Neuer Katastrophenschutzplan für AKW-Unfälle

Die NRW-Landesregierung will sich auf der Innenministerkonferenz am 12./13. Juni in Bonn für die von der Strahlenschutzkommission im März vorgeschlagene Ausweitung der Katastrophenschutzzonen rund um Atomkraftwerke aussprechen. Dadurch müssten zahlreiche Kreise und Kommunen in NRW zusätzliche Katastrophenschutzmaßnahmen gegen die Auswirkungen schwerer Reaktorunfälle treffen. Dies geht aus einer jetzt veröffentlichten Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Piratenfraktion hervor (Landtags-Drucksache 16-5953, s. Anhang). In unmittelbarer Nachbarschaft von NRW liegen die Atomkraftwerke Lingen (Emsland), Grohnde (Weser) sowie der Reaktorkomplex Tihange (Belgien).

Besonders intensiv sind Rheine, Hörstel und Hopsten im Kreis Steinfurt betroffen sowie Höxter, Barntrup, Blomberg, Extertal, Lügde und Schieder-Schwalenberg in Ostwestfalen-Lippe, die jeweils weniger als 20 km von den AKW Lingen bzw. Grohnde entfernt liegen. In dieser sog. „Mittelzone“ wären bei einem Super-GAU Evakuierungen innerhalb von 24 Stunden erforderlich.

Zusätzlich empfiehlt die Strahlenschutzkommission die Ausweitung der sog. „Außenzone“ von 50 auf 100 km. In diesem Bereich müssten die Behörden die Bevölkerung ggf. mit Jodtabletten versorgen und zum Aufenthalt in Gebäuden auffordern. In dieser „Außenzone“ lägen nach Angaben der Landesregierung mit Münster, Bielefeld, Hamm, Dortmund, Recklinghausen, Herne, Gelsenkirchen, Bottrop, Mönchengladbach und Aachen zahlreiche Großstädte in NRW. Die Landkreise Minden-Lübbecke, Höxter, Lippe, Herford, Gütersloh, Paderborn, Hochsauerland, Soest, Warendorf, Steinfurt, Borken, Coesfeld, Unna, Recklinghausen, Kleve, Wesel, Viersen, Aachen, Düren, Rhein-Erft, Euskirchen und Heinsberg wären ganz oder teilweise betroffen. Eine genaue Auflistung der betroffenen Gemeinden findet sich in der Stellungnahme der Landesregierung.

Das Innenministerium kündigte in der Stellungnahme für die Landesregierung zudem an, „nach positiver Entscheidung der Innenministerkonferenz“ die Empfehlungen „voraussichtlich mit ergänzenden Anmerkungen“ an die Kreise und kreisfreien Städte zu übermitteln. Das Land werde den „weiteren Umsetzungsprozess soweit erforderlich begleiten und koordinieren“. Details dazu teilte das Innenministerium jedoch nicht mit.

„Die Aufstellung der Landesregierung macht deutlich, wie nah NRW an den benachbarten Atomkraftwerken liegt. Die Landesgrenze ist nicht einmal 20 km von den AKW Lingen und Grohnde entfernt. Ein verschärfter Katastrophenschutz ist zwar konsequent, aber auch der neue Radius verschafft keine Sicherheit. Eine wirkliche Vorsorge liefert nur die sofortige Stilllegung der AKW, denn im Ernstfall können selbst verschärfte Regeln die Menschen und die Region nicht schützen,“ erklärte Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen.

„Vor diesem Hintergrund ist es schwer verständlich, dass die Landesregierung keinerlei Initiative zur frühzeitigen Stilllegung der benachbarten AKW ergreifen will. Wir erwarten, dass die Landesregierung gemeinsam mit der rot-grünen Landesregierung von Niedersachsen im Bundesrat unverzüglich tätig wird und dass sie bei der belgischen Regierung auf die endgültige Stilllegung des AKW-Komplexes von Tihange drängt. Politische Untätigkeit ist kein wirksamer Katastrophenschutz,“ so Udo Buchholz vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU).

14. Juni: Demo in Hannover zur Stilllegung des AKW Grohnde

Die Anti-Atomkraft-Initiativen im Münsterland und der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) rufen gemeinsam mit ostwestfälischen und niedersächsischen Initiativen für den 14. Juni zu einer Demonstration in Hannover auf, um die endgültige Stilllegung des AKW Grohnde zu fordern. Dort sind in letzter Zeit schwerwiegende technische Probleme aufgetaucht und der Reaktor liegt derzeit still. Weitere Infos zu Grohnde: www.grohnde-kampagne.de

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Quelle: PE Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen / BBU, 05.06.2014