Neckarwestheim: Strahlung ist kein Problem – und ein Deal soll die Sicherheit erhöhen
Mit einem Offenen Brief nimmt Baden Württembergs Umweltminister zu der erhöhten Strahlung aus dem Atomkraftwerk Neckarwestheim Stellung. Nicht „im Ansatz“ hätte eine Gefahr für die Menschen um den Reaktor bestanden. Derweil versuchen die Grünen mit einem „Deal“ die Einlagerung der Brennelemente aus dem AKW Obrigheim zu rechtfertigen.
Mit einem offenen Brief hat das Umweltministerium auf Fragen und Kritik des Aktionsbündnisses Energiewende Heilbronn reagiert. Das Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn hatte Anfang November auf erhöhte Strahlungswerte aus dem AKW Neckarwestheim-2 aufmerksam gemacht, nachdem das Kraftwerk defekte Brennelemente gemeldet hatte.
Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) spricht von einer „in der Sache teilweise unangemessene öffentliche Diskussion“ – gibt aber offen zu, dass es „erhöhte Emissionswerte“ gab. Allerdings sei die abgegebene Aktivität über den gesamten Zeitraum „in Summe kleiner als 1 Prozent eines zulässigen Tageswertes“ gewesen, die von dieser Abgabe ausgehende zusätzliche Strahlenbelastung „als vernachlässigbar im Vergleich zur Belastung durch natürliche Strahlung“ zu bewerten und „zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die Bürger in der Umgebung der Anlage auch nur im Ansatz“ bestanden hätte.
- Wäre es nicht vom Umweltministerium, könnte diese Beschwichtigung auch von AKW-Betreiber EnBW geschrieben haben. Der Konzern EnBW gehört allerdings zu 46 Prozent dem Land Baden-Württemberg. Sich allein auf das Unterschreiten bestehender Grenzwerte zu beziehen, sei anlässlich der Tatsache, dass selbst die Weltgesundheitsorganisation anmerkt: „keine Strahlung ist ungefährlich!“ eine Armutszeugnis.
Parallel unterbreiten die Grünen aus dem Kreisverbänden Neckar-Odenwald, Heilbronn und Karlsruhe Land, in denen sich die Atomanlöagen Obrigheim udn Neckarwestheim befinden, einen Vorschlag hinsichtlich der geplanten Verlagerung der Brennelemente aus dem im Abbau befindlichen Obrigheim. EnBW kündigte kürzlich an, 342 abgebrannten Brennelemente, die sich dort in einem Nasslager befinden, in 15 Castorbehältern nach Neckarwestheim überführen lassen zu wollen. Für eine Überführung sind Genehmigungen notwendig, die frühestens 2016 vorliegen könnten.
Die Grünen stimmten dieser Idee, die EnBW wesentlich günstiger kommt als der Bau eines neues Standortzwischenlagers in Obrigheim, grundsätzlich zu. Mit einem „Deal“ sollen die Transporte nun endgültig gerechtfertigt werden: Die Risikoerhöhung am Standort Neckarwestheim solle durch die Reduktion der Laufzeit von Block 2 relativiert werden. Die von Neckarwestheim II noch zu produzierende Müllmenge solle so reduziert werden, dass 15 Castoren weniger zu ihrer Aufbewahrung gebraucht werden. Die Castoren-Anzahl im Zwischenlager Neckarwestheim wäre dann nicht erhöht. Durch die Laufzeitverkürzung hätte die Bevölkerung vor Ort nach Ansicht der Grünen einen Sicherheitsgewinn. Für die EnBW stehe dem ökonomischen Verlust durch eine Laufzeitverkürzung die Ersparnis der Investition in ein weiteres Zwischenlager gegenüber.
Atomkraftgegner lehnen den Castortransport Obrigheim-Neckarwestheim ab:
„Wenn Umweltministerium Baden Württemberg und Atombetreiber EnBW rein zur Kostenoptimierung Castortransporte durch das Neckartal wollen, statt das beantragte Castorlager in Obrigheim endlich in verbesserter Form zu bauen, weckt dies Zweifel an der Unabhängigkeit der beim EnBW-Besitzer, dem Land Baden-Württemberg, angesiedelten Aufsicht“, gibt Gottfried May-Stürmer vom Aktionsbündnis zu denken. Jeder einzelne Castortransport, egal ob per Schiff, per Bahn oder auf der Straße, sei ein unkalkulierbares Risiko für ein riesiges Gebiet.
- AKW Neckarwestheim: Erneut Anstieg der Strahlung
10. November 2013 – Schon zum zweiten Mal während der letzten 14 Tage sind im Atomkraftwerk Neckarwestheim die Abgabewerte für Radioaktivität deutlich erhöht gewesen. Wenn auch gesetzlich festgelegte Grenzwerte eingehalten wurden, so erfüllen beide Ereignisse AtomkraftgegnerInnen mit Sorge.
- Castoren: Keine Scheinlösungen! Radioaktivität lässt sich nicht kontrollieren
13. November 2013 – Das Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn fordert: keine Castortransporte durch das Neckartal, keine Verharmlosung der radioaktiven Belastung, eine strikte Trennung von Atomwirtschaft und Atomaufsicht, sofortiges Abschalten der Atomkraftwerke.
- Starker Anstieg der radioaktiven Emissionen aus dem AKW Neckarwestheim 2 durch defektes Brennelement
3. November 2013 – Seit dem 26. Okt. 2013 stieg die in die Luft „entsorgte“ Radioaktivität aus dem Block 2 des Atomkraftwerk Neckarwestheim massiv an, zeitweise bis auf das 23fache des Üblichen, und pendelt sich erst langsam wieder auf den „normalen“ Stand ein. Das Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn fordert Transparenz und sofortige Maßnahmen.
- ENBW plant Atommüll-Transport nach Neckarwestheim
17. April 2013 – Es ist noch viel Platz frei im Zwischenlager Neckarwestheim, deswegen plant der Betreiber EnBW die Überführung der Brennelemente aus dem stillgelegten AKW Obrigheim in die Halle am Neckar. Atomkraftgegner halten die Transporte für überflüssig und gefährlich.
- Wohin mit dem hochradioaktiven Atommüll aus Obrigheim?
22. Dezember 2012 – Seit mehreren Jahren weisen Mitglieder der Initiative AtomErbe Obrigheim darauf hin, dass im AKW Obrigheim 342 abgebrannte hochradioaktive Brennelemente in einem Nasslager innerhalb der Anlage liegen und damit die Risiken beim Rückbau des Atomkraftwerks erhöhen. Dieses in den 1980er Jahren gebaute Nasslager war ursprünglich nur für die Notauslagerung der Brennelemente vorgesehen und wurde Ende der 1990er Jahre zum längerfristigen Zwischenlager umdefiniert. An allen anderen AKW-Standorten Deutschlands werden die abgebrannten Brennelemente in CASTOR-Behältern trocken gelagert.
Quellen (Auszug): um.baden-wuerttemberg.de, rnz.de; 19.11.2013