AKW-Rückbau: Geld der Konzerne reicht wohl nicht
Es ist der „Super-GAU“ für den Rückbau der Atomanlagen: Die Bundesregierung befürchtet, dass die Milliarden-Rückstellungen der Stromkonzerne „zu knapp bemessen“ sein könnten. Atomkraftgegner sehen das Entsorgungsdesaster entlarvt und fordern einen öffentlichen Fonds für die Gelder, damit sie bei einem möglichen Konkurs eines der Atomkonzerne nicht weg ist. Denn sonst wird am Ende der Steuerzahler für den energiepolitischen Irrweg Atomkraft aufkommen müssen.
In einem Schreiben von Wirtschafts-Staatssekretär Rainer Baake an die Grünen-Bundestagsfraktion heißt es, die Regierung werde wie geplant das Gespräch mit den Kraftwerksbetreibern suchen. In diesen Gesprächen werde es auch darum gehen, ob die bislang gebildeten Rückstellungen ausreichen werden, um die Kosten für die Stilllegung und den Rückbau der Kernkraftwerke und die Entsorgung der radioaktiven Abfälle zu finanzieren. Außerdem solle geklärt werden, „ob die gebildeten Rückstellungen in ausreichender Höhe werthaltig sein werden zu den Zeitpunkten, an denen sie für die Finanzierung der vorgenannten Kosten benötigt werden“. Dass am Ende der Steuerzahler für die Folgekosten der Atomkraft aufkommen muss, darüber schweigt die Regierung bislang weiter. Es gelte für die Kostenverantwortung das „Verursacherprinzip“ – und das liegt bei den Unternehmen.
„Jetzt ist die Katze aus dem Sack: Selbst das industriefreundliche Wirtschaftsministerium geht nicht mehr davon aus, dass die Stromkonzerne den von ihnen angerichteten Schaden in Sachen Atommüll werden begleichenkönnen. Anders lassen sich die geäußerten Zweifel nicht interpretieren“, meint Jochen Stay, Sprecher derAnti-Atom-Organisation .ausgestrahlt.
Unter Fachleuten ist umstritten, ob die bis heute insgesamt 36 Milliarden Euro der vier Stromkonzerne für die Entsorgung des Atommülls und den Rückbau der AKW ausreichen werden. Die Atomkonzerne waren im Mai mit einem Vorstoss, diese Gelder mitsamt der Verantwortung der AKW an den Staat zu übertragen, erstmal gescheitert. Nicht nur Bundeskanzlerin Merkel, auch mehr als 48.000 Menschen haben bisher in einem Aufruf von .ausgestrahlt und dem Umweltinstitut München den „Bad Bank“-Plänen eine Abfuhr erteilt. Unter dem Motto „Wir zahlen nicht für Euren Müll“ fordern sie von der Bundesregierung: „Nehmt Eon, RWE, EnBW und Vattenfall ihre Entsorgungs-Rückstellungen ab, bevor die Konzerne pleitegehen. Aber entlasst sie nicht aus der Haftung für künftige Kostensteigerungen beim Abbau der AKW und bei der Atommüll-Lagerung.“
Ende Juni hatte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel eine Überprüfung der Rücklagen angekündigt. Die Stromkonzerne haben in der Vergangenheit mit den Geldern gute Geschäfte machen können, denn sie dürfen das Geld für Investitionen nutzen ohne dafür Zinsen oder Steuern zu zahlen. Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) errechnete 2010 Gewinne von rund 68 Milliarden Euro.
Es gibt gar kein Geld: Rückstellungen statt Rücklagen
Das „Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien“ macht in einem Beitrag darauf aufmerksam, dass die Gelder eigentlich gar nicht existieren – und somit auch eine Überführung in einen öffentlichen Fonds nicht möglich ist. Denn es handle sich eben nicht um „Rücklagen“, sondern nur um „Rückstellungen“, das ausschließlich auf dem Papier erfolgen. Es sei „ein weit verbreiteter Irrtum in der Bevölkerung“, dass die Energieversorgungsunternehmen und AKW-Betreiber tatsächlich Geld für den AKW-Rückbau zurückgelegt hätten. Vielmehr drücken diese Rückstellungen den Gewinn und damit die Steuerlast der Konzerne, die eigentlichen Zahlungen erfolgen erst deutlich später, wenn der Abriss tatsächlich erfolgt. Weil in der Vergangenheit aber faktisch kein Geld in Höhe der ungewissen Verbindlichkeiten zurückgelegt wurde und mit den Rückstellungen auch kein Geld fließt, könne auch kein „bisheriges Geld“ in einen Abriss-Fonds eingezahlt werden.
Vereinfacht wird also höchstwahrscheinlich der Steuerzahler auf den Entsorgungskosten sitzen bleiben, am Beispiel der Sanierung der Endlager Asse oder Morsleben auf Staatskosten wird das deutlich.
- Rückstellungen der Atomkonzerne sichern und überprüfen
13. Mai 2014 – Zur aktuellen Debatte über den Umgang mit den gebildeten Rückstellungen der Energiekonzerne forderten heute der Deutsche Naturschutzring (DNR) und sein Mitgliedsverband Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) die Bundesregierung auf sicherzustellen, dass die Kosten der Atomenergie von den Betreibern finanziert und nicht auf Steuerzahlerinnen und Steuerzahler abgewälzt werden.
- Atomkraftwerke: Kosten und Verantwortung
13. Mai 2014 – Der Betrieb von Atomkraftwerken in Deutschland ist gleichzeitig die Geschichte der atomaren Subventionen. Neben der Kohle ist Atomkraft bis heute die am höchsten subventionierte Energieform. In einer im Jahr 2010 erstellten Studie im Auftrag von Greenpeace wurde festgestellt, dass von 1950 bis 2010 die Atomindustrie in Deutschland Subventionen von über 200 Milliarden Euro erhalten hat. Dies bedeutet umgerechnet auf jede Kilowattstunde Atomstrom eine Subvention von 4,3 Cent. Die Aktivisten vom Aktionsbündnis CASTOR-Widerstand Neckarwestheim haben einige Fakten zusammengetragen.
- “Bad Bank” für Atomkraftwerke? Wir zahlen nicht für Euren Müll!
13. Mai 2014 – Ein dreister Plan: Die Stromkonzerne wollen ihre finanziellen Risiken für den Abriss der AKW und die Atommüll-Lagerung auf die Gesellschaft abwälzen, obwohl sie über Jahrzehnte Milliardengewinne mit dem Atomstrom gemacht haben. ausgestrahlt startet eine Unterschriftenaktion: Wir zahlen nicht für Euren Müll!
- Studie: Zu wenig Zwischenlager und viele ungelöste Probleme beim Abriss von AKW
5. Dezember 2013 – Abschaltung, Stilllegung und Abriss der insgesamt 19 Atomkraftwerke in Deutschland machen Probleme. Es entsteht dabei soviel Atommüll, das bestehende Zwischenlager erweitert werden müssen. Und es gibt noch mehr Probleme. Die Studie wurde gestern von der baden-württembergischen Grünen-Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl vorgestellt.
- Der Preis der Atomkraft: Auch in England explodieren die Folgekosten
5. Februar 2013 – Am englischen Standort Sellafield befinden sich zahlreiche Atomanlagen, u.a. eine Wiederaufarbeitungsanlage und zahlreiche Atomreaktoren und Brennelementefabriken. Teilweise sind sie nicht mehr in Betrieb. Ein Atomunfall in den Fünfziger Jahren lässt das Urteil zu: Die angeblich billige Atomenergie entpuppt sich in Wirklichkeit als der teuerste Strom überhaupt.
- “Kernkraftwerke sind nicht für den Rückbau gebaut”
31. Januar 2013 – Eine interessante Einsicht bekommt ein Reporter der Schweizer Webseite “swiss.ch” beim Besuch des deutschen Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich, das nur ein Jahr in Betrieb gewesen ist und dann wegen ungeklärter Risiken stillgelegt werden musste. Seit 2004 läuft der “Rückbau” – doch von außen ist nichts davon zu sehen. “Kernkraftwerke sind nicht für den Rückbau gebaut”, meint ein beteiligter Ingenieur.
- Greenpeace: Versorger haben zu geringe Atom-Rücklagen
11. April 2012 – Allein der “grobe” Rückbau von Atomanlagen dauert mindestens 20 Jahre. Und schon dafür kann das Geld, was seit Jahren von den Betreiberkonzernen der AKW steuerfrei als Rücklage gebildet wird, nicht ausreichen. Laut einer Greenpeace-Studie ist es nämlich nicht krisensicher, weil die Konzerne es nicht zurücklegen mussten, sondern investieren durfen.
- 18 Milliarden Euro Abrisskosten für Atomkraftwerke
28. September 2011 – Laut einer Studie wird der Abriss der 17 letzten Atomkraftwerke in Deutschland für die Energiekonzerne richtig teuer: mehr als 18 Milliarden Euro müssen dafür eingeplant werden. Atomkraftgegner bemängeln, dass die Kosten für eine Endlagerung gar nicht berechnet werden können und fordern das endgültiges Aus des vermeintlich “günstigen” Stroms.
Quellen (Auszug): energiezukunft.eu, iwr.de, ausgestrahlt.de; 23./24.7.2014