Greifswald: Freispruch für Schienenblockierer!
Der letzte Castor-Transport durch Mecklenburg-Vorpommern liegt nun schon fast drei Jahre zurück. Dennoch sind Strafverfahren gegen aktive Menschen, die sich dem hoch-radioaktivem Material entgegen stellten, noch nicht abgeschlossen. Heute wurden zwei Männer freigesprochen.
Gegen zwei Aktive aus Rostock, die sich zu Februar CastorTransport 2011 aus dem Kernforschungszentrum Karlsruhe nach Lubmin in der Nähe von Ribnitz-Damgarten aus Protest an die Gleise gekettet hatten, wird in zwei Tagen, dem 28.11.2013 ab 10:00, Raum 023 im Amtsgericht Ribnitz-Damgarten wegen angeblicher Nötigung verhandelt.
Nach Meinung der Beschuldigten sitzen sie zu Unrecht auf der Anklagebank, denn sie machten von Ihrem Versammlungsrecht Gebrauch, um ein deutliches Zeichen gegen die Nutzung der Atomkraft zu setzen. Kurz nach der Durchführung der Protestaktion kam es zum Super-GAU in Fukushima und die Bundesregierung beschloss mal wieder den Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie. Jedoch wird weiter in Atomkraftforschung investiert, AKW Bauten im Ausland unterstützt und sowohl die Urananreicherung in Gronau, die Herstellung von Brennelementen in Lingen sowie der Handel und Transport von Rohstoffen und Fertigerzeugnissen der Atomindustrie sind vom sogenannten Atomausstieg ausgenommen. Die fast täglich laufenden Transporte radioaktiver und toxischer Stoffe, wie Uranhexafluorid und fertige Brennelemente über Landstraßen und Autobahnen, durch Städte und Dörfer, via Schienen- und Luftverkehr sowie über See sollen also noch nicht mal bis zum geplanten Abschalten des letzten Atommeilers in Deutschland im Jahr 2022 beendet werden.
Welche Gefahren damit einhergehen, zeigte zuletzt eine Beinahekatastrophe am 1. Mai 2013 in Hamburg. Dort war Ladung des Frachters “Atlantic Cartier” unter Deck in Brand geraten. Mit an Bord waren mehrere Tonnen Uranhexafluorid, neben Spiritus und Raketentreibstoffen. Bei Freisetzung von Uranhexafluorid und Reaktion mit Wasser kann es zu tötlichen Verätzungen der Lungen in einem Umkreis von mehreren Kilometern kommen. Glücklicherweise kam es wohl zu keiner Freisetzung von Uranhexafluorid. Der Brand konnte erst nach 15 Stunden unter Kontrolle gebracht werden. Zeitgleich fand wenige hundert Meter entfernt die Auftaktveranstaltung des evangelischen Kirchentages mit mehreren zehntausend BesucherInnen statt. Immer wieder kommt es zu solchen Unfällen und Brände auf Fähren sind auch keine Seltenheit.
Zuletzt am 18.10.2013 kollidierte der Atomfrachter “Mikhail Lomonosov” in der Nacht kurz vor Rügen mit einer Segelyacht. Der Kapitän der Segelyacht gab an, dass der Gefahrgutfrachter nur unzureichend beleuchtet gewesen wäre. Auch über den Rostocker Hafen werden regelmäßig hochradioaktive Güter auf Personenfähren von und nach Schweden mit transportiert. Ist der Protest gegen diese unzumutbaren Gefahren kriminell oder die die solches veranlassen?
Sollte sich Protest, trotz dieser akuten Gefahrenlagen, auf den bloßen Appell bei Straßendemonstrationen beschränken? Die Angeklagten haben vor Gericht dargelegt, warum ein solches Verfahren schon gar nicht hätte eröffnet werden dürfen.
“Nicht wir, die Atomindustrie gehört auf die Anklagebank”, sagt einer der Angeklagten. „Der Straftatbestand der Nötigung ist konstruiert, wie auch das Verfahren zeigen wird. Wir sollen stellvertretend bestraft werden, damit nicht noch mehr Leute auf die Idee kommen, sich wirkungsvoll gegen die Zumutungen der Atomindustrie zur Wehr zu setzen.“
Das Gericht sprach die zwei Aktivisten heute frei: die Aktion sie „völlig in Ordnung gewesen“. Die Blockade sei weder als Nötigung noch als Störung des öffentliches Betriebs zu interpretieren. Die Männer hatten sich bei Ribnitz-Damgarten in Mecklenburg-Vorpommern an die Gleise gekettet und den Transport damit kurzzeitig verzögert.
- Karlsruhe: Versammlungsverbot bei Castortransport war rechtswidrig
20. November 2013 – Mit einer “Nachttanzblockade” riefen AtomkraftgegnerInnen im Februar 2011 zu Protesten gegen einen Atommülltransport aus dem Forschungszentrum Karlsruhe in das Zwischenlager Nord bei Greifswald auf. Die Stadt Karlsruhe vermutete eine “hohe Gefahr für unfriedliche Versammlungen, insbesondere in Form von Sitzblockaden auf Eisenbahnschienen” und erliess ein generelles Versammlungsverbot. Das war verfassungswidrig.
- Castor-Protest: Prozess gegen Anti-Atom-Aktivisten rückt näher
22. Februar 2013 – Trotz angekündigtem Ausstieg der Bundesregierung aus der Atomkraft werden Anti-Atom-Aktivisten weiter rechtlich verfolgt. Auf nahezu der gesamten Strecke von Protesten begleitet waren am 16./17.02.2011 fünf Castor-Behälter, gefüllt mit 16 Kilogramm Plutonium und über 500 Kilogramm Uran aus dem ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe nach Lubmin gebracht worden. Zwischen Rostock und Stralsund musste der Transport mehrmals stoppen, einmal etwa drei Stunden, da sich Personen auf den Bahngleisen befanden, die nicht ohne weiteres entfernt werden konnten.
- Komisch: Nicht die Atomindustrie, sondern der Widerstand gegen Atomkraft auf der Anklagebank
17. Januar 2013 – Zum Vorwurf der Nötigung muss sich ab dem ab 7.3. 2013, 10:00 ein Aktivist des AntiAtomBündnisses NordOst vor dem Amtsgericht Ribnitz-Damgarten verantworten. Protestierend gegen die Nutzung der Atomenergie wurde er während des Castortransportes von Karlsruhe nach Lubmin in den Morgenstunden des 17. 2. 2011 auf dem Bahngleis in der Nähe von Velgast gefunden.
dpa, Presseerklärung des Anti-Atom-Bündnis-Nordost, 26./27.11.2013