Starker Anstieg der radioaktiven Emissionen aus dem AKW Neckarwestheim 2 durch defektes Brennelement
Seit dem 26. Okt. 2013 stieg die in die Luft „entsorgte“ Radioaktivität aus dem Block 2 des Atomkraftwerk Neckarwestheim massiv an, zeitweise bis auf das 23fache des Üblichen, und pendelt sich erst langsam wieder auf den „normalen“ Stand ein. Das Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn fordert Transparenz und sofortige Maßnahmen.
Seit 21.09. war das Kraftwerk GKN 2 für die jährliche Revision (u. a. Brennelement-Wechsel) heruntergefahren und wurde dann am 12.10. wieder hochgefahren. Am 23.10. veröffentlichte die EnBW eine Pressemitteilung [1] man plane gemäß „ihrem sicherheitsgerichteten Verhalten“ eine Reaktorabschaltung wegen Verdacht auf Brennelementdefekt. Es gibt hierzu keinerlei weitere Informationen oder Warnungen, weder von der EnBW noch von der Atomaufsicht.
Undichtigkeiten von Brennelementen können z.B. Ergebnis von hitze- oder korrosionsbedingten Verformungen der Brennelemente sein. Verformungen können sogar dazu führen, dass sich Brennelemente verklemmen. Das Problem ist anscheinend aus Sicht der EnBW so gravierend, dass sie den Reaktor heruntergefahren haben, um die Sache zu prüfen und nach dem defekten Element zu suchen.
Konkrete Zahlen: GKN 2 gibt üblicherweise pro Stunde Edelgase mit einer Aktivitätsrate von ca. 310 Millionen Becquerel ab (der stillgelegte Block 1 meistens noch ein paar Prozent mehr). Am Anfang der Revisionen, also bei Öffnen des Reaktordruckbehälters, stieg diese Menge in der Vergangenheit meistens auf etwa die doppelte Höhe. Aktuell zeigte sich am 26.10., mutmaßlich nach dem Öffnen des Druckbehälters, ein anhaltender Anstieg auf etwa das Vierfache und am 27.10. sogar auf das 23fache, nämlich bis 7,244 Milliarden Becquerel pro Stunde. [2]
- Wir sehen darin den Beweis, dass tatsächlich ein Brennelementschaden bestand. Der Zeitpunkt lässt vermuten, dass ein Fehler bei der Revision dazu geführt haben könnte.
Hintergrund: Das Atomrecht erlaubt AKW-Betreibern ein ständiges Hinausblasen von radioaktivem Material (Gase, Aerosole, Partikel) über die an jedem Standort extra gebauten Giftkamine. Diese Erlaubnis missachtet das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit der Anwohner. Der Trick besteht in der Festlegung hoher „Grenzwerte“ zum Schutz des AKW-Betriebs. Die durch die Kinderkrebsstudie nachgewiesene äußerst hohe Wahrscheinlichkeit für vermehrte Krebsentstehung in der Nähe von AKWs dürfte hauptsächlich von dieser Freisetzung radioaktiver Stoffe kommen.
„Selbst die massive Erhöhung insbesondere am 27.10. ist noch von den laschen Tages- und Jahresgrenzwerten gedeckt“, beklagt Franz Wagner vom Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn, „Es ist ein Skandal, dass der Gesetzgeber in Form der Grenzwerte quasi festlegt, wie viel Krebs ein AKW erzeugen darf. Diese amtliche Verseuchungserlaubnis gilt auch anschließend für stillgelegte AKWs wie GKN Block 1 und erst recht für die schmutzigen Abrissarbeiten.“
„Es darf nicht sein, dass das Umweltministerium und die EnBW hier vertuschen und verharmlosen“ kritisiert Daniel Knoll vom Aktionsbündnis Energiewende das Land und den Betreiber: „Warum wurde die Bevölkerung nicht vor der absehbaren Radioaktivitätssteigerung gewarnt? Hier geht wohl doch Profit vor Sicherheit.“
- Wir fordern sofortige Aufklärung, Schadensbegrenzung und Vorsorge:
- Wie viel und welches radioaktive Material wurde insgesamt zusätzlich in die Umwelt abgegeben und wann?
- Wie viele Brennelemente sind defekt? Neue oder schon ältere? Uran- oder Plutonium-Brennelemente (MOX)?
- Was ist die Ursache des Defektes?
- Sind Form und Stabilität des oder der beschädigten Brennelemente beeinträchtigt?
- Gab es erhöhte Korrosion?
- Wie ist die radioaktive Mehrbelastung des Wassers im Primärkreislauf einzuschätzen und welche Folgen hat diese?
- Welche Maßnahmen wurden zur Behebung getroffen?
- Welche Maßnahmen werden zur Vorsorge gegen Wiederholung ergriffen?
- Warum wurde der mutmaßliche Brennelementeschaden noch nicht veröffentlicht?
- Warum ist bisher keine Einstufung als meldepflichtiges Ereignis erfolgt?
- Ist es zu verantworten, dass das Land gleichzeitig Besitzer und Aufsicht der EnBW ist?
Es gibt keinen Bedarf mehr für den Weiterbetrieb der AKWs. Dieser ist unverantwortlich und muss sofort beendet werden. Jeder weitere Tag bedeutet: mehr Gefahren, mehr freigesetzte radioaktive Stoffe, noch größerer Müllhaufen bei Abschaltung und Abriss. Schluss jetzt!
[1] http://www.enbw.com/unternehmen/presse/pressemitteilungen/presse-detailseite_45718.html
[2] www.um.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/71644/kurven_gkn2_abluft.csv
- AKW Neckarwestheim: Schlampereien gehen weiter
24. Oktober 2013 – Offenbar ist das Atomkraftwerk Neckarwestheim Block 2 bereits abgeschaltet – und wird nicht erst morgen “vorsorglich” vom Netz genommen. Erneut meldet Betreiber EnBW eine Panne, die auf ungeheuerliche Schlampereien während der Wartungsarbeiten hinweisen.
- Weiterhin kein Terrorschutz für AKW Neckarwestheim
23. Oktober 2013 – Das Vorhaben, sämtliche Atomkraftwerke in Baden-Württemberg besser vor Terrorpiloten zu schützen, verzögert sich. Um denen die Sicht “zu vernebeln”, sollen Anlagen mit “Blitznebel” installiert werden. Doch das Atomkraftwerk Neckarwestheim bleibt vorerst schutzlos.
- Neckarwestheim: Block 2 muss vom Netz
23. Oktober 2013 – Nur neun Tage nach der Wiederinbetriebnahme muss Block 2 des Atomkraftwerks Neckarwestheim wieder vom Netz. Grund ist ein vermutetes defektes Brennelement im Reaktor. Parallel meldet der Betreiber auch einen neuen Störfall. Atomkraftgegner fordern die sofortige Stilllegung des Meilers.
- Blindflug bei GAU: Neckarwestheim weiter ohne Notfallpläne
31. Juli 2013 – Am Atomstandort Neckarwestheim soll Block 2 noch bis 2022 in Betrieb bleiben. Doch überarbeitete Notfallpläne für den Super-GAU gibt es bis heute nicht. Atomkraftgegner fordern daher die sofortige Stilllegung des Meilers.
- Rückbau des AKW Neckarwestheim ohne Bürgerbeteiligung
18. Juni 2013 – Der Energieversorger EnBW hat vor einigen Wochen den Antrag für den ersten Rückbauschritt des stillgelegten Atomkraftwerks Neckarwestheim I beim Landesumweltministerium eingereicht. Nun wird am 4. Juli 2013 ein “Scoping-Termin” im Umweltministerium stattfinden – trotz möglicher Bürgerbeteiligung ohne die Initiativen vor Ort.
Quelle: PE Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn, 01.11.2013