Status Report: Atomstrom verliert an Bedeutung – weltweit
Der Anteil der Atomkraft an der gesamten Stromproduktion nimmt weltweit ab. Dies dokumentiert der World Nuclear Industry Status Report 2014, der diese Woche in Washington publiziert wurde.
Der Bericht zeigt auch: Mit Beznau I steht in der Schweiz das älteste AKW der Welt. Im Vergleich zu anderen Ländern gibt es in der Schweiz keine Abschaltdaten für bestehende AKW. Um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten, fordert die SES das Parlament auf, Laufzeitbeschränkungen für die bestehenden AKW und klare Sicherheitsstandards im Kernenergiegesetz festzulegen.
Die offiziellen Statistiken zur weltweiten Atomindustrie sind verzerrt. Auch drei Jahre nach der Katastrophe von Fukushima am 21. März 2011 wird in jeder offiziellen Quelle der gesamte japanische Reaktorpark, mit Ausnahme der sechs Meiler in Fukushima Daiichi, als “in Betrieb” bezeichnet – obwohl nur gerade zwei von ursprünglich 54 Reaktoren im letzten Jahr Strom produziert haben. Aktuell ist nicht mal ein einziges japanisches AKW in Betrieb. Der World Nuclear Industry Status Report 2014 (WNISR), der in Washington von unabhängigen Fachexperten veröffentlicht worden ist, zeichnet mit der Einführung der Kategorie „langfristige Abschaltung“ ein adäquateres Bild der Situation: Statt der offiziellen 434 AKW listet der WNISR nur 388 stromproduzierende AKW (Stand Juli 2014).
Die wichtigsten Kennzahlen des World Nuclear Industry Status Report 2014 :
- Abnehmende Bedeutung von Atomkraft. Der Anteil der Atomkraft an der globalen, kommerziellen Energieproduktion hat weiter abgenommen. Nur noch 4.4 % der Energie werden weltweit aus Atomkraft produziert, so wenig wie zuletzt 1984.
- Schweiz betreibt ältestes AKW der Welt. Die AKW werden immer älter. Das globale Durchschnittsalter ist auf 28.5 Jahre gestiegen (Stand Mitte 2014). Die Schweiz liegt mit durchschnittlich 39.2 Jahren weit darüber. Beznau I ist mit 45 Jahren das älteste AKW der Welt.
- Steigende Betriebskosten. Die Kosten für die Atomstromerzeugung sind in Frankreich in den letzten drei Jahren um 16 % gestiegen (inflationsbereinigt). In den USA sind mehrere AKW abgeschaltet worden, da die Einnahmen die horrenden Betriebskosten nicht mehr decken konnten. Und auch in Belgien, Deutschland und Schweden ist das wirtschaftliche Überleben von Atomkraftwerken in Frage gestellt.
- Erneuerbare überholen die Atomkraft. Im Jahr 2013 sind weltweit 32 Gigawatt Wind und 27 Gigawatt solare Stromproduktionskapazitäten an die Netze angeschlossen worden. Die globalen Investitionen von 214 Milliarden Dollar in neue erneuerbare Energien lagen weit über den rund 50 Milliarden für Atomkraft. Brasilien, China, Deutschland, Indien, Japan und neu auch Spanien produzieren bereits heute mehr Strom aus erneuerbaren Energien als aus Atomkraft (exklusive Grossswasserkraft).
SCHWEIZ REGELT ABSCHALTDATEN NICHT
In den USA betragen die Betriebsbewilligungen für AKW 40 Jahre, mit der Option diese per Gesuch um weitere 20 Jahre zu verlängern. Entsprechende Gesuche wurden seit Mai 2012 jedoch keine mehr bewilligt. In Frankreich werden Betriebsbewilligungen jeweils für zehn Jahre erteilt und ebenfalls per Gesuch verlängert – jedoch nur, wenn die entsprechenden AKW zum Zeitpunkt des Gesuches den jeweils aktuellsten Sicherheitsstandards entsprechen.
Demgegenüber gibt es in der Schweiz keine solchen Laufzeitbeschränkungen. Laut Kernenergiegesetz dürfen AKW betrieben werden „so lange sie sicher sind“. Was „sicher“ jedoch bedeutet, ist nicht definiert. Es ist dafür nicht etwa wie in Frankreich der aktuelle Sicherheitsstandard entscheidend, sondern für bestehende AKW der sogenannte „Stand der Nachrüsttechnik“. Ein solcher „Stand der Nachrüsttechnik“ ist jedoch weder in der Schweiz noch irgendwo sonst auf der Welt definiert.
Fazit und Forderungen der SES: Der Report bestätigt den globalen Rückgang der Atomstromproduktion und bekräftigt damit den in der Schweiz beschlossenen Atomausstieg. In der aktuellen Vorlage der Energiestrategie 2050 ist jedoch nur das Verbot von neuen Atomkraftwerken vorgesehen. Klare Sicherheitskriterien und Abschaltdaten für bestehende AKW fehlen.
„Das heutige Gesetz könnte für die Bevölkerung fatale Folgen haben“, kritisiert Sabine von Stockar, Projektleiterin Atom&Strom der SES.
Die Schweizerische Energie-Stiftung SES fordert das Parlament auf, den beschlossenen Atomausstieg ernst zu nehmen und vollständig umzusetzen. Hierzu müssen im Kernenergiegesetz eine Laufzeitbeschränkung für die bestehenden AKW und klare Sicherheitskriterien festgelegt werden.
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Quelle: energiestiftung.ch, 01.08.2014