Taiwan stoppt nach Massendemonstrationen Reaktorbau
Am vergangenen Wochenende sind zehntausende Menschen erneut in der taiwanesischen Hauptstadt Taipeh auf die Strasse gegangen, die Proteste endeten in Auseinandersetzungen mit der Polizei. Nun gibt die Regierung offenbar nach: ein viertes Atomkraftwerk wird nicht gebaut.
Unter dem Druck der Öffentlichkeit, die seit der Katastrophe von Fukushima immer wieder demonstriert, hat Regierungschef Jiang Yi-huah am Montag den Baustopp für zwei geplante Reaktorblöcke am Standort Lugmen im Nordosten der Insel, nur 40 Kilometer von Taipeh entfernt, verkündet. Bis zu einem Referendum, mit dem die Bevölkerung über den Bau abstimmen soll, wird die Baustelle ruhen.
Seit 1999 entstehen dort zwei Meiler vom Typ Siedewasserreaktor (ABWR). Unklar sind der Zeitpunkt des Votums und dessen Modalitäten. Auch hatte die Regierung schon vor einem Jahr eine solche Abstimmung versprochen.
Ursprünglich war die Inbetriebnahme für 2004, dann von Block 1 für 2011, die von Block 2 für 2012 geplant. Die Kosten sollten ursprünglich bei 5,5 Milliarden US-Dollar liegen. Nach Angaben des staatlichen Betreibers Taipower sind 95 Prozent des ersten und 90 Prozent des zweiten Reaktors fertig, die Kosten auf 9,4 Milliarden US-Dollar gestiegen. Es werden Endkosten im Bereich von bis zu 17 Milliarden US-Dollar erwartet. Mit einer Inbetriebnahme ist nicht vor 2016 zu rechnen. Betreiber Taipower droht sogar mit Konkurs.
Demonstranten glaubten einer ersten Ankündigung des Baustopps am Wochenende nicht und besetzten daraufhin die Hauptstraße vor Taipehs Hauptbahnhof. Die Polizei räumte mithilfe von Wasserwerfern am frühen Montag 3.000 Aktivisten. Am Sonntag hatten bis zu 50.000 Menschen gegen Lugmen protestiert. Auslöser für die Massenproteste ist die Katastrophe von Fukushima, der Reaktor soll nämlich in einem erdbebengefährdeten Gebiet gebaut werden. Der Bau entsteht in einer Region, in der es viele Unterwasservulkane gibt. Politische Querelen, Pannen bei den Sicherheitstests und explodierende Baukosten hatten den Bau immer wieder verzögert.
Taiwan hat bislang sechs Atomkraftwerke an drei Standorten, die zusammen rund 20 Prozent des Stroms liefern. Bei vier Meilern handelt es sich um Siedewasserreaktoren.
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Quellen (Auszug): faz.net, taz.de; 28.04.2014