Schweiz: Ehemaliger Chef der deutschen Atom-Aufsicht fordert das AUS für Mühleberg und Beznau
Die beiden ältesten Schweizer Atomkraftwerke Mühleberg und Beznau sollen unverzüglich abgeschaltet werden. Das fordert Dieter Majer, ehemaliger Leiter der Abteilung «Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen» des deutschen Bundesumweltministeriums und langjähriger Vorsitzender der Deutsch-Schweizerischen Kommission für die Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen DSK.
In seiner heute den Medien vorgestellten Studie vergleicht er deren aktuellen Sicherheitszustand mit den heutigen Anforderungen für AKW – dem Stand von Wissenschaft und Technik. Er kommt dabei zu einem vernichtenden Urteil: Die beiden ältesten Werke sind von den heutigen Sicherheitsanforderungen weit entfernt und stellen ein untragbares Risiko für die Bevölkerung dar. Die Studie hat Majer im Auftrag von Greenpeace und der Schweizerischen Energie-Stiftung SES verfasst.
Die Schweizer Atomkraftwerke, allen voran Mühleberg und Beznau, gehören weltweit zu den ältesten Anlagen. Die Grundkonzepte stammen zum Teil aus den 1960-er Jahren und weisen schon allein deshalb gegenüber modernen Anlagen Defizite auf. Hinzu kommen weitgehend unerforschte Alterungsprozesse, wie etwa die Versprödung des Stahls des Reaktordruckbehälters durch Neutronenstrahlung. Man müsse auf Proben und Modellrechnungen vertrauen und dass sich die Materialien überall gleich verhielten – auch in Bereichen, die gar nicht zugänglich seien, erklärt Dieter Majer.«Das ist weder verlässlich noch vertrauenswürdig und entspricht nicht dem Sicherheitsbegriff, wie ich ihn mir vorstelle.»
Begrenzte Wirkung von Nachrüstungen
AKW-Betreiber würden immer wieder versichern, die älteren Kernkraftwerke seien runderneuert und verfügten über modernste Technik. Ihr Sicherheitsniveau sei mit dem neuerer Anlagen vergleichbar. «Diese Aussage ist falsch», hält Dieter Majer fest. Sicherheitsnachteile und konzeptionelle Schwächen der alten Bauweise bestünden in älteren Anlagen weitgehend weiter. Man könne schrauben und drehen, aber wie auch immer man es anstelle: das Ergebnis bleibe Stückwerk, so das Fazit der Studie.
Kritik an der Praxis des ENSI
Dem Problem der fehlenden Sicherheit werde mit dem Begriff «Stand der Nachrüsttechnik» beizukommen versucht. Dieser werde aber nur in der Schweiz verwendet und weil ihm keine international anerkannten Richtlinien und Kriterien zu Grunde lägen, sei er inhaltsleer. Der Sicherheitsbegriff werde dadurch sehr beliebig formbar, hält die Studie fest. Die vom ENSI im Einzelfall geforderten Nachrüstungen
seien denn auch nicht das Ergebnis eines systematischen Vergleiches mit den heutigen Sicherheitsanforderungen, sondern die Bilanz der Möglichkeiten, welche Massnahmen in den veralteten Anlagen überhaupt umsetzbar seien.
Unverzügliche Abschaltung gefordert
Dieter Majer, der Autor der Studie, stellt klar: «Insbesondere die Anlagen in Mühleberg und Beznau sollten wegen der bestehenden Sicherheitsdefizite unverzüglich abgeschaltet werden!» Und Jürg Buri, Geschäftsleiter der Schweizerischen Energiestiftung, folgert im Namen der beiden Organisationen SES und Greenpeace: «Die Risiken alter Atomkraftwerke werden hierzulande von allen Seiten verharmlost. Wir brauchen jetzt eine verschärfte und klar definierte Gesetzgebung. Das Parlament ist gefordert!»
Grösseres Risiko wegen Sicherheitsmängeln
«Nur mit einer Laufzeitbeschränkung für die bestehenden Anlagen kann das Unfallrisiko begrenzt werden», kommentiert Florian Kasser, Atomexperte bei Greenpeace. Ein Bauverbot für neue AKW alleine genüge nicht. «Mit dem Atomausstieg, wie Bundesrätin Doris Leuthard ihn will, ist die Bevölkerung wegen der fortdauernden Sicherheitsmängel, etwa aufgrund des zunehmenden Alters, grösseren Risiken ausgesetzt als vorher – obwohl spätestens seit Fukushima das Gegenteil gelten müsste.»
- Die Studie finden Sie unter www.energiestiftung.ch/files/ses_gp_studie_risiko_altreaktoren_schweiz.pdf
httpv://www.youtube.com/watch?v=NLhudXvJzq0