Wir rufen zur massiven Unterstützung im Kampf gegen die Kriminalisierung des Widerstandes gegen Atommüll in Bure auf!

Als contratom haben wir den folgenden Aufruf aus Frankreich ebenfalls unterzeichnet:

Wir, nationale und lokale Verbände, Kollektive, Komitees und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, verurteilen die Politik der Kriminalisierung und die systematische Repression, die sich seit mehr als eineinhalb Jahren gegen Gegner*innen der geplanten Atommülltonne CIGEO in Bure richtet.

Um diese 25-jährige Widerstandsbewegung zu zerstören, gab es bereits mehr als 50 Verfahren. Hunderte von Monaten an Bewährungsstrafen wurden verteilt. Fast zwei Jahre an Haftstrafen wurden verhängt. 26 Aufenthalsverbote wurden ausgesprochen. Es gibt 7 Personen, denen verboten wird, sich zu begegnen und zu kommunizieren, als Teil einer gerichtlichen Auflage, im Rahmen einer Untersuchung wegen der Bildung einer „krimineller Vereinigung“. Es gab tausende von Euro an Bußgeldern.
Etwa zwanzig Durchsuchungen in den Départements Meuse und Isère, sowie in Paris. Etwa dreißig vorübergehende Festnahmen – darunter die des Anwalts Étienne Ambroselli, der am 20. Juni 2018 verhaftet wurde. Es gibt eine fest installierte Gendarmerie-Hundertschaft, die seit Sommer 2017 vor Ort wacht. Täglich, seit mehr als einem Jahr, werden die Bewohner*innen von Bure und der Umgebung verfolgt, vermerkt, gefilmt und kontrolliert – manchmal mehrmals innerhalb weniger Stunden.

Am Dienstag, den 16. Oktober 2018, fand in den Räumlichkeiten des Landgerichts Bar-le-Duc eine neue Verletzung ders Rechts auf ein Rechtsstaatliches Verfahren statt, ein weiterer Schritt in der Repressiongeschichte. An diesem Morgen hat das Gericht unter anderem Gaspard d’Allens, Aktivist und Journalist, in Abwesenheit verurteilt. Letzterer wurde jedoch nie darüber informiert, dass ihn ein Prozess betrifft. Er wusste nicht, dass gegen ihn Anklage erhoben wurde. Er konnte daher seine Verteidigung nicht vorbereiten oder eine*n Anwält*in wählen. Dennoch wurde er vor Gericht gestellt: unter Missachtung der elementarsten Garantien des Rechtes auf eine Verteidigung.

Staatsanwalt Olivier Glady erklärte einem empörten Publikum und der Verteidigung, dass er ihm eine Vorladung an eine Adresse in Paris geschickt habe. Allerdings lebt Gaspard dort seit 5 Jahren nicht mehr, und der Staatsanwalt wusste das genau. Gaspard lebt in Mandres-en-Barrois, in der Nähe von Bure, wo er fast Wochen lang täglich von den Gendarmen gefilmt wurde. Die Staatsanwaltschaft behauptete jedoch, dass er „radikal unauffindbar“ sei.

Aber wer in Bure könnte noch „unauffindbar“ sein, angesichts der generalisierten Überwachung die Gegner*innen von CIGEO aufspürt?
Angesichts dessen, dass zwischen 15 und 50 Telefone ad hoc oder permanent überwacht werden? Dass die Kommunikation ausspioniert und Bewegungen verfolgt werden? Dass all die  Freundschaften, die im Herzen dieses Widerstandes geboren wurden, im Verdacht stehen, Teil einer kriminellen „kriminellen Vereinigung“ zu sein? Millionen von Euro an öffentlichen Geldern werden ausgegeben, um Gegner*innen aufzuspüren, und die Staatsanwaltschaft hätte ihre Wohnadresse nicht aktualisieren können?

Seit Juni 2017 beschäftigt eine „Bure-Zelle“, die zwischen Nancy und Commercy angesiedelt ist, im Rahmen einer gerichtlichen Untersuchung wegen der vermeintlichen „krimineller Vereinigung“ zwischen 5 und 10 Gerichtspolizist*innen auf Vollzeitbasis. Ihre Mission: das gesamte Leben der Gegner*innen minutiös zu untersuchen und aufzuzeichnen. Sie verfolgen ein einziges Ziel: die Überwachung und Zerstörung des Widerstandes durch polizeiliche und gerichtliche Erstickung.

Zusammen mit einer anderen Person wurde Gaspard beschuldigt sich, am 23. Januar 2017, den Bauarbeiten von ANDRA im besetzten Wald Lejuc, „durch Gewalt oder Körperverletzung“ entgegengestellt zu haben. Der Staatsanwalt beantragte eine dreimonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung. Eine Strafe, die für jeden, der sich weigert, die Atomordnung in der Region zu akzeptieren, zum Klassiker geworden ist. Gaspard stellte sich symbolisch vor eine Planierraupe. Aber wo ist die „Gewalt“, denn damals, am 30. Januar 2017, goss Andras Bauleiter Emmanuel Hance brennbares Öl auf Gegner, die an einer Barrikade festhielten (https://www.youtube.com/watch?v=kzit6sJjt-E)?

Diese klare Verletzung der Verteidigungsrechte ist nur ein weiterer Ausdruck der repressiven Kärcherpolitik, die darauf abzielt, alle Formen des Protestes in Bure vollständig „aufzuräumen“.
Am 16. Oktober fanden zudem 6 weitere absurde Verfahren statt, vor allem wegen „Beleidigungen“, die durch das Klima der unerträglichen Militarisierung in der südlichen Meuse ausgelöst wurden. Je nach Fall waren drei Monate Gefängnis oder Bewährungsstrafen gefordert.

Im Département Meuse werden seltsame Praktiken zur Regel. Was ist mit einem Gericht, bei dem mobile Gendarmen das Kommen und Gehen bei jedem Prozess wegen Bure überwachen und am Ende regelmäßig den Gerichtssaal räumen?
Welche Schlussfolgerungen sollten wir ziehen, wenn sich Pflichtverteidiger*innen weigern zu Prozessen zu kommen um bestimmte Personen zu vertreten? Wie können wir die Tatsache beurteilen, dass die Anwältin des Konzerns ANDRA, Carine Bourrel, auch die Cheffin der Anwaltkammer der Meuse ist? Was sollen wir daraus schließen, wenn ein ermittelnder Beamter Herrn Le Fur mit seinem Vornamen „Kevin“ anspricht, wenn er ihn anruft?

Wir verurteilen mit Nachdruck die seit zwei Jahren in der Meuse praktizierte Einführung eines Mafiasystems, das seinen Namen nicht sagt, in dem die Grundfreiheiten und das Recht auf Verteidigung täglich mit Füßen getreten werden. Sie handeln im Namen des erzwungenen Fortschritts eines wahnsinnigen Atomprojektes, das keine Garantie für Sicherheit und Machbarkeit bietet. Sie handlen mit dem Ziel der Zerstörung einer pluralistischen Widerstandsbewegung, um die vorbereitenden Arbeiten von CIGEO auszuführen. Sie richten ein Labor der Repression ein, das als Experiment dient, um zukünftige Kämpfe besser zu neutralisieren.

Ebenso beunruhigend ist, dass diese massive Unterdrückung auch überall in Frankreich und auf der ganzen Welt Fuß fasst, gegen soziale Bewegungen, in Stadtteilkämpfen, bei Migrationskämpfen, im Rahmen von territorialen und ökologischen Kämpfen….. Wir dürfen nicht schweigen oder uns verbeugen, aus Angst, als nächstes auf der Liste zu stehen.

Wir rufen so viele Organisationen, Komitees, Kollektive und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie möglich auf, diese Plattform zu unterzeichnen und weiterzugeben, um:
– der Kriminalisierung des Kampfes in Bure und weiteren Räumen oppositioneller Kämpfein Frankreich ein Ende setzen.
– Widerstand gegen diesen Tendenzen aufzubauen
– Die Angst und das Schweigen zu brechen.

Wir rufen überall zu mehr Solidarität auf und lassen uns nicht in Isolation verknasten.
Wir werden nicht die nächsten auf der Liste sein!
Wir weigern uns, der Einschüchterung nachzugeben!

Erstunterzeichner: Koordination Stop CIGEO (CEDRA, EODRA, Habitants Vigilants de Gondrecourt-le-Château, Habitants Vigilants de Void-Vacon, des habitant-e-s de Bure et des environs. Burestop 55, Meuse Nature Environnement et Mirabel Lorraine Nature Environnement)

 

Dieser Aufruf auf französisch:

https://cedra52.jimdo.com/2018/10/17/nous-appelons-à-une-réaction-massive-face-à-la-criminalisation-de-la-lutte-contre-la-poubelle-nucléaire-à-bure/

Weiter Infos auf französisch sowie die Liste der bisherigen Unterzeichner_innen:

https://cedra52.jimdo.com/2018/10/19/plus-de-100-organisations-nationales-régionales-collectifs-et-personnalités-publiques-appellent-à-une-réaction-massive-face-à-la-criminalisation-de-la-lutte-contre-cigéo-à-bure/