„Sicherheitstechnisch ohne Bedeutung“: EnBW-Reaktoren mit noch mehr Störfällen
In den letzten fünf Monaten haben sich in dem Atomkraftwerk Philippsburg 14 Störungen ereignet. 2012 kam es für alle EnBW-Reaktoren zusammen zu „nur“ 26 meldepflichtigen Ereignissen. Der Betreiber meint, die Vorfälle hätten „sicherheitstechnisch nichts zu bedeuten“. Atomkraftgegner meinen: Sicher ist nur das Risiko!
„Das sind mal mehr, mal weniger“, sagt ein Konzernsprecher zu dem Anstieg der Störfallzahlen. Zudem seien die Ereignisse „ein Frühwarnsystem“, bei dem es auch „um Hinweise an andere Betreiber und um den Austausch von Erfahrungen“ gehe, schreibt der „Mannheimer Morgen“.
In 2011 hatten sich in den Baden-Württemberger AKW 38 Störfälle ereignet. Die hohen Werte in den Jahren 2011 und 2012 erklären die Atomaufseher laut der Zeitung mit „mehreren Sonderprüfungen“ des Betreibers zugunsten einer „hohen Sicherheitskultur. Die Folge: 2011 wurde jede vierte der bundesweit 104 Störungen vom AKW Philippsburg gemeldet. Zehn stammten aus Neckarwestheim. Bemerkenswert ist, dass an beiden Standorten jeweils ein Meiler seit März 2011 außer Betrieb ist.
Ähnlich auch die Situation in Biblis: Trotz der Stilllegung meldete Betreiber RWE in diesem Jahr schon zwei Störungen, 2012 waren es sieben. Im Jahr der Stilllegung kam Biblis sogar auf 19 zu meldende Ereignisse.
„Meistens sind es Verkettungen von kleineren Fehlern und zusätzlich menschliches Versagen, was dann zu größeren Störfällen führt“, so Jan Becker von contrAtom. „Zu behaupten, die vielen Ereignisse hätten ’sicherheitstechnisch nichts zu bedeuten‘ ist falsch und eine Irreführung der Bevölkerung, die in Sicherheit gewogen werden soll.“
Atomkraftgegner sehen in der aktuellen Störfall-Bilanz auch den Beleg für das Risiko, das noch von den bereits stillgelegten Atomkraftwerken ausgeht:
„Die Annahme, der Meiler ist vom Netz, wird stillgelegt und stellt keine Gefahr mehr dar ist ein Irrglaube“, so Becker. „Die Atomkonzerne wollen der Bevölkerung mit ungaren Rückbauplänen vorgaukeln, die Anlagen wären jetzt entschärft. Doch vielfach ist das gar nicht der Fall.“
In den meisten abgeschalteten Reaktoren befinden sich noch die hochradioaktiven Brennelemente, von denen ein enormes Risikopotential ausgeht. Denn u.a. waren die Kraftwerke wegen mangelhaftem Schutz gegen Einwirkungen von Außen, ein gezielter Flugzeugabsturz etwa, stillgelegt worden. Ein solcher Anschlag hätte auch heute noch verheerende Folgen, denn die Radioaktivität aus den Brennelementen könnte freigesetzt werden. Auch müssen die Kühlfunktionen in den stillgelegten Anlagen weiter einwandfrei funktionieren, weil es sonst zur Überhitzung der Brennelemente und damit zu deren Schmelzen kommen kann.
- Störfälle in den letzten neun AKW in Betrieb: https://www.contratom.de/storfalle/
- Defekt im Kühlsystem des AKW Philippsburg-1
10. April 2013 – Auch die abgeschalteten Atomkraftwerke sind weiter eine latente Gefahr, müssen doch alle Kühlsysteme für die Brennelemente noch jahrlang funktionieren, um deren Temperatur zu kühlen. In genau dieser Anlage hat es im AKW Philippsburg-1 einen Defekt gegeben. Der Betreiber ging von einer Eilmeldung an die Behörden aus.
- Meldepflichtiger Vorfall im AKW Philippsburg-2
21. Februar 2013 – Im Block 2 des Atomkraftwerks Philippsburg ist es in Folge einer Störung zu einem Leistungsabfall auf 70 Prozent gekommen. Das meldepflichtige Ereignis trat bei einer “regelmäßigen Routineprüfung” ein, berichtet Betreiber EnBW. Atomkraftgegner weisen auf die Störfallhäufung in dem Reaktor hin und fordern eine schnellere Stilllegung als im Atomausstieg vorgesehen.
- Baden-Württemberg: “Mehr Kontrolle” für Atommeiler angeordnet
30. Januar 2013 – Das Umweltministerium in Baden-Württemberg will die Aufsicht über die Atomkraftwerke im Land verstärken und ergänzen. Betreiber ENBW hatte Störfälle aus dem AKW Philippsburg-2 nicht gemeldet, ein anonymer Informant machte auf Defizite aufmerksam: Um Kosten zu senken, würde an Sicherheit gespart.
- Insider berichtet erneut von Schludereien im AKW Philippsburg
15. Dezember 2012 – Die Vorwürfe sind einmal mehr brisant: Mitarbeiter des Atomkraftwerks Philippsburg beschuldigen Betreiber EnBW, aus Kostengründen bei Sicherheitsmaßnahmen zu schludern, die Atomaufsicht zu täuschen, Zwischenfälle zu verschweigen. Derartige Anschuldigungen sind nicht neu, der Konzern streitet wie immer alles ab und mauert. Atomkraftgegner fordern, die Anlage sofort stillzulegen! Philippsburg-2 führt auch in diesem Jahr die Störfallstatistik an.
- Frühestens ab 2017: Abriss in Neckarwestheim und Philippsburg
27. November 2012 – Auch in Baden-Württemberg bleiben die Atomruinen erstmal stehen: frühestens in fünf Jahren soll mit dem Rückbau der Atomkraftwerke Philippsburg-1 und Neckarwestheim-1 begonnen werden. Wohin mit dem Müll weiss heute noch niemand so richtig.
- Baden-Württemberg: Noch viele Jahre Atomrisiko?
29. Juni 2012 – Der BUND Baden-Württemberg hat alle wichtigen Fakten gegen den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke Neckarwestheim-2 und Philippsburg-2 zusammengefasst und fordert: Sofort abschalten und atomares Risiko vermindern!
Quelle (Auszug): morgenweb.de, 11.06.2013