Die Mär vom günstigen und sauberen Atomstrom
Großbritannien setzt auf Atomkraft: Sieben neue Meiler sollen bis 2030 gebaut werden- obwohl das Potenzial für Windenergie auf der Insel riesig ist. Dabei ist die Atomenergie weder sauber noch besonders günstig, schreibt Hermann Falk, Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE).
Der französische Stromkonzern EDF und zwei chinesische Staatsunternehmen sollen den Briten bis 2023 ein Atomkraftwerk mit zwei Blöcken in der Grafschaft Somerset bauen. Und bis 2030 sollen sieben weitere AKW folgen. Während die britische Regierung die „saubere und kostengünstige Kernenergie“ preist, obwohl sie eigentlich 50 Prozent des europäischen Windkraftpotenzials nutzen könnte, legt man hierzulande die verbliebenen Atommeiler bis 2022 still und setzt auf eine Energiewende hin zu erneuerbaren Quellen. „Wer liegt hier falsch?“ fragt Falk im FOCUS.
Sauber sei die Atomenergie nur bei einer sehr naiven Betrachtung, zum Beispiel wird immer wieder von Lecks im britischen Sellafield berichtet, wo Radioaktivität ins Meerwasser gelangt. Für die Entsorgung der nuklearen Abfälle des neuen AKW wolle EDF nun „formal die Verantwortung“ übernehmen, aber weder die Franzosen noch die Briten noch sonst irgendjemand auf der Welt habe eine wirklich sichere Lösung für die Endlagerung des Atommülls. Auch kostengünstig sei die Atomenergie nicht, argumentiert Falk, das zeige sich jetzt „überdeutlich“ in Großbritannien: Dort vereinbarten die Regierung und das Betreiberkonsortium eine feste Vergütung für 35 Jahre, von 2023 bis 2058.
Bei einer Anfangsvergütung von 10,4 Cent würden die Betreiber bei einer konservativ gerechneten Inflationsrate von zwei Prozent eine Vergütung in Höhe von 34,5 Cent in 20 Jahren erhalten. In Deutschland würden die Erneuerbaren Energien dagegen „zum Sparpreis“ produzieren: Windstrom erhält derzeit circa. 9 Cent/ kWh über 20 Jahre. Britischer Atomstrom kostet zudem mehr als das 3,5-fache der aktuellen Solarstromvergütung für Freiflächenanlagen und mehr als das Doppelte der Vergütung für kleine Photovoltaik-Anlagen. Zusätzlich verteuern sich die bestehenden europäischen AKW-Baustellen erheblich: Die Kosten für den neuen Reaktor im französischen AKW Flamanville stiegen bislang von geplanten 3,3 auf mindestens 8,5 Milliarden Euro.
Hermann Falk appelliert:
„Es gibt für Deutschland keinen Grund, sich an Ländern wie Großbritannien, Finnland, Polen oder Tschechien, die neue AKWs bauen wollen, ein Vorbild zu nehmen. Weder Kosten noch Preise sprechen dafür und auch nicht die Versorgungssicherheit. Bis alle AKW bei uns im Jahr 2022 abgeschaltet sind, werden längst so viele Unternehmen und Privatpersonen dezentral, sicher, menschen- und umweltfreundlich Strom produzieren, dass auch rein praktisch niemand mehr auf die teure und gefährliche Nukleartechnologie angewiesen sein wird.“
- Neue britische Atomreaktoren sind energiepolitischer Irrsinn
24. Oktober 2013 – Die britische Regierung will in Hinkley Point in der Grafschaft Somerset zwei neue Atomreaktoren errichten und diese spätestens im Jahr 2023 in Betrieb nehmen. Die beiden Druckwasserreaktoren mit einer Kapazität von je 1,6 Gigawatt sollen nach den ersten Planungen 19 Milliarden Euro kosten. Für alle Mehrkosten wird der britische Staat haften. Die NaturFreunde Deutschlands kündigen Widerstand gegen den Bau der AKW in England an.
- England: AKW Hinkley Point C wird immer teurer
24. Juni 2013 – Seit Monaten laufen die Verhandlungen zwischen dem französischen Energieversorger EDF und der Britischen Regierung über den Einspeisepreis für das britische Atomkraftwerk Hinkley Point C, berichtet Hans-Josef Fell, Sprecher für Energie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Es zeige sich wieder einmal, wie wahnwitzig teuer neue Atomkraftwerke sind.
- Finnland: EPR in Olkiluoto wird noch teurer
21. Juni 2013 – Es braucht noch mehr Geld für die Fertigstellung des Prestigemeilers “Europäischer Druckwasserreaktor” (EPR) am finnischen Standort Olkiluoto. Das Projekt sollte den Weg der europäischen Atomfirmen ebnen, weltweit neue AKW zu bauen. Es ist aber vor allem eines: Ein finanzielles Desaster.
- England will AKW bauen – ausgerechnet ein “EPR”
19. März 2013 – Erstmals seit 1995 soll in Großbritannien ein neues Atomkraftwerk entstehen. Wie das Ministerium für Energie und Klimawandel mitteilte, wurde die Baugenehmigung für das Akw des französischen Stromkonzerns EDF in Hinkley Point in Westengland erteilt. Die Errichtung von zwei Meilern des Typs “EPR” in Finnland und Frankreich ist bereits massiv teurer geworden als geplant. Nun droht auch England ein finanzielles Desaster, das mit Steuergeldern kompensiert werden soll. - “EPR”: Auch in Frankreich Explosion der Kosten
4. Dezember 2012 – Statt den anfangs veranschlagten 3,3 Milliarden Euro beziffert der französische Energiekonzern EdF die Kosten der “Prestige-Reaktors”, der in Flamanville gebaut wurde, nun auf 8,5 Milliarden. Trotzdem wird weiter an dem Reaktor gezimmert, der in Europa die “Renaissance der Atomkraft” einläuten sollte. Auch in Finnland erlebt der Hersteller Areva einen Finanz-GAU.
Quelle (Auszug): focus.de, 30.10.2013