Vor drei Jahren: Bundestag sagte Atomausstieg und beschloss Laufzeitverlängerung für das AKW Gundremmingen
Am 30.6.2011 änderten die Bundestagsabgeordneten mit großer Mehrheit das Atomgesetz. Unter dem Eindruck von Fukushima wurde die im Herbst 2010 von der Merkel-Rösler-Regierung auf Wunsch der Atomkonzerne durchgedrückte Laufzeitverlängerung rückgängig gemacht. Gleichzeitig wurden jedoch für einige AKW, insbesondere für Deutschlands größtes Kernkraftwerk Gundremmingen, die Laufzeiten gegenüber ursprünglichen Gesetzen verlängert. Teile des Volkes und der gewählten Volksvertretung durchschauten dies nicht.
Am 14. Juni 2000 hatte die damals neue rot-grüne Bundesregierung mit den AKW-Betreibern vereinbart, dass die Atomreaktoren nach einer Laufzeit von im Regelfall 32 Jahren abgeschaltet werden sollten. Dafür erklärte sich die Regierung bereit, den Atomkonzernen durch Bau neuer Zwischenlager wieder einmal aus dem Atommüllnotstand zu helfen. Auch sagte die Bundesregierung zu, den „ungestörten Weiterbetrieb“ und die Entsorgung der Kernkraftwerke zu gewährleisten. Danach wäre für die im Jahr 1984 in Betrieb genommenen zwei Gundremminger Siedewasserreaktoren 2016 die Atomstrom- und Atommüllproduktion beendet worden.
Vor drei Jahren beschlossen dann fast alle Bundestagsabgeordneten von CSU/CDU/FDP/GRÜNEN und SPD, dass Block B in Gundremmingen Ende 2017 und Block C Ende 2021 abgeschaltet werden müssen.
Gleichzeitig wurde das „Ausstiegsgesetz“ mit einem Fallstrick versehen: Es wurde so begründet, dass Schadensersatzforderungen der AKW-Betreiber Aussicht auf Erfolg bekamen. Verantwortlicher Abteilungsleiter der Nuklearabteilung im Bundesumwelt ministerium war der Merkel-Vertraute und frühere EON Manager, der Jurist Gerald Hennenhöfer.
Nicht einmal die nordschwäbischen Abgeordneten E. Deligöz, G. Fograscher, U. Lange, G. Nüßlein und C. Roth haben bis heute ihren schwerwiegenden Fehler eingesehen.
Und so ging nach Beginn der Fukushima-Katastrophe die Strategie der AKW-Betreiber auf: Geschmeidig nachgeben, Fallstricke legen, die Energiewende kampagnenartig schlecht machen und dann langsam auf eine Verlängerung der Restlaufzeiten hinarbeiten.
Das Umweltbundesamt rechnete im Mai 2011 vor, dass das Abschalten aller AKW in Deutschland bis Ende 2016 gut machbar sei und kaum die Strompreise erhöhe. Aber die Atomkonzerne agierten erfolgreich im Hintergrund. Viele AntiAtom-Gruppen hingegen demonstrierten viel – und verpassten die wichtigen politischen Gespräche und Entscheidungen.
Und jetzt im Sommer 2014 stehen wir vor dem Scherbenhaufen: Neun alte und gefährliche Atomreaktoren laufen noch. An jedem Tag erzeugt jeder etwa eineinhalb mal so viel tödlich strahlenden Atommüll wie insgesamt in der Asse liegt. Wenn alle Reaktoren laufen, wird in Deutschland täglich rund 13 Mal Asse neu produziert. Eine Entsorgung für diesen hochradioaktiven Müll gibt es auch ein halbes Jahrhundert nach Betriebsaufnahme der ersten Versuchs-AKW nicht.
Durch üble Tricksereien an den Gesetzen (EEG, Verlagerung des Netzentgeltes der Großverbraucher auf kleine und mittlere Betriebe und die Privathaushalte) und durch eine infame Kampagne, die seit Anfang 2013 durch den Minister Altmaier und sein Schlagwort von der Strompreisbremse Fahrt bekam, ist das Ansehen der Energiewende planmäßig beschädigt worden. Die Parteivorsitzenden S. Gabriel und H. Seehofer pauken Bremsen gegen den Ausbau der Erneuerbaren Energien durch die Parlamente. Die Bundeskanzlerin A. Merkel und der Kommissar G. Oettinger hintertreiben in Brüssel Energieeffizienzfortschritte und die Sanierung des CO2-Zertifikate handels.
Und langsam beginnt die Kampagne: Zum Wohle Deutschlands die AKW etwas länger laufen lassen. So kohlt am 27.6. der umweltfeindliche Journalist W. Weimer im Handelsblatt „Die Kernenergie ist wieder da“.
In Wirklichkeit sind jetzt im Jahr 2014 weltweit deutlich weniger AKW in Betrieb als beispielsweise im Jahr 2000. Es sind viele AKW in Bau (viele seit über 20 Jahren!), aber 2013 nahmen nur vier AKW neu den Betrieb auf. Bisher in 2014 nur eins. Hingegen boomt weltweit der Ausbau der Solar- und Windenergie.
- Massive Sicherheitsprobleme im AKW Gundremmingen
8. Mai 2014 – Das Atomkraftwerk Gundremmingen ist sicher, sagt Bayerns Umweltminister Huber. Sein Kollege Untersteller aus Baden-Württemberg hatte Zweifel geäußert. Er bekommt Unterstützung von Experten: die beiden Reaktoren erfüllen längst nicht alle Vorgaben, besagt eine Stellungnahme der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS). Das müssen sie aber, um die Betriebserlaubnis zu behalten. Atomkraftgegner fordern die sofortige Stilllegung.
- Bayern hält AKW Gundremmingen für “sicher”
22. April 2014 – Im Gegensatz zu seinem baden-württembergischen Amtskollegen hält Bayerns Umweltminister das Atomkraftwerk Gundremmingen für “sicher”.
- AKW Gundremmingen: Baden-Württemberg will vorzeitiges Ende
18. April 2014 – Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg fordert aufgrund von Sicherheitsdefiziten eine vorzeitige Stilllegung des Atomkraftwerks Gundremmingen. Ein entsprechendes Schreiben habe die Landesregierung an Bayern gesandt. Atomkraftgegner warnen ebenfalls vor Risiken und fordern die sofortige Stilllegung der zwei Siedewasserreaktoren.
Quelle: FORUM, atommuell-lager.de; 30.06.2014