sondern man hat sich mit punktuellen Schutzmaßnahmen zufrieden gegeben. Zudem sind beim Flugzeugabsturz nur Militärmaschinen betrachtet worden, die zur Zeit des Baus der Anlage im Einsatz waren. Also Starfighter und Phantom. Der unabsichtliche oder absichtliche Absturz von Zivilmaschinen, die zwar meistens langsamer sind aber auch viel mehr Masse und Treibstoff haben, wurde nicht als Auslegungsstörfall geprüft. In Gundremmingen ist riskant, dass dort anders als bei allen sonstigen noch laufenden deutschen Kernkraftwerken, die verbrauchten Brennelemente außerhalb des Sicherheitsgebäudes gelagert werden.
- Das AKW Gundremmingen ist Deutschlands gefährlichste Atomanlage – und ist überflüssig.
Der Stromexportüberschuß Deutschlands übertraf im ersten Halbjahr 2013 die Produktion des AKW Gundremmingen. Das AKW Gundremmingen hat mit seinen zwei Meilern von Januar bis einschließlich Juni 2013 etwa 10 Milliarden Kilowattstunden Strom geliefert. Der Stromexportüberschuss Deutschlands lag jedoch schon bis Ende Mai bei 14 Milliarden Kilowattstunden wie das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) in Münster jetzt berichtete.
- Wir fordern, das AKW Gundremmingen wegen seiner übergroßen Risiken und weil es keine Entsorgung hat, abzuschalten! Und dann würde nicht einmal Strom in unserem Land fehlen.
- “Wir müssen weiter gegen das uns bedrohende AKW Gundremmingen kämpfen”
12. Juli 2013 – Die Landtagsmehrheit war am 11.7. noch nicht bereit, gegen die Ausweitung der Gundremminger Atomproduktion zu stimmen. Umweltschützer werden jetzt selbst die bisher unterm Tisch gehaltenen Sicherheitsprobleme öffentlich machen.
- Gundremmingen: 6.700 Unterschriften gegen AKW-Leistungserhöhung
17. Juni 2013 – Atomkraftgegner haben 6.700 Petitionen gegen die Ausweitung der Atomproduktion im AKW Gundremmingen dem Bayerischen Landtag übergeben. Minister Seehofer hat angekündigt, sich “um das Thema zu kümmern”.
- Greenpeace: Betreiber des AKW Gundremmingen ignoriert Ergebnisse des “Stresstest”
21. April 2013 – Die Betreiber des AKW Gundremmingen ignorieren die Empfehlungen des EU-Stresstests, befindet Greenpeace. Beide Reaktoren Gundremmingen B und C seien weiterhin extrem anfällig für Erdbeben und Überflutungen und die Lagerbecken für abgebrannte Brennelemente liegen außerhalb des Reaktorsicherheitsbehälters, genau wie bei den Unglücksreaktoren von Fukushima. Die letzten beiden Siederwasserreaktoren Deutschlands sind zu wenig gegen Außeneinflüsse geschützt und es gibt keine Pläne, wie mit auftretenden Problemen umgegangen wird. Stattdessen planen die Betreiber, die Stromproduktion zu erhöhen, was den Sicherheitsspielraum noch weiter verkleinern könnte.
- Falsches Spiel um defekte Brennelemente im AKW Gundremmingen
9. April 2013 – Seit etwa 2010 fallen im AKW Gundremmingen vermehrt undichte Spaltelemente auf. “2012 hat es in Block C keine Brennelementdefekte gegeben”, berichtet der Betreiber der letzten Siederwasserreaktoren in Deutschland. Atomkraftgegner unterstellen falsches Spiel, denn nach der Revision 2012 war sehr wohl von undichten Brennelemente berichtet worden. Der Betreiber ist zur Zeit in Block B auf der Suche nach neuen Defekten.
Quelle: PE FORUM, www.atommuell-lager.de 31.07.2013