Simulierter GAU im AKW Lingen führt zu Desaster
Eine großanlegte und bislang geheime Simulation einer Atomkatastrophe im AKW Lingen II endete am 17. September 2013 durch Kompetenzgerangel zwischen den Krisenstäben des Bundes und der Länder mit einem Desaster. Diese erschreckende Bilanz veröffentlichte am Wochenende die taz zusammen mit rund 1000 Seiten interner Ministeriumsprotokolle und -akten.
Im Ernstfall wäre eine radioaktive Wolke von Lingen in Richtung Südosten über Osnabrück, die Kreise Steinfurt, Warendorf, Gütersloh sowie Bielefeld hinweg gezogen, bevor die Behörden die Anwohner vor der radioaktiven Wolke gewarnt hätten. Großstädte wie Münster und Hamm blieben nur aufgrund der unterstellten Windrichtung von der ersten radioaktiven Windfahne verschont, ansonsten hätte auch sie der Fallout unvorbereitet getroffen. Trotz dieses Desasters hat das Bundesumweltministerium laut taz bis heute keine Konsequenzen aus der fehlgeschlagenen Katastrophenschutzübung gezogen.
„Was sich hier zeigt, übertrifft die schlimmsten Befürchtungen. Im Ernstfall sind die deutschen Behörden anscheinend überhaupt nicht in der Lage, die Bevölkerung angemessen bei einem GAU zu informieren und zu schützen. Warum wurde diese Übung geheimgehalten? Warum wurden bis heute keine Konsequenzen gezogen? Wenn die Behörden nicht in der Lage sind, die Bevölkerung bei schweren Atomunfällen zu schützen, dann muss das Bundesumweltministerium als Konsequenz sämtliche Atomanlagen umgehend abschalten,“ so Willi Hesters vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen.
Die jetzt bekannt gewordene Simulation eines Super-GAUs ist besonders brisant, weil erst in diesem Jahr die Vorsorgebereiche für Atomunfälle drastisch ausgeweitet wurden. So müsste ein Umkreis von 20 km rund um Atomkraftwerke innerhalb von 24 Stunden evakuiert werden, in einem Umkreis von 100 km müsste die Bevölkerung in den Räumen bleiben und vorsorglich Jodtabletten einnehmen.
„Die jetzige Übung zeigt, wie unrealistisch dieses Szenario ist. Während die radioaktive Wolke schon von Lingen ins Land zieht, sollen die Bauern noch ihre Ernte einfahren und die Bevölkerung erfährt viel zu spät von der radioaktiven Freisetzung. Und wenn schon die Kommunikation auf höchster Ebene zwischen Bund und Ländern nicht funktioniert, wie soll sie dann auf unterer Ebene zwischen den Ländern, Landkreisen und Kommunen unter dem riesigen Zeitdruck funktionieren? Ein Super-GAU ist verwaltungstechnisch nicht beherrschbar,“ so Matthias Eickhoff von der Initiative SOFA (Sofortiger Atomausstieg) Münster.
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20. Oktober 2014 – Vergangene Woche hat in der Schweiz die Verteilung von Jod-Tabletten an Millionen Anwohner von Atomkraftwerken begonnen. Die Massnahme wurde zur Anpassung der Katastrophenschutzmassnahmen nach dem GAU von Fukushima angeordnet. Auch in Deutschland setzen die Behörden auf diese weitgehend wirkungslose Vorsorge gegen schwere Reaktorunfälle. Atomkraftgegner fordern umfassenden Schutz: die Stilllegung der AKW.
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11. Juni 2014 – Die Ärzteorganisation IPPNW kritisiert die von der Strahlenschutzkommission (SSK) vorgelegten neuen Katastrophenschutzrichtlinien, die bei der heute beginnenden Innenministerkonferenz in Bonn beschlossen werden sollen. „Die Ausweitung der Evakuierungszone innerhalb von 24 Std. von 10 auf 20 Kilometer greift aus strahlenmedizinischer Sicht viel zu kurz“, so die ehemalige Vorsitzende der IPPNW, Dr. med. Angelika Claußen. Für die Ärzteorgansation sind die Empfehlungen nichts als ein Papiertiger.
Quelle: PE Aktionsbündnis Münsterland, 27.10.2014