Atommüll-Kommission: Die Liste der acht „Wissenschaftler“
Seit Sommer 2013 gibt es bereits eine Liste von Personen, die die acht für die Wissenschaft reservierten Plätze in der Atommüll-Kommission einnehmen sollen. Bisher wurde diese Liste von den Parteien geheim gehalten. Mit den Personen wird das Ergebnis der Kommissionsarbeit vorbestimmt, kritisieren Atomkraftgegner.
Auf die acht Namen hätten sich Union, SPD und Grüne vorläufig geeinigt, es aber bis heute vermieden, diese Liste öffentlich zu machen, kritisiert Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt. Die politische Realität in der Atommüll-Debatte sei leider noch immer meilenweit von der angekündigten Transparenz und Beteiligung entfernt. So entstehe kein Vertrauen, sondern der Eindruck, dass bestimmte Personalien bewusst bis zum letzten Moment verschwiegen werden, um öffentliche Empörung zu vermeiden.
Die Einrichtung der Kommission steht auf der Tagesordnung des Bundestages für den 13. März. Es werde also höchste Zeit, dass die Öffentlichkeit erfährt, welche Personen als vorgeblich „unabhängige Wissenschaftler“ auserkoren sind, in der schwierigen und schwerwiegenden Frage der Atommüll-Lagerung eine Hauptrolle zu spielen. Schließlich sollen sie acht von 16 Stimmen in der Kommission haben, wenn über die Evaluation des Endlagersuchgesetzes, über Formen der Bürgerbeteiligung, über Grundsatzfragen der Atommüll-Lagerung und über Kriterien für einen Lagerplatz gesprochen und abgestimmt wird.
.ausgestrahlt habe sich deshalb entschieden, die uns vorliegende Liste der acht als ‚Wissenschaftler‘ bezeichneten Personen zu veröffentlichen:
- Bruno Thomauske, Physiker, in der Vergangenheit u.a. bei Vattenfall, hält den maroden Salzstock für „sorgfältig ausgewählt“ und „fraglos geeignet“
- Hubert Steinkemper, Jurist, ehemaliger Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium
- Michael Sailer, Chemiker, Geschäftsführer des Öko-Instituts
- Armin Grunwald, Physiker und Philosoph, Leiter des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) im Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
- Wolfram Kudla, Bauingenieur, Professor für Erdbau und Spezialtiefbau an der TU Bergakademie Freiberg
- Hartmut Gaßner, Jurist, langjährig als Rechtsanwalt im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) tätig
- Ulrich Kleemann, Geologe, Präsident der Struktur- und Genehmigungsdirektion Koblenz
- Detlev Appel, Geologe, PanGeo – Geowissenschaftliches Büro, Hannover
Zusätzlich wurden Informationen über diese Personen zusammengetragen, damit sich die Öffentlichkeit eine Meinung darüber bilden kann, ob diese Personen wirklich unabhängig und objektiv über die schwierigen Fragen in Sachen Atommüll urteilen können. Parallel versuchen die Atomkraftgegner eine Einschätzung, ob diese Personen das Vertrauen gerade derjenigen finden, die bisher von Politik und Wissenschaft immer wieder hinters Licht geführt wurden, wenn es um die Sicherheit von Atommüll-Lagern ging – die Ortsnamen Asse, Morsleben und Gorleben sprechen hier für sich.
- Bei der Auswahl der Wissenschaftler hatte die Politik augenscheinlich nicht die ‚weiße Landkarte‘ von ganz Deutschland im Blick, sondern vor allem den Standort Gorleben. Die meisten Plätze sollen eher anhand der Frage ‚bist Du für oder gegen Gorleben?‘ besetzt werden. Und so kommt es, dass einige Kommissions-Mitglieder sich schon vorab auf ein Wirtsgestein und auf einen Standort, nämlich Salz und Gorleben festgelegt haben. So wird die Atommüll-Kommission zur Gorleben-Kommission.
- Eine ganze Reihe der vorgeschlagenen Personen ist nicht wirklich unabhängig, denn aufgrund persönlicher oder beruflicher Interessen besteht die Gefahr, dass nicht nach dem bestmöglichen Weg gesucht wird, sondern nach dem, der den eigenen Bedürfnissen am ehesten entspricht.
- Wenn neben den acht Wissenschafts-Personalien und ihrer Ausrichtung noch die bisher sechs schon vorgeschlagenen Kommissions-Mitglieder aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Kirchen angeschaut werden, so wird schnell deutlich, dass es in der Kommission nie eine Zwei-Drittel-Mehrheit für geologische Kriterien geben wird, die den Standort Gorleben ausschließen. Eine Sperrminorität von sechs Stimmen wird immer zusammenkommen, die verhindert, dass Gorleben aus dem Verfahren ausscheidet oder verhindert, dass Kriterien beschlossen werden, die einen anderen Standort präferieren. Die beiden Wirtschaftsvertreter sind Repräsentanten der Atomwirtschaft, die zwei Gewerkschaftler sind Vertreter der beiden Gewerkschaften, die den Energiekonzernen am nächsten stehen. Der Vertreter der katholischen Kirche ist ein CDU-Politiker. Das alles nennt sich in Sonntagsreden Beteiligung der Zivilgesellschaft – ist aber in Wirklichkeit knallharte Interessenpolitik im Sinne derjenigen, die schon bisher in Sachen Atommüll alles falsch gemacht haben.
- Die Unions-Fraktion konnte durchsetzen, dass mit Bruno Thomauske ein Ex-Vattenfall-Manager und ehemaliger Leiter des Projekts Gorleben, der inzwischen einen von RWE geförderten Lehrstuhl innehat, als ‚unabhängiger Wissenschaftler‘ in die Kommission einziehen soll. Die Union konnte weiterhin durchsetzen, dass mit Hubert Steinkemper ein lange Jahre im Bundesumweltministerium beschäftigter Jurist und Atom-Freund als „unabhängiger Wissenschaftler“ in die Kommission einziehen soll. Thomauske vertritt in Wirklichkeit die Interessen der Atomwirtschaft, Steinkemper die Interessen der alten Atom-Garde aus dem Ministerium. Keiner von beiden ist an einer neuen transparenten und objektiven Suche interessiert. Wie soll mit diesen Personalien der Union abgenommen werden, dass sie die neue Suche ernst meint?
- Mit Michael Sailer ist jemand nominiert, der als Präsident des neu zu schaffenden Bundesamtes für kerntechnische Entsorgung im Gespräch ist. Doch ob die Einrichtung dieser Behörde Sinn macht, soll die Kommission erst evaluieren. Wie soll Sailer da unbefangen mitreden?
„Wir fordern, die Liste der acht für die Wissenschafts-Plätze nominierten Personen zu überarbeiten“, so Stay. „Sonst wird der versprochene Neustart schon zum Erliegen kommen, bevor es richtig los geht. Wir fordern vor allem von SPD und Grünen, dass sie sich nicht dafür hergeben, die Kommission schon vor ihrem Start zu entwerten.“
Wenn jemand bisher noch nicht verstanden habe, wieso sich die Umweltverbände schwer tun, zwei von 16 Sitzen in der Kommission einzunehmen, sollte jetzt vielleicht klarer sehen. Es mache keinen Sinn, als Feigenblatt für eine Veranstaltung zu fungieren, deren Ergebnis schon vorher feststeht.
„Ja, wir sind weiter bereit, aktiv mitzuarbeiten, wenn es wirklich darum geht, einen besseren Umgang mit dem Atommüll zu entwickeln. Aber dann müssen die politisch Verantwortlichen dazu auch bereit sein und die Kommission so besetzen, dass sie wirklich ergebnisoffen arbeiten kann.“
- Ringen um den Vorsitz der Endlagerkommission: Personalie empört Atomkraftgegner
23. Februar 2014 – Der angebliche Neustart der Endlagersuche steht mehr den je auf der Kippe. Erhebliche Defizite des Standortauswahlgesetztes (StandAG) wie das Festhalten an Gorleben und die Gründung einer Super-Behörde, des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgung (BkE) haben u. a. dazu beigetragen, dass die Umweltverbände ihre Vertreter in der Endlagersuchkommission bisher nicht benannt haben.
- Endlagersuche: Atomkraftgegner wollen nicht zum Feigenblatt für ein untaugliches Verfahren werden
28. Januar 2014 – Uneinigkeit und Streit herrsche unter den Umweltverbänden in der Frage, ob die zwei Plätze in der Endlagerkommission besetzt werden sollen, vermeldet das Nachrichtenmagazin Spiegel. Man diskutiere im Unterschied zu den Parteienvertretern, die in Küchengesprächen die Konturen des Standortauswahlgesetzes (StandAG) ausgehandelt haben offen und öffentlich über die Mängel des Gesetzes, korrigieren Atomkraftgegner. Irgendwer versuche hier, den Umweltverbänden die Verantwortung für etwas zuzuschieben, bei dem ganz andere nicht vorankommen oder in völlig falsche Richtungen gehen.
- Umweltverbände nicht in Kommission Endlager
20. Dezember 2013 – Der Deutsche Naturschutzring (DNR) hat heute nach Abstimmung mit Vertretern von Umweltverbänden und Bürgerinitiativen den zuständigen BerichterstatterInnen im Deutschen Bundestag mitgeteilt, dass er derzeit keine Vertreter der Umweltverbände für die Kommission Lagerung hochradioaktive Abfallstoffe vorschlagen wird.
Quelle (Auszug): ausgestrahlt.de, 26.02.2014